Food aktuell
Varia
12.11.2015
Kommentar der fial zum Revisionsprojekt Largo



Ist die Herkunfts-Deklaration des Erdbeer-grundstoffs in einem Erdbeerjoghurt sinnvoll, nötig und praktikabel?


Die verschiedenen Akteure im Bereich der Lebensmittelproduktion haben sich in den vergangenen 4 Monaten intensiv mit dem LARGOPaket befasst. Das sehr umfangreiche Paket wurde sowohl in den Medien als auch im Parlament kritisiert. Tatsache ist, dass es sich um ein umfangreiches Paket handelt und Tatsache ist auch, dass die Bearbeitung sehr anspruchsvoll ist. Nichtsdestotrotz ist die korrekte Umsetzung des neuen Lebensmittelrechts auf Verordnungsstufe für die exportorientierten Unternehmen wichtig.

Die Herstellung der Eurokompatibilität war der Treiber der Totalrevision des Lebensmittelgesetzes. Dass nun auch auf Verordnungsstufe diese Kompatibilität hergestellt wird ist folgerichtig und nicht zu beanstanden. Liest man die Kritik aus Gewerbeverbandskreisen erhält man das Gefühl, dass heute überhaupt keine Regelungen bestehen und ein gänzlich neuer Regulierungsmoloch verabschiedet werden soll. Dem ist nicht so. Das Lebensmittelverordnungsrecht ist schon heute sehr umfangreich. Es umfasst heute 28 Verordnungen; nach der Revision wird es noch 27 Verordnungen umfassen...

Parlamentarische Vorstösse und Beurteilung durch die fial

Nationalrat Thomas de Courten hat die Motion "Regulierungsflut im Lebensmittelbereich unterbinden" (Motion Nr. 15.3964) eingereicht. Diese zielt darauf ab, einen Marschhalt und eine Rückweisung des Pakets an den Bundesrat zu erreichen. Die SGK-N hat sich ebenfalls mit dem LARGOPaket befasst und beantragt dem Bundesrat insbesondere, die Übergangsfrist auf 4 Jahre zu erhöhen.

Der Schweizer Lebensmittelbranchen-Dachverband fial hat das LARGO-Paket in einer Kerngruppe diskutiert. In insgesamt mehr als 20 Sitzungsstunden haben die Spezialisten der Mitgliedunternehmen unter der Leitung von Dr. Lorenz Hirt und Dr. Karola Krell die horizontalen Verordnungen analysiert sowie die Eingaben der einzelnen Branchen durchberaten und entschieden, welche Anliegen als branchenübergreifend in die fial- Stellungnahme aufgenommen werden sollen.

Deklaration der Herkunft von Zutaten:

Die Deklaration der Herkunft von Zutaten war bis zuletzt der am meisten umstrittene Punkt im Gesetz. Nachdem sich unter den damaligen politischen Voraussetzungen die fial, der SBV und die Allianz der Konsumentenschutzorganisationen zu einem Kompromissvorschlag durchgerungen hatten, wurde dieser vom Parlament ausdrücklich als "zu kompliziert" abgelehnt.

Die nun vorgeschlagene Vorschrift ist zwar gut gemeint, indem sie ein neues Kriterium der verarbeiteten resp. der unverarbeiteten Zutat einfügt. Damit wird aber die Frage zusätzlich kompliziert. Bei der Umsetzung stellen sich kaum lösbare Fragen, z.B. ob die Herkunft des Erdbeergrundstoffs in einem Erdbeerjoghurt oder der Kartoffeln in Kartoffelchips zu deklarieren wäre.

Zusätzlich hält auch das LMG in Artikel 13 Absatz 6 fest, dass die dort vorgesehenen Kennzeichnungen nicht zu unverhältnismässigen administrativen Aufwänden führen dürfen. Die vorgeschlagene Regelung ist daher als noch viel komplizierter als die im Nationalrat präsentierte Lösung ebenfalls abzulehnen. Zwischenzeitlich sind zudem die impact assessments in der EU publiziert worden (Report from the Commission to the European Parliament and the Council regarding the mandatory indication of the country of origin or place of provenance for unprocessed foods, single ingredient products and ingredients that represent more than 50% of a food. 20.5.2015).

Eine der Schlussfolgerungen dieser Berichte ist, dass eine obligatorische Deklaration der Herkunft von Zutaten über 50% aufgrund der komplexen und teils saisonal wechselnden Logistikketten sehr schwierig umzusetzen wäre. Die Folge wäre eine Steigerung der Produktionskosten und damit eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit. Eine freiwillige Deklaration der Herkunft der Zutaten sei daher zielführender. Die Konsumenten hätten schon heute die Möglichkeit, Lebensmittel zu kaufen, bei denen sie die gewünschten Zusatzinformationen erhielten, die dafür aber etwas teurer seien.

Ebenfalls publiziert wurde Ende August die Regulierungsfolgeabschätzung des neuen Verordnungsrechts für die Schweiz. Die Kosten für die Einführung der Deklaration der Herkunft von Zutaten wurden dabei auf 147.4 Mio. Franken geschätzt (bei einer einjährigen Übergangsfrist). Ebenfalls wurde aber festgehalten, dass den Herstellern und Importeuren von Lebensmitteln aufgrund der veränderten Deklarationspflichten auch laufende Regulierungskosten entstehen werden, die im Rahmen der RFA jedoch nicht quantifiziert werden konnten.

Der Zusatznutzen ist demgegenüber gemäss der Studie gering. Wörtlich wird ausgeführt: "Dieser Nutzen konnte im Rahmen der RFA nicht quantifiziert werden. Allerdings ist der Nutzen als eher gering einzuschätzen, weil das Interesse der Konsument/ innen an diesen Informationen und die Bereitschaft der Konsument/innen, für diese Informationen zu zahlen, nicht allzu hoch sind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der Unternehmen den im revidierten LMR vorgesehenen zusätzlichen Deklarationspflichten zum Teil bereits unter der geltenden Rechtsordnung entspricht – auf der Basis von Freiwilligkeit."

Als Fazit hält die RFA fest: "Auf Schweizer Sonderbestimmungen wie die Deklaration der Herkunft unverarbeiteter Zutaten, die dazu führen, dass die Verpackungen von Lebensmitteln, die im angrenzenden Ausland vertrieben werden, angepasst werden müssen, damit sie in der Schweiz verkehrsfähig sind, sollte jedoch verzichtet werden. Ein Verzicht auf solche Regelungen würde in direkter Weise (Reduktion der Regulierungskosten) und indirekter Weise (Intensivierung des Preiswettbewerbs) zu tieferen Konsumentenpreisen führen. Aus ökonomischer Sicht sollte im Grundsatz Folgendes gelten: Jedes Produkt, das am angrenzenden Ausland verkehrsfähig ist, sollte in unveränderter Form auch in der Schweiz verkehrsfähig sein."

Aus all diesen Überlegungen und aufgrund der klaren Ergebnisse der Studien in der EU und in der Schweiz, ist auf eine Regelung der Deklaration der Herkunft von Rohstoffen in Lebensmitteln, die weiter geht als das EU Recht zu verzichten. Da zur Zeit auch die Konsultation der EU zu den neuen Verordnungen im TRIS Verfahren noch läuft, sollte die Situation gegenüber dem heutigen Recht nicht verschärft werden. Dieses ist aus der alten LKV zu übernehmen und vorläufig weiterzuführen. Es entspricht der in der EU angedachten Lösung resp. kann problemlos unter diese subsumiert werden. Die Diskussionen in der EU sind bekanntlich noch nicht abgeschlossen und falls die EU sich auf ein sinnvolles System einigt, könnte dieses jederzeit zu einem späteren Zeitpunkt übernommen werden.

Swissness:

Der Verweis auf das Markenschutzgesetz (Art. 12 Abs. 2 lit. f) kann im Zusammenspiel mit den Erläuterungen so gelesen werden, dass die Vorschriften des Markenrechts für den lebensmittelrechtlichen Vollzug gelten würden. Der Lebensmittelvollzug ist aber nicht für die Durchsetzung des Markenschutzgesetzes (Zivilrecht) zuständig. Er kann lediglich anhand der Kriterien des Markenschutzgesetzes einen Täuschungstatbestand feststellen. Dabei müssen aber die lebensmittelrechtlichen Massstäbe an die Täuschungsgefahr angelegt werden und es darf insbesondere nicht auf die Beweislastumkehr des Zivilrechts zurückgegriffen werden.

Ansonsten stünden a) sämtliche Lebensmittel mit Angabe einer Herkunft unter Generalverdacht und könnten b) Unternehmen (und letztlich auch der Vollzug) auf dem Weg des lebensmittelrechtlichen Vollzugs lahmgelegt werden, indem gegen alle ihre Produkte beim Vollzug Anzeigen erstattet würden (ohne Kostenfolgen für den Anzeigenden). Dies wäre mindestens in den Erläuterungen noch klarzustellen.

Produktionslandangabe:

Die Schweizerische Besonderheit der zwingenden Produktionslandangabe wird seit längerem als Fakt hingenommen, auch wenn es ein klares Handelshemmnis darstellt. Diese handelshemmende Wirkung muss aber mindestens im gleichen Umfang wie heute derart abgeschwächt werden, dass auf unverhältnismässige und überspitzt formalistische Anforderungen verzichtet wird. Demnach soll – wie heute schon – auch weiterhin ausreichend sein, wenn auf dem Produkt die Herstelleradresse angegeben wird und aus dieser das Produktionsland klar ersichtlich ist.

Zudem soll in Fällen, in denen einem Lebensmittel kein bestimmtes Produktionsland zugeordnet werden kann, auch für unverarbeitete Produkte der kleinste geografische Raum angegeben werden können, aus dem das Lebensmittel, die Rohstoffe oder die Zutaten stammen (z.B. «Schnittsalat aus der Europäischen Union», «Fisch aus der Ostsee»). Diese Bestimmungen fanden sich schon unter der heutigen Gesetzesregelung und sind somit gesetzgebungstechnisch unbedenklich, auch wenn die Produktionslandangabe auf Gesetzesstufe vorgeschrieben ist.

Warnhinweise:

Die Vorlage sieht vor, dass Warnhinweise dreisprachig aufzudrucken sind (Art. 35 Abs. 3 Satz 3 LGV). Dies wird vom BLV mit Verweis auf das THG begründet. Der Aufbau solcher neuer Handelshemmnisse widerspricht aber schon dem Ziel des THG diametral. Die erfassten "Warnaufschriften" werden nicht definiert und können wohl auch nicht abschliessend definiert werden.

Sollten z.B. auch die "hervorgehobenen" Allergene im Zutatenverzeichnis als Warnaufschriften gelten, müssten sämtliche Zutatenverzeichnisse in 3 Sprachen angegeben werden, was der grundsätzlichen Möglichkeiten, in nur einer Amtssprache kennzeichnen zu können (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 LGV) zuwiderläuft. Ist z.B. der Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise für eine gesundheitsbezogene Angabe ein Warnhinweis?

Die Vorschrift ist nicht fassbar und in der Praxis nicht umsetzbar und daher zu streichen. Sollte die Bestimmung wider Erwarten nicht gestrichen werden, müsste mindestens genau und restriktiv definiert werden, um welche Warnhinweise es sich handelt. Als Vorgabe sei die Vorgehensweise in der Spielzeugverordnung und in der Kosmetikverordnung erwähnt. Dort sind die Warnhinweise klar definiert und in beiden Verordnungen in einem separaten Anhang 3 aufgezählt.

Deklaration im Offenverkauf:

Hier schiesst die Vorlage über das Ziel hinaus. Die schriftliche Deklaration im Offenverkauf ist eingeschränkter zu regeln, als in den Entwürfen vorgesehen. Insbesondere lässt sie sich bei zusammengesetzten Lebensmitteln und bei Zutaten mit Allergiepotential kaum umsetzen. Eine Angleichung an das EU-Recht ist nicht erforderlich, da offen angebotene Lebensmittel nicht exportiert werden. Die mündliche Angabe der allergenen Zutaten auf Nachfrage sollte weiter ausreichend sein.

Mehrfachpackungen:

Bei Mehrfachpackungen (mehrere gleiche oder verschiedene Produkte, die in einer neuen Verpackung zusammengefasst sind) soll auch weiterhin auf die geforderten Angaben auf der äusseren Verpackung verzichtet werden können, wenn die Angaben auf den darin enthaltenen Einzelpackungen angebracht und von aussen für die Konsumentinnen lesbar sind. Diese bewährte Schweizer Regelung ist beizubehalten. Sie behindert auch den Import in die Schweiz nicht und beschert keine zusätzlichen Aufwände.

Insekten neu als Lebensmittel zulassen?:

Neutral steht die fial der auch in den Medien thematisierten Frage gegenüber, ob Insekten als Lebensmittel zugelassen werden sollen oder nicht. Werden sie zugelassen, ist sicherzustellen, dass die Zuchtbedingungen derart sind, dass keine Gesundheitsgefährdung entstehen kann. Eine kürzlich veröffentlichte EFSA-Studie hat zum Beispiel ergeben, dass das Substrat, mit dem die Insekten gefüttert werden, keine tierischen oder menschlichen Eiweisse enthalten sollte, um eine Übertragung von BSE resp. Creutzfeldt Jakob Krankheit zu verhindern. Wird diesen Anforderungen und auch denjenigen der korrekten Deklaration Genüge getan, gibt es aus Sicht der fial aber auch keinen Grund, das Angebot von Insekten nur in nicht weiterverarbeiteter (also als Insekten erkennbarer) Form zuzulassen. (Text: fial)

Infos zum aktuellen Stand und Beratung durch Pistor

Das Lebensmittelgesetz der Schweiz wird dem Gesetz der EU angepasst. Die ersten Änderungen sind bereits seit längerer Zeit definitiv verabschiedet und treten per Anfang 2016 in Kraft. Dabei sind nach wie vor die folgenden drei Punkte für lebensmittelverarbeitende Betriebe wie Bäckereien oder Restaurants von Bedeutung:


1. Reihenfolge der Nährwertkennzeichnung
Heute ist die Kennzeichnung der Nährwerte grundsätzlich freiwillig. Enthält eine Etikette aber nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben (sogenannte Health Claims), ist die Nährwertkennzeichnung Pflicht. Mit der aktuellen Revision des Gesetzes wird die Reihenfolge der Nährwertkennzeichnung geändert. Neu müssen ab 2016 für die Konsumenten «ungünstige» Nährstoffe zuerst sichtbar sein. So folgt nach der Angabe des Energiewertes neu in absteigender Folge der Gehalt an Fett, Kohlenhydraten und Eiweiss.

2. Sichtbare Kennzeichnung der Allergene
Bereits jetzt müssen Ingredienzen, die allergene oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen, im Verzeichnis der Zutaten deutlich bezeichnet werden. Ab 2016 muss die Angabe dieser Zutaten zusätzlich durch die Schriftart, den Schriftstil, die Hintergrundfarbe oder andere geeignete Mittel vom Rest des Zutatenverzeichnisses hervorgehoben werden.

3. Angaben zur pflanzlichen Herkunft von Ölen und Fetten
Öle und Fette pflanzlicher Herkunft konnten bisher im Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung vereinfacht als «pflanzliche Öle», respektive «pflanzliche Fette» angegeben werden. Neu muss die Pflanze angegeben werden, aus welcher das Öl oder Fett gewonnen wurde.

Diese drei Vorgaben müssen ab dem 1. Januar 2016 umgesetzt werden. Welche weiteren Änderungen in der Gesetzgebung später folgen werden, ist noch unklar. Ein Vorschlag für das neue Lebensmittelgesetz wurde vom Parlament bereits verabschiedet und befindet sich nun in der Vernehmlassung. Pistor bleibt am Ball und wird Sie informieren, sobald definitive Beschlüsse feststehen. Damit ist nicht vor Ende Jahr zu rechnen.

Pistor bietet Unterstützung: Bereits heute können im Online-Shop PistorONE die Deklarationen von sämtlichen Pistor Artikeln als Excel-Datei exportiert werden. Durch den Import dieser Daten in verschiedene Branchensoftwares können die Angaben für Rezepturen und Deklarationen verwendet werden. Es steht jedem Software-Anbieter offen, eine standardisierte CSV-Schnittstelle für den Import der Artikeldaten von Pistor in sein Programm einzubauen. In einigen bekannten Branchensoftware wurde diese Schnittstelle bereits implementiert. Für spezifische Fragen zur Thematik stehen die Pistor-Fachspezialisten von der Abteilung Qualitätssicherung gerne zur Verfügung. (Text: Pistor. Kontakt: Jean-Luc Schmutz, Leitung Qualitätssicherung, Telefon: 041 289 86 99, E-Mail: qs@pistor.ch)

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