Food aktuell
Varia
6.1.2015
Wissenswertes: warum Lebensmittel verarbeiten?


Fast alle Lebensmittel benötigen die eine oder andere Verarbeitung, bevor sie verzehrsfertig sind. Manche Agrarrohstoffe wie zB Getreide sind ohne entsprechende Verarbeitung sogar ungeniessbar. Die Verarbeitung von Weizen zu Mehl und Brot ist notabene eines der schönsten Beispiele, wie ein unbekömmlicher preiswerter Rohstoff zu einem nahrhaften attraktiven Endprodukt wird.


Die einfachste Definition für Lebensmittelverarbeitung lautet: „ein oder mehrere Verfahren, durch die rohe Lebensmittel für Verzehr, Kochen, oder Lagerung tauglich werden.“ Lebensmittelverarbeitung umfasst alle Massnahmen, die rohe pflanzliche oder tierische Lebensmittel zu sicheren, essbaren und genussvollen Lebensmitteln machen. In der industriellen Lebensmittelherstellung beinhaltet Verarbeitung die Anwendung wissenschaftlicher und technologischer Prinzipien, um Lebensmittel durch Verlangsamung oder Unterbinden der Verfallsprozesse haltbar zu machen.

Ausserdem gestattet sie, die Verzehrsqualität von Lebensmitteln in kontrollierter und vorhersagbarer Weise zu verändern. Lebensmittelverarbeitung nutzt zudem das kreative Potential des Verarbeiters, einfache Rohstoffe in eine breite Palette schmackhafter, ansprechender Produkte umzuwandeln, die den Verbrauchern interessante und abwechslungsreiche Kost bieten. Ohne Lebensmittelverarbeitung wäre es nicht möglich, die Bedürfnisse moderner Stadtmenschen zu decken, und die Auswahl an Lebensmitteln wäre saisonbedingt stark eingeschränkt.

Der Begriff “Lebensmittelverarbeitung” wird von vielen abschätzig gebraucht, wodurch eine mindere Qualität der verarbeiteten Lebensmittel gegenüber den unverarbeiteten Produkten suggeriert wird. Jedoch sollte man sich vor Augen halten, dass Lebensmittelverarbeitung seit Jahrhunderten eingesetzt wird, um Nahrungsmittel haltbar oder überhaupt erst geniessbar zu machen. Genau genommen überspannen Verarbeitungsprozesse die gesamte Lebensmittelkette von der Ernte auf dem Feld bis hin zur kulinarischen Zubereitung zuhause und erleichtern wesentlich die Bereitstellung sicherer Lebensmittel rund um den Globus.

Lebensmittelverarbeitung kann zur Verbesserung oder Verminderung des Nährwerts von Lebensmitteln führen, manchmal beides gleichzeitig, und sie kann helfen Nährstoffe zu erhalten, die ansonsten bei der Lagerung verlorengehen. Zum Beispiel verlangsamt das Schockgefrieren von Gemüse kurz nach der Ernte den Verlust empfindlicher Nährstoffe.

Rohe Bohnen sind ungeniessbar, und das blosse Erhitzen (z. B. Kochen) macht sie geniessbar, indem bestimmte Antinährstoffe zerstört oder inaktiviert werden. Das Kochen von Gemüse führt zu Verlusten an Vitamin C, kann aber gleichzeitig durch Zerstörung der pflanzlichen Zellwände bestimmte gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe, wie Beta-Carotin in Möhren, freisetzen, die andernfalls während der Verdauung schlechter verfügbar wären.

Seit Jahrhunderten erfüllen Zutaten in einer Vielzahl von Lebensmitteln nützliche Funktionen. Unsere Vorfahren nutzten Salz zur Haltbarmachung von Fleisch und Fisch, fügten Kräuter und Gewürze zur Geschmacksverbesserung hinzu, legten Obst in Zucker und Gemüse in Essig ein. Heutzutage fordern und geniessen Verbraucher eine Lebensmittelversorgung, die nahrhaft, sicher, bequem und abwechslungsreich ist.

Methoden der Lebensmittelverarbeitung (z.B. Lebensmittelzusatzstoffe und technologische Fortschritte) helfen dies möglich zu machen. Lebensmittelzusatzstoffe werden zu ganz bestimmten Zwecken verwendet, sei es, die Sicherheit von Lebensmitteln zu gewährleisten, ihren Nährwert zu fördern oder die Qualität zu verbessern. Sie spielen eine wichtige Rolle beim Erhalten von Frische, Sicherheit, Geschmack, Aussehen und Textur der Lebensmittel.

Antioxidantien beispielsweise verhindern das Ranzigwerden von Fetten und Ölen, wohingegen Emulgatoren der Trennung von Erdnussbutter in eine flüssige und eine feste Fraktion entgegenwirken. Lebensmittelzusatzstoffe halten Brot länger schimmelfrei und machen Fruchtmarmeladen streichfähig.

Heute fast immer verarbeitet und vorverpackt

Heutzutage ist es schwierig, sich ausschliesslich von frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln zu ernähren. Der Grossteil des familiären Nahrungsbedarfs wird durch verarbeitete Lebensmittel gedeckt, die unsere Kost abwechslungsreich und unseren hektischen Lebensstil bequemer machen. Verarbeitete Lebensmittel erlauben den Verbrauchern, weniger oft einkaufen zu gehen und eine breite Palette von Lebensmitteln als Basis abwechslungsreicher und nahrhafter Mahlzeiten einzulagern.

Viele verarbeitete Lebensmittel sind genauso nahrhaft oder in manchen Fällen sogar noch nahrhafter als frische oder selbstgekochte Lebensmittel, je nachdem wie sie verarbeitet wurden. Zum Beispiel überstehen Folat und Thiamin in Bohnen den Prozess der Dosenkonservierung besser als das lange Einweichen und Kochen getrockneter Bohnen zuhause. Gefrorenes Gemüse wird oft innerhalb weniger Stunden nach der Ernte verarbeitet.

Während des Einfrierens gehen nur wenig Nährstoffe verloren, so dass gefrorenes Gemüse seine hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalte bewahrt. Demgegenüber werden frische Gemüse geerntet und anschliessend zum Markt transportiert. Es kann Tage bis Wochen dauern, bevor sie auf dem Esstisch landen, und die Vitamine gehen mit der Zeit verloren, egal wie vorsichtig das Gemüse transportiert und gelagert wird. Dosenfisch ist eine gute Calciumquelle, da der Fisch oft ohne Entgräten eingedost wird, und der Prozess des Eindosens die kleinen Gräten weich und leichter essbar macht.

Die Verwendung vieler verschiedener Lebensmittel - frisch, tiefgekühlt, als Konserve oder anderweitig verarbeitet - ermöglicht den Verbrauchern, ihren Nährstoffbedarf zu decken. Zum Beispiel zählen Dosenfrüchte, Fruchtsäfte und Smoothies sowie tiefgekühltes Gemüse allesamt im Rahmen der bekannten Zielvorgabe von „5 Portionen Obst und Gemüse am Tag“. Der Schlüssel für Verbraucher ist Ausgewogenheit und Abwechslung - kein einzelnes Lebensmittel liefert genug Nährstoffe zum Überleben, und jedes Verarbeitungsverfahren hat eine andere Wirkung auf die Nährstoffgehalte.

Einfluss der Verarbeitung auf den Nährwert

Die Lebensmittelverarbeitung kann den Nährwert eines Lebensmittels verbessern oder verringern. Bereits einfache Schritte der Lebensmittelzubereitung in der heimischen Küche führen unweigerlich zur Beschädigung der Zellen von Nahrungspflanzen, wodurch es zum Auslaufen lebenswichtiger Vitamine und Mineralstoffe kommt. Lassen wir jedoch Vorsicht bei der Zubereitung walten, und wählen verarbeitete Lebensmittel abwechslunsgreich, dann können diese einen wertvollen Beitrag zu einer nahrhaften und ausgewogenen Ernährung leisten.

Anders als in der häuslichen Umgebung, stehen den Lebensmittelherstellern schnelle Verarbeitungsverfahren im industriellen Massstab zur Verfügung, die nur minimale Nährstoffverluste verursachen. Zudem nutzen die Hersteller gezielt Prozesse, die gesundheitsfördernde Nährstoffe freisetzen (wie das Lykopin beim Kochen von Tomaten) und bedenkliche Substanzen zerstören (wie Lektine in Hülsenfrüchten).

Vitamine und Mineralstoffe

Es gibt 13 Vitamine, die vom Körper zwar nur in geringen Mengen benötigt werden, aber nichtsdestotrotz lebensnotwendig sind. Vier sind fettlöslich (A, D, E und K), und die übrigen neun wasserlöslich (C, Vitamine der B-Gruppe). Kein Lebensmittel enthält alle Vitamine, weshalb eine ausgewogene und abwechslunsgreiche Ernährung für eine ausreichende Zufuhr unabdingbar ist. Verarbeitung beeinflusst die verschiedenen Vitamine auf unterschiedliche Weise. So sind die wasserlöslichen Vitamine tendentiell empfindlicher gegenüber der Verarbeitung, und Kochen und Hitzebehandlung führen zu teilweisen Verlusten.

Neuere, „nicht-thermische“ Prozesse wie die Widerstandserhitzung oder die Ultrahochdruckbehandlung können helfen, die Vitamine zu erhalten, da sie das Lebensmittel wenn überhaupt nur schwach und für sehr kurze Zeit erwärmen. In manchen Fällen enthalten verarbeitete Lebensmittel sogar mehr Vitamine als frische Produkte. Zum Beispiel bleibt Vitamin C besser erhalten in tiefgefrorenem Gemüse, das frisch geerntet und innerhalb weniger Stunden eingefroren wurde, als in frischem Gemüse, da mehr Vitamin C während der Lagerung im Kühlschrank als während der Tiefkühllagerung verloren geht.

Mineralstoffe sind anorganische Elemente, die unser Körper in kleinen Mengen benötigt und üblicherweise in ausreichenden durch den Verzehr einer konventionellen Mischkost erhält. Lebensmittelverarbeitung kann sich mitunter sehr günstig auf die Verfügbarkeit der Mineralstoffe aus Lebensmitteln auswirken. Zum Beispiel hemmen Phytate aus Vollkorngetreide die Aufnahme von Eisen und Zink, doch während der Fermentation werden Enzyme freigesetzt, die die Phytate abbauen und so die Eisen- und Zinkverfügbarkeit im Teig erhöhen.

Eine Reihe von Lebensmitteln werden inzwischen aus volksgesundheitlichen Gründen mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. Verzehrfertige Frühstückszerealien enthalten oft zusätzliches Eisen, wodurch sie für jene jungen Frauen zu einer wesentlichen Eisenquelle wurden, deren Verzehr an rotem Fleisch abgenommen hatte (rotes Fleisch enthält natürlicherweise hohe Mengen an leicht verfügbarem Eisen). Eisenmangel ist einer der bedeutendsten Nährstoffmängel in Europa, von dem bis zu 30% der jungen Frauen betroffen sind.

Frühstückszerealien und Mehl sind in manchen Ländern mit Folsäure angereichert, um den Folat-Status von Frauen im gebärfähigen Alter zu verbessern. Dies stammt aus der Erkenntnis, dass ein niedriger Folat-Status während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für Neuralrohrdefekte (z. B. Spina bifida) bei ungeborenen Kindern verbunden ist.

Kohlenhydrate und Ballaststoffe

Mono- und Oligosaccharide (Einfach- und Mehrfachzucker) werden bei Temperaturen bis zu denen der Ultrahocherhitzung nur geringfügig abgebaut, doch treten einige Reaktionen auf, die den Nährwert beeinflussen können. Zum Beispiel können manche Zucker ihre Struktur während des Erhitzens verändern, wodurch sich auch ihre Verdaulichkeit ändert. Dies kann von Vorteil sein beim Senken der Konzentration an unverdaulichen Oligosacchariden (wie Stachyose und Raffinose in Hülsenfrüchten und einigen anderen Lebensmitteln), die bei übermässigem Verzehr Blähungen verursachen.

Derzeit wird intensiv erforscht, welchen Einfluss die Verarbeitung auf die Löslichkeit und Verdaulichkeit bestimmter Ballaststoffe und Stärken wie der resistenten Stärke hat. Geringe Verdaulichkeit kann vorteilhaft sein, da sich gezeigt hat, dass langsam freigesetzte Kohlenhydrate den Anstieg des Blutzucker- und Insulinspiegels nach einer Mahlzeit mindern können.

Überhöhte Blutzucker- und Insulinspiegel sind mit der Entstehung der Insulinresistenz, einem möglichen Vorläufer des Diabetes Typ II, in Verbindung gebracht worden. Man hat beobachtet, dass Extrusion die Löslichkeit von Ballaststoffen erhöhen kann. Lösliche Ballaststoffe wie Beta-Glucan können den Spiegel an Cholesterin im Blutserum senken und sich so günstig auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken.

Fette und Proteine

Die meisten Fette sind während der Verarbeitung recht stabil. Ungesättigte Fettsäuren allerdings sind anfällig für Oxidation und Ranzigwerden während der Lagerung. Der Einsatz von modifizierter Atmosphärenverpackung (MAP), Antioxidantien und steriler Verpackung kann die Haltbarkeit deutlich steigern, wodurch die vorgenannten Probleme gemildert werden.

Proteine werden bei hohen Temperaturen generell denaturiert, was sich nachteilig auf die Lebensmittelstruktur auswirken kann. Andererseits kann dies hinsichtlich des Nährwertes von Vorteil sein, da es unter Umständen gleichbedeutend mit verbesserter Verdaulichkeit ist. Spannende Forschungsresultate zeigen, dass neuere Verfahren der Lebensmittelverarbeitung wie Hochdruckbehandlung, Elektroporation oder Bestrahlung Lebensmittelallergene beeinflussen können. Die Zerstörung antinutritiver Proteine wie Avidin in rohen Eiern ist günstig, weil während der Verarbeitung Nährstoffe zur Absorption frei werden, die ansonsten gebunden sind. Avidin bindet fest an Biotin in rohen Eiern und verhindert so die Aufnahme dieses B-Vitamins. Die Verbindung wird jedoch gelöst, wenn Avidin während des Kochens denaturiert wird.

Fakten zur Lebensmittelverarbeitung

•Menschen verarbeiten seit Jahrhunderten Lebensmittel - um sie haltbar zu machen und sicheren Verzehr zu garantieren.
•Lebensmittelverarbeitung liefert die Mittel, ansonsten verderbliche Lebensmittel länger haltbar zu machen, wodurch die Auswahl vergrössert und die Saisonabhängigkeit verringert wird.
•Lagerverluste sind bei frischen Lebensmitteln allgemein grösser als bei verarbeiteten, und die Lebensmittelbehandlung kann den Nährwert bestimmter Produkte verbessern.
•Der Zusatz von Nährstoffen zu Speisen und Getränken wird weltweit als Massnahme für die Volksgesundheit genutzt und ist ein kostengünstiges Verfahren, die Nahrungsqualität der Lebensmittelversorgung sicherzustellen.
•Konserviertes, frisches und tiefgefrorenes Obst und Gemüse liefern allesamt für eine gesunde Ernährung benötigte Nährstoffe.
•Ausschliessliche Verwendung von frischem Obst und Gemüse vernachlässigt den ernährungsphysiologischen Nutzen, den industriell wie zu Hause verarbeitete Lebensmittel bieten.
(Text: Eufic)

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