Food aktuell
Varia
17.11.2006
Fleisch statt Spinat bei Eisenmangel

Spinat hat den ungerechtfertigten Ruf, viel Eisen zu enthalten. Wirklich eisenreich dagegen ist rotes Fleisch.


Kalbsleber ist mit fast 8 mg/100g eines der eisenreichsten Lebensmittel. Rotes Fleisch liegt zwischen 2 und 3 mg, Pouletbrust dagegen unter 0.5mg

Die Eisenaufnahme in der Schweizer Bevölkerung geht zurück, darauf weisen Zahlen im 5. Schweizerischen Ernährungsbericht hin. Der Verbrauch von Eisen ist in den letzten 10 Jahren von täglich durchschnittlich 15,0 mg pro Person in den Jahren 1994/95 auf 11,9 mg in 2001/02 gesunken.

Eine Eisenzufuhr in dieser Höhe reicht für Männer ab 19 Jahren noch aus, die D-A-CH Empfehlungen (gemeinsame Empfehlungen der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Gesellschaften für Ernährung) raten diesen nämlich zu einer Aufnahme von 10 mg/Tag. Für Frauen im gebärfähigen Alter (Empfehlung: 15 mg/Tag) und für Kinder zwischen 10 und 15 Jahren (Empfehlung: 12 bzw. 15 mg/Tag für Knaben bzw. Mädchen) liegt der Verbrauch jedoch unter den anzustrebenden Zufuhrwerten. Schwangere und stillende Frauen sollten sogar das zwei- bis dreifache dieser Menge an Eisen aufnehmen.

Hängt der Rückgang in der Eisenversorgung vielleicht damit zusammen, dass der jährliche Gesamtverbrauch an Fleisch in den letzten 15 Jahren um durchschnittlich 13 kg/Person zurückgegangen ist? Dieser Rückgang bedeutet, dass jeder rund 250 g Fleisch (etwa 2 Portionen) weniger isst pro Woche. Oder hängt vielleicht doch alles vom Spinat ab?

Eisen ist das vielleicht wichtigste Spurenelement für den Menschen. In Form des roten Pigmentes Hämoglobin wird der für den Menschen lebenswichtige Sauerstoff an Eisen gebunden von der Lunge in die Körpergewebe transportiert. In der Muskulatur wird der Sauerstoff, an das Eisen des Myoglobins gebunden, gespeichert. Eisen ist auch ein Bestandteil vieler Enzyme und damit an vielen Stoffwechselreaktionen im menschlichen Organismus beteiligt.



Roher Spinat und Weizenvollkornbrot enthalten 2.6 mg Eisen pro 100g. Milch und Milchprodukte dagegen sind arm an Eisen.


Ein Eisenmangel kann zu Blutarmut (Anämie) führen, da die Bildung roter Blutkörperchen gehemmt wird. Es sind jedoch meist nur unspezifische Symptome, die einen Eisenmangel ankündigen bzw. begleiten: allgemeine Müdigkeit, Erschöpfung, raue Haut, brüchiges Haar und Infektionsanfälligkeit. Kinder können ausserdem bei einer Unterversorgung mit Eisen Entwicklungsstörungen aufweisen. Da der Körper über ein recht grosses Eisendepot verfügt, entwickelt sich eine ausgeprägte Eisenmangelanämie nur langsam, jedoch dauert es auch sehr lange, bis einmal leere Reserven wieder aufgefüllt sind.

Der Organismus hält normalerweise durch Regulation der Eisenabsorption aus der Nahrung eine ausgewogene Eisenbilanz aufrecht, weshalb eine Eisenanhäufung im Körper durch längere hohe Eisenzufuhr mit der Nahrung unwahrscheinlich ist.

Auch zuviel ist ungesund

Das ist gut so, denn zu hohe Eisenspiegel werden mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht, wie sich dies bei Menschen mit genetisch bedingter Eisenüberladung (Hämochromatose) zeigt. Bei diesen akkumuliert sich das Eisen im Körper und lagert sich in Gewebe und Organen ab, was zu Leberzirrhose, Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Impotenz, Bronzefärbung der Haut und anderem führen kann.

Davon unabhängig steht eine hohe Eisenaufnahme im Verdacht, das Risiko für koronare Herzkrankheiten (KHK) und Dickdarmkrebs zu erhöhen. Zwei neuere epidemiologische Studien haben jedoch keinen Zusammenhang zwischen Eisenaufnahme und Dickdarmkrebs gefunden und auch die Wirkung einer hohen Eisenaufnahme auf das KHK-Risiko blieb bisher unbewiesen und unerklärt.

Eisen ist in Umwelt und Nahrung reichlich vorhanden. Es ist paradox, dass Eisenmangel trotzdem die häufigste Mangelerkrankung der Menschen ist. Das liegt daran, dass Eisen nicht aus allen Quellen gleich gut verfügbar ist. Man unterscheidet zwischen Hämeisen und Nicht-Hämeisen. Ersteres ist das an Hämoglobin und Myoglobin gebundene Eisen, das nur in Fleisch und Fisch vorkommt.

Mandeln und Haselnüsse enthalten über 3.5 mg Eisen pro 100g, ein hoher Gehalt für eine pflanzliche Quelle.

Pflanzliche Lebensmittel enthalten Eisen in Form von Nicht-Hämeisen. Hämeisen kann im Darm besser absorbiert werden als Nicht-Hämeisen (15-35% verglichen mit 2-20%), deshalb steht dem Organismus beim Verzehr von Fleisch deutlich mehr Eisen zur Verfügung als beim Verzehr gleicher Eisenmengen aus Getreide oder Gemüse.

Im Gegensatz zu Hämeisen ist die Verfügbarkeit von Nicht-Hämeisen stark von anderen Nahrungsbestandteilen abhängig: Vitamin C (Ascorbinsäure) und gewisse Substanzen im Fleisch (vermutlich schwefelhaltige Aminosäuren und Peptide) fördern dessen Absorption im Darm, gewisse pflanzliche Inhaltsstoffe (z.B. Phytate aus Getreide und Hülsenfrüchte, Polyphenole aus Obst, Gemüse, Tee und Wein) hemmen sie jedoch.

Vor allem für Risikogruppen für Eisenmangel wie Kinder, Schwangere, Frauen im geschlechtsreifen Alter und auch für Sportler (Eisenverlust mit dem Schweiss) aber auch allgemein empfiehlt sich deshalb der Einbezug von genügend Fleisch und Fleischprodukten in die Nahrung, um so sowohl die Versorgung mit Eisen wie auch dessen Verfügbarkeit zu erhöhen.



Die Comicfigur Popeye wurde 1929 vom amerikanischen Zeichner E.C. Segar (Elzie Crisler Segar, *1894, † 1938) erschaffen. Der pfeifenrauchende Matrose schöpfte aus Dosenspinat übernatürliche Kräfte. Erst kurz vor Segars Tod entdeckte man den Eisen-Irrtum.


Spinat hat den unerschütterlichen aber ungerechtfertigten Ruf, ein potenter Eisenlieferant zu sein. Dieser Ruf beruht auf einem Kommafehler bei der Berechnung des Eisengehalts im Spinat, wodurch dieser über viele Jahre hinweg um eine Zehnerpotenz zu hoch ausgewiesen wurde. Der Fehler wurde bereits in den 1930er-Jahren erkannt und korrigiert, der Mythos hält sich aber hartnäckig.

Der gute Glaube vieler Mütter hat Manchem zu einer lebenslangen Abneigung vor Spinat verholfen. Dabei ist Fleisch dank der wesentlich besseren Verfügbarkeit vergleichbarer Eisenmengen ein viel effektiverer Eisenlieferant. „Mehr Fleisch statt Spinat!“ lautet deshalb die Devise in Bezug auf die Eisenversorgung.

Text: Alexandra Schmid, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Bern
Bilder: foodaktuell

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Suchbegriffe für diesen Bericht: Eisen, Mineralstoffe, Anämie

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