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2.7.2013
Swiss Convenience-Retail-Day 2013: Rückblick

Am 19. Juni 2013 hat das Schweizerische Marketing-Forum die Fachtagung Swiss Convenience-Retail-Day organisiert. Am diesjährigen Top-Event für Händler und Hersteller lieferten Experten anhand von Praxis-Beiträgen aktuelle, praxis-bezogene Daten, Fakten, Trends und Perspektiven. Foodaktuell.ch präsentiert das Fazit von Fuhrer & Hotz.



Marco Fuhrer, Mitautor der Exklusiv-Studie «Convenience Schweiz 2013», am Referat des Swiss Convenience-Retail-Day.

(Bild: Arthur Rossetti)


Die Analyse der vergangenen Jahre macht deutlich, dass die im jeweiligen Vorjahresvergleich grössten Umsatzzuwächse im Convenience-Retail wohl hinter uns liegen. Nichtsdestotrotz wächst dieses für Handel und Industrie wichtige Absatzfeld noch immer mehr als der klassische Retail-Markt. Dies nicht zuletzt auch unter Einbezug der weiter hart umkämpften Situation im traditionellen Detailhandel.

Darüber hinaus dürfte auch der virtuelle Markt (E-/M-Commerce etc.) in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Und gerade dieser Marktplatz ermöglicht den Konsumenten Produkte zu jeder Tages- und Nachtzeit zu bestellen. Zahlreiche Pilotprojekte mit logistischem Hintergrund zielen zudem darauf ab, die bestellte Ware möglichst zeitnah zu liefern bzw. an einem für die Konsumenten optimalen Ort bereitzustellen.

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass lediglich 13% der befragten Experten eine Pick-up Station für Onlineeinkäufe als prioritären Service für einen Convenience-Store betrachten. So oder so wird der Kampf um die Gunst der Kunden auch im Convenience-Retail härter werden. In diesem Zusammenhang verfolgen wir mit Argusaugen, wer sich neben den beiden Hauptakteuren Coop Pronto und migrolino mit welchen Konzepten in einem zunehmend anspruchsvolleren Umfeld wird behaupten können.

Nach dem ausserordentlichen Detailhandelsjahr 2011 haben viele auf (schnelle) Besserung gehofft im Folgejahr 2012. Doch haben sich die Rahmenbedingungen weniger schnell in die gewünschte Richtung entwickelt. Folge daraus waren zu ambitiöse Budgets vieler Händler und Hersteller. Gegen 40% konnten im vergangenen Jahr im klassischen Retail-Markt die Umsatzerwartungen nicht erfüllen – im Convenience-Retail waren dies rund 30%. Die Situation in Bezug auf den angestrebten Gewinn ist ähnlich (unter Budget im klassischen Retail-Markt 34% und im Convenience-Retail 31%).

Betroffen hiervon waren sowohl Handel als auch Industrie, wenngleich in der Gesamtbetrachtung die Beurteilung der Hersteller insgesamt etwas negativer ausfällt. Ausblickend sind sich die Top-Entscheider den Herausforderungen im Kontext der gegenwärtigen Rahmenbedingungen und unter Einbezug von aktuellen Trends und möglichen Veränderungen durchaus bewusst.

Liberalisierung der Laden-Öffnungszeiten

So sind beispielsweise 47% der Befragten der Meinung, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten Tatsache sein wird (auch wenn der Souverän Vorlagen zu diesem Thema in diversen Kanton erst kürzlich teilweise deutlich verworfen hat). Zudem rechnen 44% der Experten damit, dass sich das Preisniveau im Convenience-Retail mehr und mehr den Preisen im klassischen Retail-Markt angleichen wird bzw. muss. Mit den hohen Kostenstrukturen dürfte gerade dieser Punkt eine Knacknuss werden für die Convenience-Händler.

Bei den Tankstellen-Shops hat sich viel getan im Jahr 2012. Die in dieser Zeit beschlossene Kooperation von Socar mit migrolino und die Übernahme der Contashop AG durch die SPAR-Gruppe machen dies deutlich. Während sich migrolino damit in Bezug auf die Anzahl Standorte in etwa auf Augenhöhe des Hauptmitbewerbers befindet ermöglicht sich SPAR dadurch, das eigene SPAR Express-Filialnetz substanziell auszuweiten. Es erstaunt daher wenig, dass die Tankstellen-Shops aktuell, aber auch in den kommenden Jahren am vergleichsweise dynamischsten eingestuft werden punkto Wachstum.

Doch auch den übrigen Bereichen wird mehrheitlich eine erfreuliche Zukunft prognostiziert. Einzig die Ethno- bzw. Spezialitätenläden und vor allem auch die Kioske dürften unter Druck kommen bzw. bleiben. Kurzfristig betrachtet sehen die Experten bei den Tankstellen-Shops migrolino als klaren Sieger, deutlich vor Coop Pronto. Dies dürfte unter anderem oder sogar hauptsächlich auf die Kooperation mit Socar und den damit verbundenen Ausbau der Distribution zurückzuführen sein.

Bei den Bahnhofshops belegt avec. knapp vor Coop Pronto den Spitzenplatz und bei den übrigen Convenience-Stores macht Volg deutlich das Rennen vor migrolino (Stand-alone). Somit wird überall den aktuellen Siegern auch die beste Zukunftsentwicklung attestiert. Düster sieht man die weitere Entwicklung im Kiosk-Bereich, obwohl hier mit innovativen Konzepten (z.B. bargeld- und kontaktloses Bezahlen) versucht wird, den Bedürfnissen der Highspeed-Shopper (noch) mehr gerecht zu werden.

Prioritäten setzen

Soviel vorweg: Es gibt nicht bloss eine einzige grosse Schraube, an welcher es zu drehen gilt, damit man in Zukunft (noch) erfolgreicher am Markt auftreten kann. Je nach Bereich sind unterschiedliche Themen-/Leistungsfelder im Vordergrund. Von den zwölf analysierten Feldern werden einzig ‚Sortimentsgestaltung‘ und ‚Preis-Management/-Diversifikation‘ in allen Bereichen im Kontext von möglichen Leistungsverbesserungen als prioritär betrachtet.

‚Optimierte Standortkonzepte‘ werden derweil einzig bei Tankstellenshops genannt, aber gleichzeitig am häufigsten. An zweiter Stelle kommt dicht gefolgt ‚Platzierungs-/Layout-/Regalmanagement‘. Dieses zählt allgemein zu den TOP-Prioritäten und belegt bei den Bahnhofshops wie auch den übrigen Convenience-Stores gar den Spitzenplatz.

Bei den Bahnhofshops wird am zweithäufigsten ‚Shopper Verständnis und Customer Journey Optimierung‘ genannt, während bei den übrigen Convenience-Stores die ‚Werbewirkungsoptimierung‘ an zweiter Stelle folgt. Convenience-Händler, welche mit ihren Formaten in mehreren Bereichen präsent sind, sind also doppelt gefordert. Denn diesen muss der Spagat gelingen zwischen einem einheitlichen Wiedererkennungsmerkmal und einer auf den jeweiligen Bereich abgestimmte optimale Differenzierung.

Es fällt auf, dass die beiden Themen-/Leistungsfelder ‚Supply Chain Optimierung/Vermeidung Out of Stock‘ und ‚Promotionseffizienz/-optimierung‘ in keinem Bereich des Convenience-Handels als nennenswertes Handlungsfeld für Verbesserungen taxiert wird. Anscheinend möchte man keine bzw. nur wenige Ressourcen aufwenden um diesbezüglich einen entscheidenden und vor allem Marktanteil-steigernden Schritt weiter zu kommen. Eines ist klar: Ohne klare Differenzierung wird es im zunehmend kompetitiven Convenience-Markt immer schwieriger Marktanteile zu gewinnen.


Der Trend geht in Richtung Take-away für Sofortkonsum. Bild: Heisse Theke mit vorverpackten Komponenten oder Gerichten bei Coop (Grillpoulet, Chicken sweet+sour)


Fand man noch vor wenigen Jahren viel mehr Produkte/Artikel in den Regalen, welche sonst primär im klassischen Retail-Markt verkauft werden wie z.B. Zucker, Mehl, Öl&Essig und andere sogenannte Vorratsartikel, so haben sich die Sortimente zwischen-zeitlich stark verändert. Der Trend geht eindeutig in Richtung Produkte für den Sofortverzehr. Hohe 79% der Experten erwarten in einem C-Store ‚Frische Sandwiches und/oder Salate‘ gefolgt von ‚Warmen Snacks‘ (40% Nennungen). An dritter bis fünfter Stelle werden genannt ‚Kaffeeautomat‘ (37%), ‚Freundlicher Service‘ (35%) und ‚Toiletten‘ (34%).

Gefragt nach den Schweizer Benchmarks, also nach denjenigen Convenience-Händlern, welche am besten aufgestellt sind, sind sich die Experten einig. Coop Pronto belegt nicht nur bei der Warenleistung den ersten Platz, sondern auch bei vier weiteren von total sechs abgefragten Kompetenzfeldern. Nur bei den Kaufhilfen/Dienstleistungen muss sich Coop Pronto von migrolino geschlagen geben.

migrolino liegt bei fünf Kompetenzfeldern auf dem Verfolgerplatz, bei der Ladenatmosphäre gemeinsam mit Aperto. Auch wenn oder gerade weil die „Vorbilder“ offenbar eindeutig identifiziert werden können, kann es eben genau nicht der Weg sein, diese nachahmen zu wollen. Viel mehr braucht es einen eigenen, differenzierten Auftritt am Markt in einer optimalen Koexistenz mit den beiden Marktleadern. Lediglich 3% der in der Schweiz wohnhaften Personen kaufen nie in einem Convenience-Store ein. Im Jahr 2012 waren dies noch 4%.

Besonders häufig sind die jungen Konsumenten in einem Convenience-Shop anzutreffen. 65% der unter 20-Jährigen kaufen mindestens einmal pro Woche im Convenience-Handel. Bei den 40- bis 69-Jährigen beträgt dieser Anteil ‚nur‘ noch 48%. Doch handelt es sich bei den jungen Shoppern oft um Lehrlinge/Schüler. Und diese verfügen meist nicht über die dicksten Portemonnaies und schauen dementsprechend genau auf die Preise.

Betrachtet man die Convenience-Shopper nicht nach Alter, sondern nach deren allgemeingültigen Einkaufsgewohnheiten, so sind aufgrund der hohen Anteile am Total vor allem drei Shopper-Typen von Interesse: Budget-Shopper (28% aller Shopper in der Schweiz), One-Stop-Shopper (26%) und Öko-Shopper (24%).

Die Budget-Shopper, welche vor allem auf günstige Preise achten, sind etwas weniger häufig im Convenience-Retail anzutreffen als beispielsweise die One-Stop-Shopper, bei welchen der Einkauf vor allem schnell gehen muss. Doch ist dies je nach Bereich sehr unterschiedlich. Dies fällt insbesondere bei den Nachbarschaftsläden auf, welche eine hohe Affinität haben zu den Öko-Shoppern, welche vor allem auf regionale Herkunft und biologische Produkte achten. Shopper ist also nicht gleich Shopper. Und je mehr man über die eigenen und potentiellen Kunden weiss, desto mehr kann man deren Bedürfnisse befriedigen und damit auch erfolgreicher am Markt auftreten.

Coop Pronto und migrolino sind nicht nur die klaren Leader wenn es um die Noten der Experten geht, sondern auch wenn es beispielsweise um die gestützte Bekanntheit oder die Käuferreichweite geht. Diese beiden Kennzahlen sind natürlich stark beeinflusst von der Anzahl Standorte in den verschiedenen Landesteilen. Doch heisst dies nicht automatisch, dass man auch einen hohen Stammkundenanteil für sich in Anspruch nehmen darf.

Vergleichen wir doch einmal die beiden Marktleader miteinander gerade auch vor dem Hintergrund, dass migrolino in jüngster Vergangenheit stärker expandiert hat als Coop Pronto: Die Unterschiede sind, obwohl die gestützte Bekanntheit aktuell keine 10%-Punkte auseinanderliegt, bemerkenswert. Coop Pronto generiert aus einer gestützten Bekanntheit von aktuell 90% einen Stammkundenwert von 41% - dies sind 46% aller Personen, welche Coop Pronto gestützt kennen. Bei migrolino sind es 27% aller Personen, welche migrolino gestützt kennen.

Zudem ist aber auch die Entwicklung zu erwähnen: Vergleicht man diese Konversion mit dem Vorjahr so fällt auf, dass Coop Pronto einen negativen Trend aufweist und migrolino einen positiven. Dies erstaunt aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Markt nicht. Zudem hat migrolino innerhalb derjenigen Personen, welche migrolino als favorisierten Convenience-Shop (=Wahl falls alle Shops am selben Standort aufgesucht werden könnten) nennen, noch deutlich weniger Stammkunden und somit noch ein grosses, bisher nicht ausgeschöpftes Potenzial.

Die Analyse der repräsentativ befragten Konsumenten in der Schweiz lässt klar erkennen, welche Erwartungen und Gewohnheiten rund um Convenience-Shops existieren. Neben zahlreichen spezifischen Erwartungen und Gewohnheiten, welche auf die typischen Merkmale von Convenience-Stores zurückgeführt werden können, gibt es aber auch sozusagen allgemeingültige Anforderungen. Als Beispiel hierfür sei der Faktor Mensch genannt. Denn selbst in diesen Shops, welche für den schnellen und unkomplizierten (Selbstbedienungs-)Einkauf ausgerichtet sind, erwarten 69% der Konsumenten freundliche und zuvorkommende Mitarbeiter. Themen wie ‚Ladenatmosphäre‘ oder ‚Sortimentsbreite‘ erzielen deutlich tiefere Prozentwerte.

Vor dem Hintergrund, dass die Experten davon ausgehen, dass es innerhalb der nächsten fünf Jahre zu einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten kommt, interessieren wir uns abschliessend noch mit den diesbezüglichen Gewohnheiten der Konsumenten. 59% aller Befragten suchen Convenience-Stores dann bevorzugt auf, wenn alle anderen Läden geschlossen haben.

Weitere 25% haben hierzu (noch) keine klare Meinung. Zudem geben 35% der Konsumenten an, dass sie weniger in Convenience-Shops einkaufen würden, wenn die Supermärkte längere Öffnungszeiten hätten bzw. besser gelegen wären. Hierzu konnten sich 35% (noch) keine klare Meinung bilden. Eine allfällige Liberalisierung dürfte für den Convenience-Retail also neue Herausforderungen mit sich bringen. (Text: Martin Hotz, Marco Fuhrer, Jost Kayser)

Exklusiv-Studie «Convenience Schweiz 2013»
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