Food aktuell
Varia
23.5.2006
Kaffeemarkt wird dynamischer

Geschmacks-Finessen, die man von Wein und Spirituosen kennt, gibt es im selben Mass auch bei Kaffee. Aber erst seit wenigen Jahren sprechen die Kaffee-Röstereien auch Normalverbraucher mit edlen Produkten an.


Gourmets kennen das spezielle Aroma eines Jamaikanischen Blue Mountain-Kaffees (Bild, beim Zürcher Ladenröster Schwarzenbach) und suchen diese Spezialitäten im Fachgeschäft. Beim Tee ist dieser Premiumtrend schon weit gediehen aber auch beim Kaffee steht ein Durchbruch kurz bevor, glaubt man bei der Luzerner Rösterei Rast. Wie bei allen Food-Teilmärkten wachsen die Premium- und Economy-Segmente, währenddem die unprofilierte Mitte schrumpft.

Beim Berner Kaffeeröster Blaser unterscheidet man «qualitätsbewusste» von «Preis-Käufern». Dies gilt auch für die Kunden der Detaillisten. Da sie Discountpreise nicht unterbieten können, sollten sie eher die Premiumstrategie verfolgen. Dies auch, weil dort die Detailhandels-Margen besser sind.

Trotzdem ist es auch für Fachgeschäfte sinnvoll, mindestens ein Economy-Produkt zu führen, denn es gibt immer mehr «Hybrid-Käufer», die situativ entweder zum besten oder zum billigsten Produkt greifen. Bei Turmkaffee AG rät man zu einem schmalen Sortiment, um Ladenhüter zu vermeiden. Und 500 Gramm-Packungen seien sinnvoller als 250 Gramm dank des besseren Preis-Leistungsverhältnisses.



Markt-Revolutionen

Im Kaffeemarkt sind derzeit zwei revoluzionäre Trends zu beobachten: Zum Einen «Coffee to go»: In «Lädeli», Bäckereien (Bild: bei Wehren in Schönried BE) und Kiosken wird immer mehr Kaffee in Deckelbechern zum Mitnehmen verkauft. Ein interessantes Zusatzgeschäft, aber man sollte dabei keinen Abstrich an der Qualität machen, warnt Rast. Denn der Kunde probiert das Getränk im ungewohnten Kartonbecher bewusst mit feiner Zunge. Wenn er eine langweilige Automatenqualität erhält, verzichtet er in Zukunft darauf.

Die zweite Revolution ist der portionierte Mahlkaffee. Convenience-Portionen, die eine besondere Kaffeemaschine erfordern, kannibalisieren den Bohnenkaffee-Markt und damit die lokalen Röstereien. Drei Firmen entwickelten unabhängig voneinander ein ähnliches Konzept: Kraft Foods (Jacobs) mit «Mastro Lorenzo» für den Haushaltmarkt, Nestlé mit «Nespresso» auch für den Business-Markt und Lavazza mit «Espresso Point» ebenfalls für beide Märkte.


Dass die entsprechenden Kaffeemaschinen viel günstiger in der Anschaffung, einfacher und wartungsfreundlicher sind, begründet den Erfolg dieser Alu- oder Kunststoff-Kapseln und Papierfilter-Pods (Bild). Bei Nespresso prophezeit man, in zehn Jahren würden die Haushalte mehr Portionenkaffee trinken als konventionellen. Vor allem der Kaffeefilter werde aussterben.

Qualität variiert

Der Portionen-Markt boomt, neue Anbieter tauchen auf, die Qualität variiert von sehr gut bis sehr schlecht, und die anfänglich hohen Preise fallen. Die Sonntagszeitung publizierte kürzlich einen Qualitätsvergleich. Auf einer Skala mit Bestnote 4 erreichte Nespresso mit der Maschine «Koenig Creation» und den Arpeggio-Kapseln die Gesamtnote 3.4 und war klarer Sieger.

Kaffee-Buchautor Ingo Rogalla meinte dazu: «Kräftige Crema, aromatisch, ausgewogen, vollmundig, langer Ausklang». An zweiter Stelle landete Lavazza bzw Espresso Point mit Note 2.4. Das Schlusslicht bildete Migros mit Delizio (1.1 Punkte).

Trotzdem: Der grösste Teil des Kaffees wird immer noch als Bohnenkaffee verkauft. Aber vom Portionen-Segment erhält der freie Detailhandel nur ein kleines Stück: lediglich Pods für so genannte Offen-Systeme sind frei verkäuflich (Bild: Neuer Candelaria-Pod der Berner Rösterei Aeberhard). Nespresso dagegen ist technisch und kommerziell ein geschlossenes System: Die Firma vertreibt die patentierten Kapseln durch eigene Shops und im Internet.

Schweiz kontrolliert Kaffee-Welthandel

Kaffee ist weltweit das zweitwichtigste Handelsgut nach Erdöl, und rund siebzig Prozent des weltweiten Rohkaffehandels läuft über Schweizer Firmen. Die Schweiz und die umliegenden Regionen in Süddeutschland, Norditalien, Österreich und Mittelfrankreich finden sich im Kaffee-Verbrauch pro Kopf weit vorne auf der Länderliste. Ferner werden die meisten Kaffee-Vollautomaten in der Schweiz produziert und in die ganze Welt exportiert.


Die Schweiz importiert pro Jahr rund 75’000 t Rohkaffee. Davon werden ca. 20’000 t in der Schweiz veredelt und als löslicher Kaffee, entkoffeinierter Kaffee oder Röstkaffee wieder exportiert. Der lnlandverbrauch beläuft sich also auf ca. 55'000 t Rohkaffee.

Pro-Kopf-Verbrauch von Rohkaffee in einzelnen Ländern

Finnland 12 kg
Schweden 8 kg
Dänemark 8 kg
Schweiz 8 kg
Deutschland 7 kg
Frankreich 6 kg
Italien 6 kg
USA 5 kg
Spanien 5 kg
Japan 4 kg
England 3 kg

Quelle von Konsumstatistik und Bild der Pflückerin: PROCAFE, eine Vereinigung zur Förderung von Kaffee. Die Mitgliedfirmen verarbeiten, handeln oder vermarkten Kaffee bzw. Kaffeeprodukte. Dazu gehören untern andern: O. Aeberhard AG, Kaffee Badilatti, Fritz Bertschi AG, Blaser Café, CHICCO D’ORO, Cecchetto, claro fair trade.

Weiterlesen:
World of Coffee in Bern
Deutsche Kaffeebranche boomt

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