Food aktuell
Varia
5.3.2013
Fazit aus dem Pferdehaltungs-Skandal



Kommentar von foodaktuell.ch-Chefredaktor Dr.Guido Böhler


Seit der Kassensturzsendung am 19.2.2013 über Pferdequalzuchten sind die Konsumenten verunsichert. Die Kritik richtet sich zwar ans Ausland bzw an Importprodukte. In der Schweiz gibt es strenge Tierschutzbestimmungen und Kontrollen, aber der Inlandanteil beim Pferdefleisch beträgt nur rund 8%. Dieser Pferdehaltungs-Skandal hat einen wesentlich grösseren Einfluss auf die Nachfrage bei Schweizer Konsumenten als der Pferdefleisch-Deklarations-Skandal in den Wochen zuvor (Stichwort: Lasagne).

Einzelne Schweizer Pferdemetzgereien verzeichneten steigende Umsätzen. Sie schlachten selber und standen nie in der Kritik, ebensowenig die Schweizer Pferdehalter. Coop, Aldi, Denner und Lidl nahmen verdächtige Pferdefleischartikel aus dem Sortiment. Nicht so die Migros: sie erfuhr gemäss der Sonntagszeitung einen Einbruch von 25%. Der Grund liegt wohl im Konsumenten-Misstrauen: «Die Migros hält am Pferdefleisch fest, obwohl auch ihr Lieferant an den Quälereien beteiligt sein soll», war im Tagesanzeiger zu lesen.

Das Tierwohl kann einen Einfluss auf die Nachfrage haben und ist somit ein Wettbewerbfaktor, jedenfalls wenn Skandale publik werden und solange diese von den Medien thematisiert werden. Der Tagesanzeiger berichtete am 4.3.2013 von einer aktuellen Studie zu Tierschutzbemühungen internationaler Foodkonzerne. Das Tierwohl werde teilweise vernachlässigt.

Die Studienleiter erstellten eine Rangliste: In der Topkategorie landete keine der geprüften Firmen. Am besten schnitt Unilever ab mit Rang 2, in der Schweiz bekannt durch Knorr und Lusso. Auf Platz 3 finden sich Coop und McDonalds, auf Platz 4 die Migros und Danone, auf Platz 5 Nestlé, Barilla, Carrefour, Lidl und Rewe. Zuhinterst rangieren der Schweizer Airline-Caterer Gategroup, Burger King, Wal-Mart, Casino und Autogrill.

Die Forscher wollen Investoren informieren, wie die Konzerne das Geschäftsrisiko Tierwohl angehen. Das interessiert auch die Konsumenten und sollte vor allem die Fleisch- und Conveniencebranche sowie den Detailhandel zum Nachdenken anregen. Die Studie wird im August 2013 wiederholt. Profiteure von Qualzucht-Skandalen dürften die Anbieter von Bio- und allgemein Labelfleisch, Schweizer Fleisch und Regionalprodukten sein – eine Chance für die Schweizer Bauern. Es gibt nichts Gutes ausser man tut es – und spricht darüber. (GB)


Pferde auf der Weide im Kanton Jura



Kommentar vom Schweizerischen Bauernverband (SBV)

Der Skandal um Pferdefleisch, das ohne entsprechende Deklaration in Verarbeitungsprodukten mit Rindfleisch beigemischt wurde, beschäftigt halb Europa und hat auch die Schweiz erreicht. Es handelt sich dabei klar um Betrug mit einer wirtschaftlichen Motivation: Billigeres Pferdefleisch dient als Ersatz für teureres Rindfleisch.

Der Pferdefleisch-Skandal ist aber auch die Folge einer zunehmenden internationalen Handelstätigkeit, die schon fast dekadente Ausmasse angenommen hat. Die Rohstoffe oder Lebensmittel gelangen von Händler zu Händler von Land zu Land, bevor das Produkt schliesslich beim Konsumenten landet. Das Ziel dabei: einige Rappen billiger sein!

Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden. Wir brauchen klare und glaubwürdige Regeln für die Deklaration von Nahrungsmitteln sowie wirkungsvolle Kontrollen, mit denen deren Einhalten überprüft wird. Was die Regeln anbelangt: Das Parlament behandelt in der kommenden Frühjahrssession das Lebensmittelgesetz und die Swissness-Vorlage. Die Räte haben es über diese beiden Vorlagen in der Hand, glaubwürdige Regeln für die Deklaration und die Auslobung der Herkunft von Nahrungsmittel festzulegen.

Neben Regeln und wirkungsvollen Kontrollen ist beim Lebensmittelhandel und den Konsumenten ein Umdenken gefragt: Es kann nicht sein, dass Lebensmittel wegen kleinen Preisvorteilen über Tausende Kilometer herumgefahren werden. Warum nicht vermehrt regional produzierte Lebensmittel kaufen, deren Herkunft und Herstellung vom Produzenten bis zum Konsumenten einfach zurückverfolgt werden können?

In Umfragen bestätigen die Konsumenten immer wieder, dass ihnen das Tierwohl am Herzen liegt. Das sollte nicht nur beim Frischfleisch ein Argument sein, sondern auch in der Verarbeitung und in der Gastronomie. Ich wünschte mir, dass die Schweiz nicht nur vorübergehend über den Pferdefleischskandal empört ist, sondern nachhaltig umdenkt. (Text: Martin Rufer, Leiter Produktion, Märkte und Ökologie, Schweiz. Bauernverband, 19.2.2013)

Weiterlesen: Kritik an Pferdefleisch aus Qualzucht

Copyright http://www.foodaktuell.ch