Food aktuell
Varia
14.5.2014
Kein Herzinfarkt-Risiko wegen Milchfett



Freispruch für die bei Gesundheitsbewussten oft gemiedenen tierischen Fette wie Butter, Speck und Co: Der Einfluss des Nahrungsfetts auf koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt ist weit geringer, als viele Ernährungsexperten dies darstellen.


Kürzlich ist von einem internationalen Team renommierter Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Annals of Internal Medicine die bis dato umfassendste Metaanalyse bisheriger Studien zum Einfluss des Nahrungsfetts auf das Herzinfarktrisiko vorgestellt worden. Die Resultate widersprechen der gängigen Ernährungslehre und weisen darauf hin, dass die Fettqualität nicht entscheidend für das Herzinfarktrisiko ist.

Seit Anfang der 1970er-Jahre hat eine Regel die Ernährungslehre dominiert: Gesättigte Fettsäuren seien ein Risiko für Herzinfarkt. Weil sie in hohen Anteilen in tierischen Fetten vorkommen, hätte demnach der Konsum von tierischen Fetten – also vor allem von Butter, Rahm, Käse, Milch und Fleisch – weitgehend reduziert werden sollen. Bis heute werden Ernährungspyramiden und Ernährungskreise weltweit auf die Einsparung gesättigter (tierischer) Fette zugeschnitten.

Andere Aspekte werden dieser Vorgabe untergeordnet. Differenzen gab es höchstens darüber, ob anstelle gesättigter Fettsäuren besser Kohlenhydrate zu essen seien, was die Kost fettärmer gemacht hat, oder ob statt gesättigter besser ungesättigte Fettsäuren zu konsumieren seien. Beide Methoden senken den Cholesterinspiegel, der als Risikofaktor ein Hauptpunkt in der Argumentationskette ist. Gefördert wurde diese Regel des Fettaustausches seit 40 Jahren vor allem von der Pflanzenfettindustrie und deren nahestehenden Experten, welche linolsäurereiche Öle und daraus hergestellte Margarinen als besonders wertvoll anpriesen.

Gesättigte Fettsäuren erhöhen das Herzinfarktrisiko nicht

Kritiker weisen seit Langem darauf hin, dass eine starke Diskrepanz zwischen Datenlage und Lehre herrscht (1–4). Tatsächlich haben in den letzten 40 Jahren über 30 Langzeitbeobachtungsstudien mehrheitlich ergeben, dass kein Herzinfarktrisiko durch vermehrten Konsum gesättigter Fettsäuren besteht. Das wurde auch mehrfach in systematischen Reviews und Metaanalysen deutlich aufgezeigt (2, 5–7).

Umgekehrt fanden sich grösstenteils keine Schutzeffekte durch linolsäurereiche Pflanzenfette. Auch die Langzeitstudien zum Einfluss des Konsums von Milch und Milchprodukten oder Fleisch lieferten mehrheitlich keinen Hinweis auf ein Herzinfarktrisiko durch den Konsum dieser Nahrungsmittel mit relativ hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren (8–10).

Klinisch-kontrollierte Diätinterventionen mit Kostformen arm an Fett beziehungsweise gesättigten Fettsäuren oder bei denen gesättigte Fettsäuren gegen mehrfach ungesättigte Omega-6-Fettsäuren ausgetauscht wurden, ergaben mehrheitlich auch keinen signifikanten Therapieeffekt im Sinne einer Senkung der Herzinfarkt- oder Gesamt-Sterblichkeit (2, 6, 11).

Trotz des Mangels an Beweisen: An der Ernährungslehre änderte sich bislang nichts, und die tierischen Fette gelten bis heute als Risiko. Die Begründung: Gewisse gesättigte Fettsäuren erhöhen das LDL-Cholesterin und «müssen» deshalb ein Herzinfarktrisiko darstellen. Dass sie aber gleichzeitig auch das HDL-Cholesterin erhöhen und die Lipoproteine weniger oxidationsanfällig und damit weniger atherogen machen, wird in der Argumentation nicht berücksichtigt (11).

Einfluss der Fettzufuhr auf das Herzinfarktrisiko

Am 17. März 2014 ist von einem internationalen Team renommierter Wissenschaftler aus den Universitäten von Oxford, Cambridge und Harvard die bislang grösste Analyse der wissenschaftlichen Daten vorgelegt worden (12). Sie war von der British Heart Foundation und dem Medical Research Council in Auftrag gegeben worden. Die Analyse umfasst 32 Langzeitbeobachtungsstudien (512’420 Teilnehmer) zum Einfluss der Fettzufuhr auf das Herzinfarktrisiko. Zusätzlich sind 17 Studien (25’721 Teilnehmer) zu Biomarkern des Fettkonsums (Fettsäuren in Blutkörperchen) und deren Einfluss auf das Herzinfarktrisiko analysiert worden. Des Weiteren gingen 27 randomisiert-kontrollierte Diät-Interventionsstudien (105’085 Teilnehmer) in die Analyse ein.

Beim Vergleich des oberen mit dem unteren Terzil der Zufuhr bei den Langzeitbeobachtungsstudien fand sich ein relatives Risiko:
 von 1,03 (95% KI, 0,98 – 1,07) für gesättigte Fettsäuren
 von 1,00 (CI, 0,91 – 1,10) für einfach ungesättigte Fettsäuren
 von 0,98 (KI, 0,90 – 1,06) für Omega-6 mehrfach ungesättigte Fettsäuren
 von 0,99 (KI, 0,86 – 1,14) für alpha-Linolensäure, der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure

Statistisch signifikant war die Senkung des relativen Risikos auf 0,87 (KI, 0,78 – 0,97) für die langkettigen, tierischen Omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Ein signifikant erhöhtes relatives Risiko fand sich für Gesamt-Trans-Fettsäuren mit 1,16 (KI, 1,06 – 1,27). Die Analyse der Biomarker, die als bessere Indikatoren für die Zufuhr gelten als Ernährungsprotokolle oder andere Ernährungserhebungsmethoden, bestätigten die Trends aus den Zufuhrdaten.

 Das relative Risiko für gesättigte Fettsäuren war mit 1,06 (KI, 0,86 – 1.30) nicht signifikant.
 Für einfach ungesättigte Fettsäuren fand sich ebenfalls ein relatives Risiko von 1,06 (KI, 0,97 – 1,17), für Omega-6 ein relatives Risiko von 0,94 (KI, 0,84 – 1,06), für langkettige Omega-3-Fettsäuren ein relatives Risiko von 0,84 (KI, 0,63 – 1,11) und eine Erhöhung auf 1,05 (KI, 0,76 – 1,44) für Trans-Fettsäuren.
 Bei Betrachtung einzelner Fettsäuren in den Gewebeproben gab es nur signifikante Effekte für drei langkettige, tierische Omega-3-Fettsäuren mit einer Senkung des Risikos durch Eicosapentaensäure, Docosahexaensäure und Docosapentaensäure.
 Aber auch die tierische Arachidonsäure (Omega-6) war mit einem signifikant gesenkten Risiko assoziiert.

Die Auswertung der randomisiert-kontrollierten Diät-Interventionsstudien mit teilweisem Ersatz von gesättigten gegen ungesättigte Fettsäuren ergab keinen signifikanten Therapieeffekt, weder für die pflanzliche Omega-3-Fettsäure (alpha-Linolensäure) mit einem relativen Risiko von 0,97 (KI, 0,69 – 1,36) noch für die pflanzliche Omega-6-Fettsäure mit einem relativen Risiko von 0,86 (KI, 0,69 – 1,07) noch für die tierischen Omega-3-Fettsäuren mit einem relativen Risiko von 0,94 (KI, 0,86 – 1,03).

Kommentar der Schweizer Milchproduzenten SMP, Swissmilk

Die Autoren dieser Metaanalyse weisen darauf hin, dass die Ergebnisse der bisherigen Studien die geltenden Ernährungsempfehlungen nicht stützen. Offenbar ist der Einfluss des Nahrungsfetts auf koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt weit geringer, als es den Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber dargestellt wird. Das ist allerdings keine Überraschung, da die Ergebnisse der Einzelstudien längst vorliegen und schon immer darauf hingewiesen haben, dass die Ernährungslehre in Bezug auf den Einfluss des Fetts nicht auf gesichertem Wissen beruht. (Text, Bild und weitere Informationen: www.swissmilk.ch)

Literatur:
1. Worm N. Ernährung und koronare Herzkrankheit: Wie sinnvoll ist Diät? [Nutrition and coronary heart disease: how important is diet?]. Versicherungsmedizin 1995;47(4):116-22.
2. Ravnskov U. The questionable role of saturated and polyunsaturated fatty acids in cardiovascular disease. J Clin Epidemiol 1998;51(6):443-60.
3. Hoenselaar R. Saturated fat and cardiovascular disease: The discrepancy between the scientific literature and dietary advice. Nutrition 2012;28(2):118-23.
4. Ravnskov U, Dinicolantonio JJ, Harcombe Z, Kummerow FA, Okuyama H, Worm N. The Questionable Benefits of Exchanging Saturated Fat With Polyunsaturated Fat. Mayo Clin Proc 2014.
5. Mente A, de Koning L, Shannon HS, Anand SS. A systematic review of the evidence supporting a causal link between dietary factors and coronary heart disease. Arch Intern Med 2009;169(7):659-69.
6. Skeaff CM, Miller J. Dietary fat and coronary heart disease: summary of evidence from prospective cohort and randomised controlled trials. Ann Nutr Metab 2009;55(1-3):173-201.
7. Siri-Tarino PW, Sun Q, Hu FB, Krauss RM. Meta-analysis of prospective cohort studies evaluating the association of saturated fat with cardiovascular disease. Am J Clin Nutr 2010;91:535-46. .
8. Elwood PC, Pickering JE, Givens DI, Gallacher JE. The consumption of milk and dairy foods and the incidence of vascular disease and diabetes: an overview of the evidence. Lipids 2010;45(10):925-39.
9. Soedamah-Muthu SS, Ding EL, Al-Delaimy WK, et al. Milk and dairy consumption and incidence of cardiovascular diseases and all-cause mortality: dose-response meta-analysis of prospective cohort studies. Am J Clin Nutr 2011;93(1):158-71.
10. O'Sullivan TA, Hafekost K, Mitrou F, Lawrence D. Food sources of saturated fat and the association with mortality: a meta-analysis. Am J Public Health 2013;103(9):e31-42.
11. Ramsden CE, Zamora D, Leelarthaepin B, et al. Use of dietary linoleic acid for secondary prevention of coronary heart disease and death: evaluation of recovered data from the Sydney Diet Heart Study and updated meta-analysis. BMJ 2013;346:e8707.
12. Chowdhury R, Warnakula S, Kunutsor S, et al. Association of Dietary, Circulating, and Sup-plement Fatty Acids With Coronary Risk: A Systematic Review and Meta-analysis. Ann Intern Med. 2014;160:398-406.

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