Food aktuell
Varia
14.2.2007
Welcher Functional Food ist sinnvoll? (1)

Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein schafft ein grosses Marktpotenzial für Functional Food (FF). Diese Produkte erlauben eine bessere Marge und sind schwer imitierbar. Einige stecken noch in der Forschungsphase, andere sind erfolgreich, aber oft dank emotionalem Nutzen. Bericht in zwei Teilen: 1. Teil: Trends und Deklaration.


Am deutlichsten zeigt sich die Bedeutung des Megatrends Functional Food (FF) an den Plänen von Nestlé: Der Foodkonzern verfolgt den Umbau zum Gesundheitskonzern und strebt Marktführung an bei Nutrition, Gesundheit und Wellness. Ein Viertel des Forschungsbudgets geht in die Ernährung obwohl diese Sparte heute nur sechs Prozent zum Umsatz beiträgt. In ein paar Jahren rechnet Nestlé mit steigendem Umsatz.

Auch Unilever forscht in diese Richtung und erwartet, dass Gesundheitsnahrung bis 2010 rund 25 Prozent des gesamten Lebensmittel-Markts ausmacht. Sogar der Technologiekonzern Bühler entwickelte Teigwaren mit reduziertem glykämischem Index und vermarktet diese Technologie derzeit in den USA.

Nestlé forscht auch an personalisierten bzw stoffwechsel-spezifischen FF. Vor allem das Marktsegment der stoffwechselbedingten Volkskrankheiten wie Adipositas (Fettsucht) und Diabetes Typ 2 besitzt ein grosses Potenzial. In der Publikumspresse wurde ferner über Stoffwechsel-Diäten berichtet, welche Nahrungsmittel in erlaubte und verbotene einteilt je nach individuellem Stoffwechseltyp.

Dieses «Metabolic Typing» geht davon aus, dass verschiedene Genotypen auf Nahrungsmittel unterschiedlich ansprechen. Aber Marketingversprechungen sind noch verfrüht. Die «Nutrigenomik» genannte Wissenschaft ist noch sehr jung. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass die Menschen unterschiedlichen Stoffwechseltypen angehören, die genetisch festgelegt sind. Die Gene bestimmen, wie Nährstoffe verstoffwechselt werden, und auch umgekehrt verändern Nährstoffe die Aktivität der Gene.

Massgeschneiderte Diätprodukte?

Dass es genetisch bedingte Stoffwechselkrankheiten gibt, die eine dauernde Anpassung der Ernährung erfordern wie Phenylketonurie und Galaktosämie, ist seit langem bekannt. Auch für Diabetes Typ 1, bei welcher der Körper zuwenig Insulin produziert, existiert eine genetische Veranlagung. Bei den multifaktoriellen Volkskrankheiten äussern sich Experten vorsichtig optimistisch.



Paul Walter, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE: «Bei solchen Stoffwechsel-Krankheiten können jeweils mehrere Gene defekt sein. Dies kann zu Störungen bei den entsprechenden Enzymen und somit zu Teilausfällen im Stoffwechsel führen. Hier liefert die Nutrigenomik-Forschung laufend neue Resultate, die dann zu individuellen Diäten führen können».


Ob Nutrigenomik bei Übergewicht oder Diabetes helfen kann, weiss man heute noch nicht. Die angewandte Ernährungsforschung wie bei Nestlé bringt zwar heute schon massgeschneiderte FF hervor, etwa für Schwangere, Kinder, Sportler oder Personen mit leicht erhöhtem Cholesterin. Aber Stoffwechsel-Diätprodukte setzen Stoffwechselanalysen voraus (Metabolic Typing) um herauszufinden, zu welchem der zahlreichen Typen eine Person gehört. Man ermittelt die Typen anhand einer aufwändigen, teuren Blut-, Urin- oder Speichelanalyse.

Wildwuchs bei Functional Food

FF ist nicht nur für Wissenschafter interessant sondern auch oder vor allem für Marketingstrategen. FF werden oft mit Mikronährstoffen angereichert, aber der sinnvolle bzw bedenkliche Grad der Anreicherung ist umstritten. Damit die Gesundheitsanpreisungen nicht in unlautere Werbung abdriften, regelt die EU nun die Claims wie „schlankmachend", "light", "fettarm" oder "cholesterinsenkend" sowie die Deklaration bei Vitamin- oder Mineralstoffzusätzen. Das EU-Parlament nahm zwei Verordnungen an, um Aussagen zur Gesundheit und Nährwert wie "schlank machend", "light", "fettarm" oder "cholesterinsenkend" einheitlich und strenger zu regeln.

Künftig soll etwa für die Bezeichnung "fettarm" eine Obergrenze von drei Gramm Fett pro 100 Gramm oder 1,5 Gramm pro 100 Milliliter gelten, für "zuckerarm" fünf Gramm Zucker pro 100 Gramm bzw 100 Milliliter. Entsprechende Claims dürfen in Zukunft nur noch erfolgen, wenn die Produkte die Grenzwerte bei Zucker, Fett und Salz einhalten oder nicht mehr als einen dieser drei Inhaltsstoffe überschreiten.

Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wird für jede Produktgruppe Grenzwerte (Nährwertprofile) festlegen. In der Folge müssen die Hersteller ihre Produkte registrieren. Neue Beschränkungen gibt es auch für alkoholhaltige Getränke und Marken, die einen direkten Gesundheitsbezug herstellen. Für letztere wird die Kommission eine Liste der anerkannten Claims erstellen wie "Calcium ist gut für die Knochen", die verwendet werden dürfen, sofern sie auf das jeweilige Lebensmittel zutreffen.



Michael Beer vom Bundesamt für Gesundheit erwartet durch die neuen Claim-Regelungen einen Innovationsschub. Aber trotz den höheren Anforderungen werde kaum eine Verbesserung der Volksgesundheit eintreten. Und «ausschlaggebend bei der (Fehl)-Ernährung ist das Verhalten der Konsumenten, und dieses zu ändern ist schwierig».
(Aus seinem Referat an der Hochschule Wädenswil im November 2006)


Und für neue gesundheitsbezogene Angaben oder solchen, die sich auf die Verminderung eines Krankheitsrisikos beziehen («senkt den Cholesterinspiegel» oder «Calcium vermindert das Osteoporose-Risiko»), braucht es künftig einer Sondergenehmigung der Kommission.

Die zweite vom EU-Parlament verabschiedete Verordnung betrifft angereicherte Lebensmittel. Der Vorschlag der Kommission enthält eine Positivliste für Vitamine und Mineralstoffe. Und für 16 Vitamine und Mineralstoffe legte die EFSA Höchstmengen für die Produkt-Anreicherung festgelegt. Diese sind so festgelegt, dass sie bei langfristiger täglicher Aufnahme keine Gesundheitsrisiken bergen.


Nestlé und Unilever und seit einigen Jahren auch Emmi setzen systematisch auf FF. Emmi lancierte mehrere milchbasierte Produkte: nach Aktifit, Benecol (zur günstigen Beeinflussung des Cholesterinspiegels) und Evolus (zur günstigen Beeinflussung des Blutdrucks) und letztes Jahr LACTO TAB. Dieser Milchserum-Drink ist mit Coenzym Q10, Vitaminen und Mineralstoffen angereichert.

Q10 wird zunehmend populärer und ist in Japan und in den USA bereits eine der meist verkauften Nahrungsergänzungen. Allerdings: solche Produkte mit harten Claims sind nah beim Medikament-Image. Harte FF wie Evolus oder Becel proactiv (das Benecol-Pendant von Unilever) sprechen eher eine kleine Zielgruppe mit besonderen Ernährungsbedürfnissen an.

Was ist Nutrigenomik und Nutrigenetik?

Nutrigenomik: Wissenschaft der molekularen Einflüsse von Genen und Nährstoffen auf Stoffwechsel und Gesundheit. Ein Anwendungsziel ist die Entwicklung von FF für Prävention und Therapie.

Nutrigenetik: Einfluss der Gene auf Stoffwechsel und Gesundheit (Teilbereich der Nutrigenomik). Anwendungsziele: Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Mangelerscheinungen sowie personalisierte Ernährung auf der Basis individueller genetischer Varianten (Genotyping).


Weiterlesen: 2. Teil: Ernährungsnutzen und FF-Kategorien

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