Food aktuell
Varia
4.12.2014
Nützt oder schadet mehr Konsumenteninformation?

Foodaktuell.ch präsentiert zwei Kommentare, einen für mehr Information und bessere. Der andere relativiert die steigende Informationsflut.


Der Bedarf an Information sowie das Verständnis für komplexe Information ist individuell verschieden und sogar situativ. Die Forderung nach zweckmässiger und verständlicher Information ist daher berechtigt. Aber wann sind diese Anforderungen erfüllt?



Kommentar des deutschen Agrar-Informationsdienstes Aid

Galt die Parole "mehr Transparenz" nach dem Weissbuch der Lebensmittelsicherheit noch als das wegweisende Instrument, um das Verbrauchervertrauen zu stärken, stellt der Verein "Die Lebensmittelwirtschaft" nach einer aktuell veröffentlichten Verbraucherstudie eben diese Wirkung in Frage. 38 Prozent der rund 1.000 repräsentativ ausgewählten Verbraucher fiel spontan nichts zu dem Begriff Transparenz ein.

Die Gesamtheit ihrer Studienergebnisse werfe die Frage auf, ob ein Mehr an Detailinformationen Transparenz tatsächlich fördere oder nicht vielmehr zu steigender Verunsicherung führe. Eine These, die alles andere als neu ist. So etwa widmete sich das Forum "Mehr als wir verdauen können" vom aid infodienst in Bonn im Mai 2010 eben diesem so schwierigen Balanceakt zwischen hilfreichen und letztlich belastenden, weil kaum verwertbaren Informationen. Deutlich wurde unter anderem: Auch mit Hilfe von Nichtwissen lassen sich gute Entscheidungen treffen.

Mitunter ist die Ignoranz von Informationen bei der Entscheidungsfindung dem Expertenrat sogar überlegen. Allerdings: Ignoriert werden kann nur, was da ist. Der Autor der aktuellen Studie, Professor Achim Spiller von der Universität Göttingen, beschreibt diesen Umstand als Transparenzparadoxon: "Wissen können wollen, aber Informationen nicht unbedingt nutzen müssen." Das Dilemma jeglichen Transparenzbemühens ist folglich, dass unter grossem Aufwand zusammengestellte Informationen vielleicht nie abgefragt werden. Und wenn doch, dann nur von einem verschwindend geringen Anteil der Verbraucher.

Naturgemäss stellt sich da die Frage: Ist es den Aufwand also wert? Auch im Hinblick darauf, dass in den letzten gut 15 Jahren nach Veröffentlichung des Weissbuches und dem darin beschriebenen Ziel, für mehr Transparenz sorgen zu wollen, nicht gerade eine Trendwende in Sachen Verbrauchervertrauen stattgefunden hat. Ein Grund für dieses Manko mögen die bisweilen halbgaren Gesetzesinitiativen sein, die stets dann in aller Eile verabschiedet werden, wenn ein Missstand in der Lebensmittel- und Futtermittelwirtschaft aufgedeckt wird.

Das jüngste Beispiel ist die Verpflichtung der Behörden, bestimmte lebensmittelrechtliche Verstösse zu veröffentlichen (§ 40 Abs. 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch). Aktuell haben alle Bundesländer den Vollzug der Vorschrift ausgesetzt, voraussichtlich bis das Bundesverfassungsgericht über den von Niedersachsen gestellten Normenkontrollantrag befunden hat.

Deutlich wird an diesem Beispiel jedenfalls eins: Transparenz - also die Durchsichtigkeit und damit die Verständlichkeit von Informationen - als vertrauensschaffende Massnahme ist kein Selbstläufer, sondern bedarf einer sachlichen Abwägung, wie und letztlich auch welche Informationen in welcher Form zur Verfügung gestellt werden.

Dabei kommt zweifellos Multiplikatoren eine tragende Rolle zu, wie auch die Studie von "der Lebensmittelwirtschaft" zeigt. So geniessen insbesondere Verbraucherzentralen und unabhängige Testorganisationen ein hohes Vertrauen. Und diese wiederum brauchen für ihre Arbeit natürlich so viele Informationen, wie möglich. Offenbar ganz im Gegensatz zum Verbraucher selbst. (www.aid.de)

Kommentar der deutschen Konsumentenschutz-Plattform foodwatch

im Dezember treten neue Regeln für die Kennzeichnung von verpackten Lebensmitteln in Kraft. Sie werden uns Verbrauchern als Meilenstein verkauft werden! Die Lebensmittelindustrie lobt die neuen Etiketten erwartungsgemäss. Sie behauptet, sie würden zu Transparenz und einer informierten Verbraucherentscheidung führen. Lange nicht mehr so gelacht, kann ich dazu nur sagen.

Zwar müssen nach dieser Vorschrift allergene Zutaten hervorgehoben werden und die Nährwertkennzeichnung muss in Zukunft standardisiert sein. Aber das als Erfolg zu feiern, ist lächerlich, denn es handelt sich um Selbstverständlichkeiten! Die Hauptübel wurden gerade nicht ausgeräumt.

Kritikpunkt 1: Schriftgrösse

Die wichtigsten Informationen sind häufig die, die die Industrie am liebsten verschweigen würde. Da sie das in vielen Fällen nicht darf, behilft sie sich damit, die Informationen so klein auf die Etiketten zu drucken, dass sie kaum lesbar sind. So haben die Lobbyisten der Lebensmittelindustrie alles daran gesetzt, den Vorschlag der EU-Kommission, die Schriftgrösse auf 3 Millimeter festzulegen, zu verhindern. Was ihr dann auch bravourös gelungen ist!

Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestschriftgrösse beträgt nun 1,2 Millimeter bezogen auf die Höhe des kleinen x. Das ist der Grund, warum Sie heutzutage in einigen Supermärkten an den Einkaufswagen festmontierte Lupen finden. Die Lupe als Symbol für verfehlte Verbraucherpolitik! foodwatch fordert deshalb eine Mindestschriftgrösse von wenigstens 2 Millimeter, wie es auch bei Büchern und Zeitschriften üblich ist.

Kritikpunkt 2: Herkunftskennzeichnung

Das Schweinefleisch für den Schwarzwälder Schinken kann aus ganz Europa (ja, dürfte sogar aus Neuseeland!) kommen - wir erfahren es nicht. Und die Früchte der Marmelade können aus Südamerika kommen - wir erfahren es nicht. Wo regional drauf steht, muss noch lange nicht regional drin sein. foodwatch fordert deshalb eine umfassende Herkunftskennzeichnung!

Kritikpunkt 3: Gentechnik

Tierprodukte wie Fleisch, Milch oder Eiern müssen nicht gekennzeichnet werden, wenn sie von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futterpflanzen gefüttert wurden. Und das obwohl bekannt ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Verbraucher Agrargentechnik ablehnt! foodwatch fordert deshalb eine lückenlose Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere. Wenn Sie das auch wollen, dann helfen Sie uns bei diesem Kampf und werden Sie Förderin/Förderer von foodwatch!

Kritikpunkt 4: Füllmengen

Aber es wird nicht nur bei der Qualität geschummelt, sondern sogar bei den Mengen! Immer wieder nutzen die Hersteller gezielt Luft-Verpackungen, so dass der Kunde glaubt, da wäre auch mehr Inhalt drin. Aber weit gefehlt! Das ist nur ein Trick, um den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen! Damit muss Schluss sein! foodwatch fordert deshalb Mindestfüllmengen für Verpackungen. Wenn es technisch irgend möglich ist, muss die Packung bis zum Rand gefüllt werden! Als absolute Mindestfüllmenge müssen 70 Prozent vorgeschrieben werden.

Kritikpunkt 5: Nährwertkennzeichnung

Im Supermarkt werden auch weiterhin verdeckte Zuckerbomben lauern: Denn die Hersteller dürfen den Zuckergehalt ganz legal im Kleingedruckten verstecken! Ärzte, Krankenkassen und Verbraucher wollten eine Kennzeichnung in Ampelfarben auf der Vorderseite. Doch die Industrie hat eine Milliarde Euro in eine Lobby-Kampagne investiert, um das zu verhindern. Und die Industrie war erfolgreich: Die Politik hat komplizierte Nährwerttabellen beschlossen, die in Mini-Schrift auf der Rückseite stehen dürfen.

foodwatch fordert: Die Nährwerte müssen auf die Vorderseite der Verpackung und für jeden verständlich in Ampelfarben dargestellt werden! Die Politik muss jetzt endlich aktiv werden, um die zügellos agierende Lebensmittelindustrie in ihre Schranken zu weisen. www.foodwatch.org

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