Food aktuell
Varia
21.5.2014
Auch den Milchmarkt schon liberalisieren?


Der Bundesrat beurteilt eine vollständige Öffnung des Milchmarktes als positiv. Die Bauern wehren sich vehement gegen eine Liberalisierung und auch für die Verarbeiter hat eine Grenzöffnung keine Priorität.


Seit 2007 ist der Handel mit Käse zwischen der Schweiz und der EU vollständig liberalisiert. Weiterhin Zölle erhoben werden bei Milchprodukten wie Trinkmilch, Rahm oder Butter. Welche Auswirkungen hätte eine Öffnung des ganzen Milchmarktes? Das Parlament beauftragte im Frühling 2013 den Bundesrat mit der Klärung dieser Frage. Die Antwort wurde am 14. Mai in Form eines 113-seitigen Berichts veröffentlicht, der vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ausgearbeitet wurde.

Laut Bundesrat wirkt sich eine Öffnung des Milchmarktes volkswirtschaftlich positiv aus. Denn mit der Liberalisierung verbessere sich der Marktzugang in die EU, was eine langfristige Perspektive für die hiesige Milchwirtschaft eröffne. Zudem würden offene Grenzen die Schweizer Milchbranche wettbewerbsfähiger und konkurrenzfähiger machen, Konsumenten würden von tieferen Preisen profitieren. Insgesamt rechnet der Bundesrat mit einem Wohlfahrtsgewinn von 150 bis 200 Millionen Franken.

Produzentenpreise sinken

Für die Bauern bedeutet ein liberalisierter Markt vor allem eines: tiefere Preise. Diese sinken je nach Szenario um 17 bis 25 Prozent. Der Bundesrat spricht sich im Bericht für eine Umlagerung der heutigen Stützung von 310 Millionen Franken (Verkäsungszulage, Schoggigesetz) aus. Diese könnte in Form einer Milchzulage, höheren Direktzahlungen oder eines Beitrags pro Hektare Grünland ausbezahlt werden. Trotzdem würden die Bauern einen Einkommensverlust von 100 bis 200 Millionen. Franken erleiden. Soll dieser kompensiert werden, braucht es zusätzliche Bundesgelder in der Höhe von 100 bis 150 Millionen Franken.

Diverse Produzentenverbände haben kurz nach der Veröffentlichung des bundesrätlichen Berichts heftig protestiert, eine Liberalisierung wird vollumfänglich abgelehnt. Der Schweizer Bauernverband bezeichnete eine vollständige Milchmarktöffnung als "Schnapsidee". Befürchtet werden massive Einkommensverluste.



Im Falle einer Liberalisierung würden die Produzentenpreise für Milch klar sinken.


Ob die zusätzlichen Gelder, die zur Kompensation der Ausfälle nötig sind, über eine längere Zeit vom Parlament gewährt würden, sei fraglich. Bei Lebensmitteln wie Rahm, Butter oder Trinkmilch, die rund 80 Prozent der Milchprodukte ausmachen würden, könne man sich vom Ausland kaum abgrenzen, moniert der SBV.

Die Schweizer Milchproduzenten (SMP) haben eine unabhängige Stelle beauftragt, die Annahmen, die der Bundesrat in seiner Studie getroffen hat, zu überprüfen. Dieser Bericht soll rechtzeitig zur politischen Beratung vorliegen.

Emmi ist skeptisch

Offene Grenzen setzen nicht nur die Bauern unter Druck, sondern ebenso die Verarbeiter. Konkurrenzkampf und Wettbewerb nehmen zu, der Druck auf die Margen wächst. Emmi befürwortet zwar eine kontinuierliche und umfassende Marktöffnung, eine rasche sektorielle Liberalisierung sieht der grösste Schweizer Milchverarbeiter aber kritisch. Mit dem Erstarken des Frankens habe sich die Ausgangslage verändert. "Die gesamte Wertschöpfungskette hat innert kurzer Frist stark an internationaler Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst", sagt Emmi-Sprecherin Sibylle Umiker. Deshalb bräuchte die Milchbranche Zeit, um sich an die neuen Rahmenbedingungen anpassen zu können.

Kritisch beurteilt Emmi auch, dass die Bauern auf zusätzliche Bundesgelder angewiesen sind, um ihr Einkommen halten zu können. "Dadurch entsteht eine ungewisse und gefährliche Abhängigkeit von politischen Entscheiden", so Umiker. Emmi befürchtet, dass in der politischen Diskussion womöglich nur über Begleitmassnahmen für Bauern diskutiert werden könnte. Umiker: "Es ist zu befürchten, dass die ungleich langen Spiesse der Verarbeitungsindustrie gegenüber den Mitbewerbern in der EU vergessen gehen."

Insgesamt beurteilt Emmi den aktuellen Zeitpunkt als gefährlich für eine Marktöffnung. In der EU stehe das Ende der Milchquote bevor, dazu komme die Reform der EU-Agrarpolitik und eine unsichere Wirtschaftslage. Es bestehe die Gefahr, dass die Schweizer Milchproduktion mit offenen Grenzen auf eine Nischen- und Spezialitätenproduktion reduziert werde.

Hochdorf bereitet sich vor

Auch für den Milchverarbeiter Hochdorf ist die Liberalisierung des Milchmarktes kein vorrangiges Ziel: "Eine Grenzöffnung steht nicht zuoberst auf der Prioritätenliste", sagt Hochdorf-Sprecher Christoph Hug. Jedoch befürworte man eine Öffnung grundsätzlich. Nötig seien aber entsprechende Begleitmassnahmen, so Hug. Denn Hochdorf sei auf eine funktionierende Schweizer Landwirtschaft angewiesen. "Wir brauchen Schweizer Milch." Mit Swissness lasse sich gerade im Export punkten. "Wir bereiten uns vor, um punkto Effizienz und Produktivität mit der Konkurrenz aus der EU mithalten zu können, falls eine Liberalisierung dereinst kommt."

Chancen einer Marktöffnung sieht Hug im Export von Nischenprodukten im Hochpreis-Segment, etwa mit Laktose oder Molkeproteinen. Nachteilig wäre, dass ein offener Markt den Wettbewerb im Bereich der Standardprodukte intensiviere sowie Konkurrenz und Preisdruck grösser würden.


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