Food aktuell
Varia
30.4.2015
Fleischbranche: Verhaltenscharta und Ombudsstelle

Die sonst sehr seriöse Schweizer Fleischbranche erlebte im 2014 zwei Skandale: die Metzgerei Weiss verkaufte Pferdefleisch als Rindfleisch (sie war SFF-Mitglied und wurde prompt vom Verband ausgeschlossen) und Carna Grischa (Nicht-SFF-Mitglied) beging ähnliche und weitere Betrügereien.
Bild: Pferdefleisch ist als solches zu deklarieren, auch in zusammengesetzten Produkten. Um diese und andere Selbstverständlichkeiten besser zu garantieren, erarbeitete der SFF Konzepte.


Im Gefolge der zwei viel beachteten Täuschungsfälle der letzten Zeit hat der Schweizer Fleischfachverband SFF in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz die Verhaltensregeln für seine Mitglieder in einer neuen SFF-Charta festgeschrieben. Diese unter dem Motto „Agieren statt Reagieren“ stehende Massnahme hat zum Ziel, einerseits das Vertrauen der Konsumenten zu stärken. Andererseits erhält der Verband über die bestehenden Statuten hinaus die Mittel, um in solchen Fällen schnell und auf einer klaren Grundlage zu agieren und – falls nötig – auch Sanktionen zu verhängen.

Im gleichen Zug wurde eine Ombudsstelle Fleisch als neue Ansprechstelle für Konsumenten geschaffen. Diese soll als neutrale Vermittlungsstelle zwischen Kunde, Mitarbeiter und Unternehmen agieren und der Kundschaft Sicherheit und Vertrauen beim Fleischeinkauf vermitteln. Betrieben wird die Stelle vom Konsumentenforum kf, dem, im Falle von auf dieser Stufe unlösbaren Streitfällen, ein vierköpfiger Ombudsrat als Folgeinstanz zur Seite steht.

An der SFF-Pressekonferenz 29.4.2015 informierte Michel Rudin, Geschäftsführer des Konsumentenforums kf über die Ombudsstelle Fleisch. Sie hat zum Ziel, Konsumenten ab 29. April 2015 eine Anlaufstelle im Bereich Fleisch zu geben. Sie dient auch als Ansprechstelle für allfällige Whistleblower.

Die Ombudsstelle Fleisch versteht sich als neutrale Vermittlungsinstanz zwischen Kunde, Mitarbeiter und Unternehmung und versucht, in einer Mediation den Gang vor Gericht zu umgehen.

Vorgehenstipps für Mitarbeitende der Fleischbranche, wenn sie Ungereimtheiten feststellen:

1. Problem mit betroffener Unternehmung besprechen Nehmen Sie Kontakt zu der betroffenen Unternehmung auf und schildern Sie Ihr Problem. Erfahrungsgemäss können die allermeisten Anliegen bereits auf diese Weise gelöst werden.

2. Senden Sie der Ombudsstelle Ihre Korrespondenz mit der Unternehmung Wenn das Problem nicht direkt bilateral gelöst werden konnte, senden Sie der Ombudsstelle falls möglich die Korrespondenz (z.B. E-Mails) mit der Unternehmung und/oder schildern Sie ihr Ihr Problem inklusive der vollständigen Geschichte des Falles. Aufgrund dessen wird die Ombudsstelle Fleisch weitere Schritte einleiten, welche eine Empfehlung darstellen und dazu dienen sollen, das Problem zu lösen.

3. Sind Sie mit der Lösung nicht einverstanden, legen Sie Rekurs ein Falls Sie bzw. die betreffende Unternehmung mit der Empfehlung der Ombudsstelle nicht einverstanden sind, kann dagegen rekurriert werden. Das Anliegen geht dann in den Ombudsrat. Diese Kommission wird den Fall bearbeiten und gegebenenfalls weitere Schritte auf nach wie vor empfehlender Basis einleiten.

4. Ein Vertragspartner (Konsument oder Unternehmung) ist mit dem Rekursentscheid nicht einverstanden Sollte eine der beiden Parteien auch mit dem Vorschlag des Ombudsrates nicht einverstanden sein, bleibt nur noch der zivilrechtliche Weg. Die Ombudsstelle übernimmt dabei keine Parteienvertretung und bleibt neutral. Die Entscheide der ersten und zweiten Instanz können aber vom Gericht verwendet werden.

Die Wahl fiel auf das kf, weil dieser Verein einerseits bereits Erfahrungen in der Führung einer solchen Ombudsstelle hat und sich andererseits nach Einschätzung des SFF um die offenste, keiner Parteipolitik verpflichteten Konsumentenorganisation handelt. Wie Michel Rudin, Geschäftsführer des kf ausführte, soll mit der Stelle nicht nur eine direkte Anlaufstelle für die Konsumenten geschaffen, sondern auch die Sicherheit beim Fleischeinkauf und die Transparenz erhöht werden. Durch eine erfolgreiche Mediation soll immer auch versucht werden, einen Gang vor Gericht zu umgehen. Sollte eine solche Mediation in der ersten Stufe nicht möglich sein, so tritt als zweite Instanz ein vom neuen Ombudsmann Dr. Balz Horber, ehemaliger Direktor des SFF, präsidierter, vierköpfiger Ombudsrat in Aktion. Diesem gehört unter anderem auch ein Arbeitnehmervertreter an.

Charta für korrektes Verhalten

Der SFF will weg vom ständigen Reagieren hin zum Agieren. Dabei entstand die Idee der Schaffung einer SFF-Charta, welche die eigentlich selbstverständlichen und von der grossen Mehrheit tagtäglich geübten Verhaltensweisen für SFF-Mitglieder neu festschreiben sollte. Damit sollte auch das von den Mitgliedern erwartete moralische und ethische Verhalten verbindlich kodifiziert und dem Verband auch die Möglichkeit gegeben werden, gegenüber fehlbaren Mitgliedern wirksam zu agieren und ihm entsprechende Sanktionsmöglichkeiten in die Hand zu geben.


Die neue SFF-Charta verlangt von den Mitgliedern nicht nur gesetzliche Selbstverständlichkeiten sondern auch vorbildliches Verhalten bei Umwelt-, Kommunikations- und Sozial-Themen. So u.a. faire Arbeitsbedingungen unter Einhaltung des brancheneigenen Gesamtarbeitsvertrages sowie der steten Förderung der Mitarbeitenden. Konkret: faire Löhne und Karrierechancen, Weiterbildungsmöglichkeiten, ein motivierendes Betriebsklima u.ä.. SFF-Präsident Rolf Büttiker betont, der SFF habe mit dem Metzgereipersonalverband ein konstruktives Verhältnis.


Das von den SFF-Mitgliedern erwartete Verhalten legt die Charta in sechs Grundsätzen fest. Zuwiderhandlungen können vom Hauptvorstand in Abhängigkeit der Schwere mit einer Busse zugunsten des Berufsnachwuchses bis hin zum Ausschluss aus dem SFF geahndet werden.

CHARTA

PRÄAMBEL: Die Mitglieder des Schweizer Fleisch-Fachverbandes (SFF) wollen ihre gesellschaftspolitische / wirtschaftliche Rolle als Lebensmittelversorger in der Schweiz erfüllen und sich so verhalten, dass die Bevölkerung auf der Basis von Vertrauen Fleisch von hoher Qualität mit Genuss konsumieren kann. Sie sind gewillt, ihre Verantwortung gegenüber Mensch, Tier und Umwelt vollumfänglich wahrzunehmen.

GRUNDSÄTZE
1. Allgemeine Gesetze und Normen: Aktive Übernahme von Verantwortung bei allen Abweichungen von ethischen und gesetzlichen Normen, z.B. mittels Meldung an die Ombudsstelle Fleisch
2. Tierschutz und -ethik: Über die Einhaltung der Tierschutzgesetzgebung hinaus, Befolgung der brancheneigenen Ausbildungsstandards in der Schlachtanlage
3. Fleischproduktion: Einhaltung der Guten Herstellpraxis (GHP) auf der Basis der bestehenden Branchenrichtlinien
4. Umwelt: Sicherstellen einer branchenübergreifenden Ressourceneffizienz mit dem Ziel einer nachhaltigen Vollverwertung des Tierkörpers
5. Kommunikation: Ehrliche, transparente und verständliche Kommunikation nach innen und nach aussen
6. Arbeitsbedingungen: Schaffung von fairen Arbeitsbedingungen unter Einhaltung des brancheneigenen Gesamtarbeitsvertrages sowie der steten Förderung unserer Mitarbeitenden (Aus- / Weiterbildung / Motivation im Sinne des Berufsstolzes)

SANKTIONEN
Zuwiderhandlungen gegen die obgenannten Punkte können vom Hauptvorstand des SFF in Abhängigkeit der Schwere mit einer Busse zugunsten des Berufsnachwuchses bis hin zu einem Ausschluss aus dem SFF geahndet werden.

Erarbeitet wurden diese Charta durch eine verbandsinterne Arbeitsgruppe, die unter der neutralen Leitung von Prof. Dr. Mathias Binswanger und seines Kommunikationsspezialisten Joachim Tillesen von der Hochschule für Wirtschaft in Olten stand, die wiederum Teil der Fachhochschule Nordwestschweiz ist.

Prof. Mathias Binswanger von der Fachhochschule Nordwestschweiz hat für die SFF-Mitglieder Verhaltensregeln in einer Charta zusammengetragen. Diese soll Klarheit schaffen und Skandale durch schwarze Schafe vermeiden helfen ohne höheren Aufwand für die weissen Schafe.

Die beiden vorgefallenen Täuschungsfälle des letzten Jahres haben den SFF stark beschäftigt und das Image der Fleischbranche erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Dabei handelte beim Exponenten des deutlich grösseren der beiden Fälle, der Carna Grischa AG nicht um ein Verbandsmitglied, was jedoch den erlittenen Imageschaden nicht schmälert. Diese mutmasslichen Täuschungsfälle haben klar gezeigt, dass die bisherigen Möglichkeiten des SFF gemäss seinen Statuten nicht ausreichend sind. So bestand bislang einzig und alleine die Möglichkeit für den Ausschluss von Mitglieder, welche die Interessen des SFF verletzen oder dessen Statuten, Vorschriften und Beschlüssen zuwiderhandeln. (Text: SFF)

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