Food aktuell
Varia
30.4.2013
Nutztiere auf die Weide

Der Schweizer Tierschutz STS hat am 25.4.2013 eine Nutztiertagung zum Thema „Freilandhaltung: artgerecht und ökologisch“ durchgeführt. «foodaktuell.ch» war dabei und präsentiert Ausschnitte in zwei Teilen. 1. Teil: Zusammenfassung und Biofleisch.


Den Nutztieren in der Schweiz geht es vergleichsweise gut, die Regeln sind streng. Dennoch gebe es Verbesserungspotenzial, so der Tenor an der Nutztiertagung des Schweizer Tierschutzes STS.


In der Schweiz sind medizinisch nicht notwendige Eingriffe, sogenannt zootechnischen, wie Enthornung oder Kastration nur unter Anästhesie erlaubt. "Gegenüber der EU haben wir die deutlich bessere Gesetzgebung zugunsten der Nutztiere", stellt Prof. Adrian Steiner, Leiter der Nutztierklinik an der Vetsuisse-Fakultät der Uni Bern, fest. Dasselbe gilt auch im Vergleich mit den USA, wo Regeln zu zootechnischen Eingriffen kaum existent sind.

Einzigartig in der Schweiz ist zudem, dass Eingriffe an die Tierhalter delegiert werden können, nachdem diese entsprechende Kurse absolviert haben. In diesem Bereich gibt es aber Möglichkeiten zur Verbesserung, wie eine von Steiner durchgeführte Umfrage unter den Schweizer Nutztierärzten zeigt. Bei der Enthornung sind die Tierärzte zwar hauptsächlich der Meinung, dass die Bauern diese korrekt vornehmen und zeigen sich dementsprechend auch einverstanden damit, dass diese den Eingriff selbst vornehmen können.

Anders bei der Kastration von Lämmern: Viele Tierärzte gehen davon aus, dass in ihrem Einzugsgebiet Lämmer nach wie vor ohne Anästhesie kastriert werden. Laut Adrian Steiner gilt dasselbe Problem auch für die Kupierung der Schwänze beim Lamm. Ein Grund dafür sieht Steiner in der verbreiteten Hobbyhaltung von Schafen.

Während etwa Rinder praktisch nur von Profis gehalten werden, sind Schafhalter oft nebenbei noch zu hundert Prozent berufstätig. Er ist deshalb der Meinung, dass die Schafhalter oft gar nicht wissen, dass sich strafbar machen, wenn sie solche Eingriffe ohne Anästhesie vornehmen. Um die Situation zu verbessern, hält er deshalb eine verbesserte Information sämtlicher Schafhalter für nötig.

Erfolgreiche Mutterkühe

Urs Vogt (Bild), Geschäftsführer von Mutterkuh Schweiz, stellte an der Tagung die Erfolgsgeschichte der Mutterkuhhaltung und deren Vorteile in Bezug auf das Tierwohl vor. Seit Jahren nimmt der Absatz der Produkte zu.

Auch das Kalbfleisch, seit 2008 unter dem Namen Natura-Veal im Verkauf, läuft gut. Und dies entgegen dem Vorurteil, dass Konsumenten weisses Kalbfleisch wollen. Denn aufgrund der Weidehaltung und der entsprechenden Nahrung ist das Fleisch rötlich oder kalbsrot, wie Urs Vogt es nennt.

"Wenn das Fleisch gut ist, spielt die Farbe keine Rolle", ist Vogt denn auch überzeugt. Einzig im Gastrosektor ortet er noch Skepsis gegenüber rötlichem Kalbfleisch. Dort wäre ein Umdenken angebracht, denn künftig wird aufgrund neuer Fütterungsvorschriften sämtliches Schweizer Kalbfleisch rötlicher sein.

"Nur wenn die gesamte Schweiz Bio ist, sind wir zufrieden", erklärte Daniel Bärtschi, Geschäftsführer von Bio Suisse, die ehrgeizigen Verbandsziele. Er stellte zudem klar, dass sich auch die Biobauern nicht auf den Lorbeeren ausruhen dürfen, sondern stetig weiter entwickeln müssen. Unter anderem steht Bio Suisse in finalen Verhandlungen mit dem STS um Tiertransportkontrollen.

Optimistisch für die Zukunft zeigte sich STS-Geschäftsführer Hansuli Huber. "Im Unterschied zu früher haben wir eine Top-Ausgangslage und können aus den negativen Erfahrungen von früher lernen", so Huber. Er forderte zudem auf, sich nicht durch die globale Intensivproduktion beirren zu lassen und zeigte sich überzeugt, dass diese nicht die Zukunft sein wird. (Text: LID)

Tierhaltung im Biolandbau: Ziele und Massnahmen im Spannungsfeld Ethik-Ökologie-Ökonomie



Referat von Daniel Bärtschi, Geschäftsführer, Bio Suisse, anlässlich der 15. Nutztiertagung des Schweizer Tierschutz STS zum Thema „Freilandhaltung: artgerecht und ökologisch“ vom 25. April 2013 in Olten


Die Vision der Bio Suisse für die Biolandwirtschaft ist sehr weitreichend: „Wir bewohnen einen nachhaltigen, bäuerlich geprägten landwirtschaftlichen Lebensraum für Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt. Im Bioland Schweiz steht ein ganzheitlicher Landbau im Zentrum, der über Generationen lebensfähig ist und authentische und gesunde Produkte erzeugt, die den Konsumierenden Geschmack und Genuss bieten.“

Diese Vision wird zusätzlich unterstützt durch die Grundsätze der Bio Suisse, im Bereich der Tierhaltung lauten diese wie folgt:

Wir pflegen robuste Pflanzen und Tiere.

Wir respektieren das Tierwohl durch artgerechte Haltung und Fütterung.

Auf diesen grundlegenden Werten bauen die Bio Suisse Richtlinien auf. Diese sind unter www.bio-suisse.ch verfügbar.

Tiere haben im Biolandwirtschaftssystem einen hohen Stellenwert, nicht nur zur Erzeugung von Lebensmitteln, sondern auch als Lieferart von Hofdünger. Der Kreislaufgedanke ist einer der Grundpfeiler des Systems Biolandbau. Die Gesellschaft fordert heute eine art- und umweltgerechte Erzeugung von Milch, Fleisch und Eiern. Der Biolandbau nimmt in diesem Bereich eine Vorbildfunktion ein.

Tierzucht

Der biologische Landbau setzt bei der Formulierung von Zuchtzielen oft andere Prioritäten als die herkömmliche Landwirtschaft: Gesundheit und Fruchtbarkeit der Tiere sowie die Produktqualität stehen an oberster Stelle. Deshalb braucht es Zuchtstrategien, die diese Ziele vorrangig verfolgen. Zudem muss untersucht werden, welche Zuchttiere diesen Zielsetzungen entsprechen.

In den herkömmlichen Zuchtstrategien werden teilweise Techniken genutzt, die nicht mit dem Verständnis und den Zielen des ökologischen Landbaus übereinstimmen. Deshalb müssen deren ethische Aspekte im Biolandbau laufend diskutiert und entsprechende Empfehlungen erarbeitet und vermittelt werden.

Milchkühe sollen dem Standort angepasst sein, das schliesst auch die Betreuung ein. Jeder Biobetrieb muss sich überlegen, welche Kuh zu seinem Betrieb passt. In den Merkmalen Fruchtbarkeit, Gesundheit und Vitalität sowie Nutzungsdauer und Persistenz sollen die Tiere stark sein, in Grösse, Gewicht und den Produktionsmerkmalen aber angepasst an das Umfeld. Wir unterstützen Projekte, die hier der Praxis Entscheidungsgrundlagen liefern.

Fütterung

Knospe-Wiederkäuer werden zu 90% mit Raufutter gefüttert und zu 100 % mit Biofutter. Langfristig wird eine Fütterung ohne Kraftfutter angestrebt. Das FiBL forscht in diesem Bereich: Das FiBL-Projekt "Feed no Food - Gras und Heu statt Kraftfutter fürs Rind ", bei dem seit 2009 die Umsetzung einer deutlich kraftfutterreduzierten bzw. kraftfutterfreien Rinderfütterung als Ziel verfolgt wird, soll uns hier Entscheidungsgrundlagen liefern.


Ein Sojaverbot ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg, aber wir unterstützen Massnahmen, um den Sojaeinsatz zu minimieren (Fütterungsberatung des FiBL) und die Herkunft des Soja zu diversifizieren. Ein Verbot würde nur dazu führen, dass weniger effiziente Eiweisskomponenten eingesetzt würden.

Haltung

Durch angepasste Aufstallung und Gelegenheit zu Betätigung und Bewegung werden die Bedürfnisse der verschiedenen Nutztierarten berücksichtigt. Die Tierschutzverordnung des Bundes muss vollumfänglich eingehalten werden. Die Tiere der Rindergattung, einschliesslich der Bubalus- und Bisonarten, Tiere der Pferdegattung, Schafe, Ziegen, Tiere der Schweinegattung sowie Geflügel sind nach den Bestimmungen über den regelmassigen Auslauf im Freien von Artikel 61 der DZV und dessen Ausführungsbestimmungen zu halten. Die Liegeflächen für alle Tiere müssen gemäss RAUS-Programm ausgestaltet sein. Die Ställe müssen mit Tageslicht versehen sein. Vollspaltenboden und vollperforierte Boden sind verboten.

Tiergesundheit

Tiere werden im Krankheitsfall auf Biobetrieben mehrheitlich noch mit Massnahmen der Schulmedizin behandelt. Das Interesse an alternativen oder ergänzenden Heilmethoden ist jedoch gross. Die Diskrepanz zwischen deren Verbreitung in der Praxis und dem Fehlen wissenschaftlicher Nachweise zur Wirkung und Wirksamkeit derselben erfordert grundlegende Forschungstätigkeiten in standardisierten Systemen. Zur schnellen Umsetzung in die Praxis ist eine Prüfung solcher Medikamente unter Feldbedingungen unerlässlich.

Derzeit aktuelle Empfehlungen basieren auf Erfahrungen aus der Praxis und werden mit standardisierten wissenschaftlichen Methoden untermauert. Dabei wird die Anwendbarkeit der geprüften Protokolle im Rahmen von Feldstudien in den Vordergrund gestellt. Als wegweisende Initiative unterstützt Bio Suisse das Kometian-Projekt (www.kometian.ch), hier wird der Erfahrungsaustausch gefördert. Dadurch werden Landwirte und Tierärzte in der Anwendung komplementärer Heilverfahren unterstützt.

Ökonomie

Die wirtschaftliche Bedeutung der Tierhaltung ist für den Biolandbau hoch, etwa jeder 2. Franken wird so verdient. Fleisch (und Milch) wird unter Knospe nicht importiert, auch wenn es manchmal an Edelstücken mangelt. Potential gibt es bei der Pouletproduktion und beim Bioweidebeef. (Text: Daniel Bärtschi)

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