Food aktuell
Varia
22.4.2015
Innovationen gezielt fördern aber wie?


Erfindungen geschehen heute selten im stillen Kämmerlein eines einzelnen Genies sondern sind das Resultat eines schweiz- oder weltweit gut vernetzten Teams, das mit systematischen Methoden vorgeht. Diese kann man lernen und fördern. Es gibt auch Innovations-Netzwerke, bei denen man sich beteiligen kann.
Bild: Käseneuheit mit Innovationspreis der Swiss Cheese Awards 2012.


Bei der Innovation unterscheidet man zwischen der Entwicklung eines konkreten Produktes und dem Innovationsmanagement generell. Letzteres ist die Methodik, um Innovationen zu fördern, Stolpersteine zu vermeiden und Effizienz sowie Erfolgschancen zu verbessern. Dafür gibt es mehrere branchenübergreifende Beratungsfirmen, gute Fachliteratur und Kurse wie zB Kreativ-Workshops bei Idee-suisse (www.idee.suisse.ch) oder bei der Berner Kreativschule GrimmKomm (www.grimmkomm.ch).

Die Produktentwicklung geschieht normalerweise in-house, aber man kann sie auslagern oder die Entwicklungsabteilung durch externe Experten unterstützen lassen, was vor allem bei Basisinnovationen sinnvoll ist oder bei Schnittstellen zu Technologien, für die das firmeneigene Knowhow nicht ausreicht.

Klassische Beispiele dafür sind die Verpackungs- oder Würzmischungsentwicklung: ein neuartiges Produkt benötigt oft gleichzeitig auch eine neue Verpackung, wozu man einen unabhängigen Verpackungsexperten beiziehen kann oder einen Verpackungsmateriallieferanten. Und es erhält meistens eine neue Aromatisierung, welche man bei einer Gewürzfirma kreieren lassen kann. Wenn beispielsweise die Zusammensetzung des Neuproduktes vom Normalprodukt abweicht, etwa bei Fettarm-Rezepten, muss auch die Würzung umgebaut und angepasst werden.


Kreative Rezepte entwickeln reicht noch nicht für das Prädikat «Innovation», es braucht dazu auch eine Markteinführung. Und nur ein Bruchteil der Lancierungen überlebt ein oder zwei Jahre, der Rest wird entweder nachgebessert oder verschwindet stillschweigend vom Markt.



Chancen und Risiken bei Kooperationen

Oft entwickeln Lieferanten von Verpackungen aber auch von Maschinen oder Halbfabrikaten selber Produkte, für die sie einen Hersteller suchen und diesem – im Fall eines Patents – eine Lizenz geben. Eine solche Kooperation kann in der Entwicklungsphase mit einem Geheimhaltungsvertrag und allenfalls mit einem Exklusivitätsvertrag geschützt und ein Win-win-Spiel werden.

Aber das Knowhow fliesst in beide Richtungen und die Ziele des Produktherstellers und des Lieferanten oder Beraters sind nicht ganz deckungsgleich. Es lohnt sich daher, schon in einer frühen Phase an alle späteren Eventualitäten zu denken und diese mit einem Vertrag abzusichern, wozu ein spezialisierter Rechtsanwalt nötig ist. Ausserdem muss man gut püfen, ob und wie man den richtigen Partner findet, was vor allem bei Kooperationen über Landes- und Branchengrenzen hinaus anspruchsvoll ist.

Einen allfälligen Knowhow-Missbrauch zu verhindern ist «heutezutage äusserst schwierig, sogar mit aufwendigen Verträgen», meint Roland Jung, Leiter Unternehmensberatung bei der MT Metzger-Treuhand. Optionen sind die Patentierung sowie eine konsequente Geheimhaltung, die aber beide nicht immer hundertprozentige Garantien bieten wie an den zahlreichen Imitationen und Patentverletzungsklagen von Nespresso-Kaffeekapseln ersichtlich ist.



Die wohl grösste und erfolgreichste Innovation der letzten Jahre: der Kapselkaffee, erfunden von Nespresso und trotz Patenten mehrfach imitiert.


Unabhängige Berater wie zB Hochschulinstitute sind eine prüfenswerte Alternative zu kommerziell agierenden Lieferanten und besitzen oft auch Experten mit Branchenerfahrung. Geheimhaltungsvereinbarungen sind auch möglich aber ein Handicap könnte der Zeitfaktor sein: Institute haben oft nicht so grosse kurzfristige Ressourcen wie Technologiekonzerne.

Hochschulen im Auftrag der Privatwirtschaft

Seit Jahrzehnten offeriert das deutsche Fraunhoferinstitut IVV in München der Privatwirtschaft Auftragsentwicklungen an und ist spezialisiert auf Lebensmittel und Verpackungen. Das IVV besitzt mehrere Pilotlabore im Technikum- oder Industrie-Massstab, auch für Metzgereiprodukte, wo Versuche und Musterproduktionen möglich sind. Es stellt den Partnern die Anlagen einschliesslich Personal zu festen Tagessätzen zur Verfügung (www.ivv.fraunhofer.de).

Auch die Schweizer Fachhochschulen offerieren Forschung und Entwicklung im Lohnauftrag und sind ideal für die Fachliteratur- und Patent-Recherche zum Stand der Technik, die ein Muss ist vor dem Start eines Projektes. Es wäre ja unsinnig, etwas nochmals zu erfinden, das irgendwo auf der Welt schon erfunden (und patentiert) wurde. Hat eine Erfindung kommerziellen Erfolg, ist die Alternative zur Imitation eine Lizenznahme.


Ein guter Ort für die Recherche von innovativen Neuheiten sind die Innovations-Sondershows der internationalen Messen. Für technische Recherchen ist die Patentliteratur-Recherche das Richtige.


In der Schweiz ist die prominenteste Adresse für Innovationsberatung und –Vermittlung «Swiss Food Research», ein von der der Bundes-Förderagentur für Innovationen KTI anerkanntes F&E Konsortium. Themen sind nicht nur Innovationen (Entwicklungen von neuen Produkten und Technologien) sondern auch Projekte zur Qualitätsverbesserung oder zur Kostenreduktion in der Produktion.

«Wir schaffen einen einfachen und raschen Zugang zu den kompetentesten Fachleuten aus unserem Netzwerk, der bestmöglichen Infrastruktur (Pilot Plants und Analytik) und einer finanziellen Unterstützung durch die zuständigen Förderquellen», ist auf der Website des Vereins zu lesen: www.swissfoodresearch.ch.

Leistungen sind vertrauliche und individuelle Beratung der Mitglieder/KMUs bei Innovation oder auch beim Innovationsmanagement: «Wir zeigen Innovationspotentiale auf, ermitteln aktiv Forschungsanliegen und etablieren unter dem Lead des Wirtschaftspartners das Projektkonsortium. Wir kennen den Wert Ihres Wissens und Ihrer Erfahrung und haben bewährte Abläufe, um diese zu schützen. Wir werden von hochkarätigen Schlüsselpersonen aus Wirtschaft und Wissenschaft beraten, gefördert und auch gefordert». Der Verein führt mehrere Innovationsgruppen, eine von ihnen zu Verpackungsthemen.


Ein Wädenswiler Lebensmitteltechnologie-Student hat in seiner Bachelorarbeit die Gewinnung von Insektenprotein aus Mehlwürmern untersucht und einen «Insektenriegel» entwickelt. Er erhielt dafür einen Preis der Schweizerischen Gesellschaft für Lebensmittel-Wissenschaft und -Technologie (SGLWT).


Am Swiss Food Tech Day, 14.10.2014 in Bern berichteten Innovationsgruppen über ihre Projekte. Eines davon sind alternative Proteine aus Insekten und Blättern statt Fleisch und Milch. An mehreren Schweizer Instituten wird geforscht, wie Proteine aus Pflanzen und Insekten künftig genutzt und den Konsumenten schmackhaft gemacht werden können (siehe News-Teil in dieser Ausgabe). An der Berner Fachhochschule HAFL untersucht man Eigenschaften von Proteinextrakten aus Mehlwürmern und Wüstenheuschrecken hinsichtlich einer industriellen Verarbeitung und der Verbesserung von Geschmack und Aussehen. (GB)

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