Food aktuell
Varia
3.2.2016
Geschützte Ursprungs-Bezeichnungen gefälscht



Produkte mit AOP- oder IGP-Kennzeichnung müssen ein Pflichtenheft erfüllen. Geschützte Bezeichnungen auf Produkten sollen Konsumenten vor Täuschungen bewahren. Umfangreiche Tests der Kantonschemiker zeigen, dass die Bezeichnungen oft missbräuchlich verwendet werden. Bild: Walliser Trockenfleisch IGP.


Von 625 getesteten und mit AOP- oder IGP-Bezeichnung verkauften Schweizer Produkten erfüllten 85 respektive 14 Prozent die Anforderung an die geschützten Bezeichnungen nicht. Noch drastischer fällt das Ergebnis bei den Bezeichnungen „Berg” und „Alp” aus. Von den 100 kontrollierten Produkten entsprachen 36 nicht den rechtlichen Anforderungen.

Diese Resultate sind umso bedeutender, als dass die geschützten Bezeichnungen Konsumentinnen und Konsumenten gerade vor Täuschungen schützen sollten. Für den Verband der Kantonschemiker Schweiz zeigen die in sämtlichen Kantonen durchgeführten Tests, dass die rechtlichen Vorgaben zum Schutz von geographischen Bezeichnungen nur ungenügend berücksichtigt werden.

Mehr Kontrollen gefordert

„Ich bin sehr zufrieden, dass diese nationale Kampagne durch die Kantonschemiker durchgeführt worden ist”, sagt Alain Farine, Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP. Er fordert, dass solche Kontrollen künftig öfter und systematischer durchgeführt werden.

Farine verweist dabei auf Artikel 182 im Landwirtschaftsgesetz, der unter anderem eine Zentralstelle zur Ermittlung von Zuwiderhandlungen im Bereich geschützter Kennzeichnungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse vorsieht. Eine solche Zentralstelle wurde bisher noch nicht geschaffen. Laut Alain Farine würde sie aber zu einer einheitlichen nationalen Kontrolle führen und damit die Verfolgung von missbräuchlicher Verwendung von Kennzeichen erleichtern.

Die Resultate der Kampagne zeigen für Farine, dass den Begriffen „AOP” und „IGP” im Markt noch zu wenig Achtung geschenkt werden. Er geht davon aus, dass die Verfehlungen nicht bei den Sortenorganisationen geschehen, sondern insbesondere bei den Wiederverkäufern. „Wenn ich sehe, wie streng die Sortenorganisationen kontrollieren, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Fehler auf dieser Stufe entstehen”, so Farine.

Konsumentenschutz übt Kritik

„Wir hatten schon länger den Eindruck, dass diese geografischen Bezeichnungen die Konsumentinnen und Konsumenten täuschen können”, sagt Josianne Walpen, Leiterin Ernährung und Landwirtschaft bei der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Die Anforderungen an die geschützten Ursprungs-bezeichnungen (AOP), geschützten geographischen Angaben (IGP) sowie die Bezeichnungen „Alp” und „Berg” seien an und für sich tief. „Umso stossender ist es, dass die Kontrolle ergeben hat, dass ein derart grosser Teil der geprüften Produkte nicht einmal diese tief angesetzten Anforderungen erfüllt”, so Walpen.

Ihrer Ansicht nach wollen viele Anbieter nur den Marktvorteil eines Labelproduktes nutzen, ohne den Konsumentinnen und Konsumenten den entsprechenden Gegenwert zu bieten. In Verantwortung sieht Walpen in erster Linie die Vereinigung AOP-IGP sowie die zuständigen europäischen Stellen, die dafür sorgen müssten, dass die Bezeichnungen korrekt und vertrauenswürdig angewendet würden. Dann brauche es Nachkontrollen, um zu überprüfen, ob die Label nun ernst genommen würden. „Ansonsten muss man sich ernsthaft fragen, ob die geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben tatsächlich eine Berechtigung haben”, so Walpen.

Alain Farine von der Vereinigung der AOP-IPG widerspricht hier vehement: Erstens würden die Anforderungen an AOP und IGP vom Staat festgelegt und entsprächen einer weltweit anerkannten Definition, welche auf die Entstehung von traditionellen Produkten mit starkem Bezug auf ihre Herkunft entlang der ganzen Wertschöpfungskette fokussiere.

Zweitens könnten Kontrollen innerhalb der Sortenorganisationen durchgeführt werden, was auch streng gehandhabt werde. Geschehe der Missbrauch dieser Zeichen aber ausserhalb der Sortenorganisationen – wie Farine vermutet – so seien der Vereinigung die Hände gebunden. „Wir haben dann keine Kompetenzen, einzuschreiten. Dies ist auch nicht unsere Aufgabe, sondern jene des Gesetzgebers”, so Farine. Aus diesem Grund plädiere man auch auf die strengeren Kontrollen. Die vergangenes Jahr von den Kantonschemikern aufgedeckten Fälle haben jedenfalls Konsequenzen. Je nach Art der Schwere des Vorfalls wurden Verwarnungen ausgesprochen oder Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erstattet.

Die Resultate auf einen Blick

• 1‘445 Produkte mit den Bezeichnungen „AOP”, „IGP”, „Berg” und „Alp” aus dem In- und Ausland wurden überprüft.

• In 38 Prozent der 963 kontrollierten Betriebe wurden insgesamt 313 Produkte beanstandet.

• Von den 625 überprüften Schweizer Produkten mit AOP/IGP-Bezeichnung erfüllten 85 resp. 14 Prozent die Anforderungen nicht.

• Besonders oft betroffen waren „Walliser Trockenfleisch IGP” (7 von 18) sowie „Damassine AOP” (10 von 24).

• Von 100 Produkten mit Bezeichnungen „Berg” oder „Alp” erfüllten 36 Prozent die Anforderungen nicht.

• Bei den europäischen Produkten wurden 192 von 721 Produkten beanstandet.

• Oft betroffen waren bei den europäischen Produkten „Formaggio Parmigiano Reggiano” (106 von 222) sowie „Feta” (16 von 94).

• Bei 50 Prozent der kontrollierten Marktstände, 44 Prozent der Restaurationsbetriebe sowie 39 Prozent der Bäckereien wurden nicht korrekte Bezeichnungen beanstandet.

BLW: „Es braucht weitere Anstrengungen”

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) begrüsst die Kampagne der Kantonschemiker, wie Mediensprecher Jürg Jordi sagt. Der Bericht müsse allerdings noch im Detail studiert werden. „Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse unbefriedigend. Das BLW wird sich deshalb weiterhin für den Schutz vor Missbräuchen auf allen Ebenen einsetzen. Es braucht weitere Anstrengungen”, so Jordi. (Text: LID)

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