Food aktuell
Varia
23.3.2007
Impressionen der Schlaraffia 2007

Man kennt sich in Weinfelden. Die Wein- und Gourmetmesse Schlaraffia ist daher ein Treffen von Nachbarn, Freunden und Stammkunden aus der Region - und von einigen wenigen auswärtigen Gourmets. Fotoreportage.


Bereits am Sonntagvormittag waren die Delikatessen aus der Gastregion Umbrien ausverkauft. Trüffel, luftgetrocknete Würste und Pestos entsprachen dem Gusto der kulinarisch verwöhnten ThurgauerInnen. Wer an der Messe sonst noch italienische Spezialitäten anbot, hatte einen schweren Stand gegen die herzlichen, erfrischend unprofessionell auftretenden Umbrier.

Auf ihre Rechnung kamen wie jedes Jahr die Weinfreunde. Degustiert wurden die besten Tropfen aus der Region Weinfelden, die zum Teil in derart kleinen Mengen produziert werden, dass sie nur beim Produzenten direkt bezogen werden können. Nur zögernd tasten sich die qualitätsbewussten Winzer und Kelterer an Modetrends heran. Leichte Rot- und fein abgestimmte Weissweine dominieren - Assemblagen und Barriques finden sich in Ausnahmen. Dank Naturreinheit und tiefen Alkoholgehalt sind die Chancen in einem sonst übersättigten Markt intakt.


Es fehlt nicht an Kreativität zur Förderung des Verständnisses beim Kunden für die in Kleinbetrieben produzierten Weine. So führen Tanja und Benno Forster auf ihrem Rebgut am Thurberg einen Rebbaukurs durch, der über vier Lektionen vom Erlesen im Mai bis zur Degustation im März des darauffolgenden Jahres die Weinproduktion erlebbar macht. Es versteht sich, dass man nicht nur das Kursdiplom sondern auch Flaschen der selbst mitgestalteten Tropfen nach Hause tragen kann.


Die innovative Confiserie Wellauer in Amriswil setzte dieses Jahr auf die Mariage von Schokolade mit Glenfiddich-Whisky (Bild). Edelschokoladen lassen sich mit nicht weniger edlen Bränden kombinieren, und von den stilvollen Köstlichkeiten zeigten sich besonders die Damen angetan. Auch ohne Whisky umwerfend waren die neusten Truffeskreationen aus dem Hause Wellauer, darunter ein zartschmelzendes Praliné mit Apfelbalsamico. Dass kreative Edel-Schokolade im Trend liegt, belegte auch die Präsenz der deutschen Manufaktur Coppeneur, die mit ihren Tafelschokoladen ins Hochpreissegment des Schweizer Detailhandels vorstösst.

Naturprodukte für Gaumen und Wellness

Verstärkt zeigte sich der Trend zu Gaumenfreuden, die Genuss und Gesundheit verbinden. Auch wenn die positive Wirkung einzelner Delikatessen auf das physische und psychische Wohlbefinden nicht in jedem Fall durch harte Aussagen beworben werden darf, fand der Gourmet Produkte, die noch vor wenigen Jahren als Geheimtipp im Reformhaus erstanden wurden.

SalutarisLine aus Altstätten im Rheintal verfügt über ein breites Angebot an Wellness- und Gourmetprodukten, die auch für Gastronomen von Interesse sind. Begeisterung verdiente der Kräuterbutter und die wundervoll reifen Früchte im Glas. SalutarisLine beliefert Privatkunden direkt über einen Webshop und setzt im Bereich der professionellen Kundschaft auf möglichst kompetente und umfassende Beratung vor Ort.

Fokussiert auf Pestos und Marinaden bildet Milerb in Uster mit Kräuteranbau in der Provence und Abfüllung in Ramsen ein von der Köchin Agnes Ryser entwickeltes Portfolio an naturnahen Würzkräuter-Einzelsorten und -Mischungen an. Durch schonende Herstellung bleiben die Aromastoffe der ausgereiften Produkte weitgehend erhalten. Und in kleinerem Rahmen überzeugt die Lebensmittel-Manufaktur von Matthias Rösch im Aargauischen Egliswil durch Aromaöle, unzählige Varianten von Essig und eingelegtem Gemüse (Bild: kaltgepresstes Seetaler Rapsöl).


Im Wellness-Segment haben selbst kleine Anbieter mit exklusiven Spezialitäten gute Marktchancen. Familie Reutimann in Unterstammheim, die für mehrere Kleinbrauereien Hopfen produziert, gewinnt im Frühjahr beim Austrieb der Pflanzen Hopfensprossen. Sie sind etwas grösser als Sojasprossen und im Geschmack mit Spargeln vergleichbar. Verkauft werden sie, solange Vorrat, im Glas oder an den Erntetagen auch frisch zur Weiterverarbeitung. Ein Kilo dieser kulinarischen Kostbarkeit kostet neunzig Franken, was angesichts des hohen Arbeitsaufwands als bescheiden erscheint.

Adi Merz betreibt in Herisau das Geschäft Samenkönig mit der gleichnamigen Website und vertreibt Kürbissamen und Kürbisöle aus der Produktion der Familie Pschait aus der Steiermark. Dass sich leckere Sämereien auch im Thurgau gewinnen lassen, beweist die Familie Kressibucher, die ihr bekanntes Sortiment an Rapsölen der Marke Naturoel durch geröstete Rapssamen ergänzte (Bild).


In Zusammenarbeit mit Kanadaschweizern entstand die Website «ahornsirup.ch». Vom naturreinen Sirup über Konzentrate bis hin zu Bonbons findet man fast alles, was man aus dem Saft der Zuckerahornbäume herstellen kann. Im Umfeld des Produkts werden Reisen und Multimediashows angeboten. Man erfährt viel Wissenswertes über die Ahornwälder und Maplesirup-Produzenten.

Schaukochen als Publikumsmagnet

Wer könnte die Verbindung zwischen Genuss und Landschaft besser vermitteln als Christian Moog, der erfolgreich die Küchen der Karthause Ittingen führt. Am späten Freitagnachmittag präsentierte er einen Schweinsbraten aus der eigenen, ökologischen Zucht. Mit Brot und Wein aus dem eigenem Betrieb und einem Feu Sacré für das erfolgreiche Konzept der Kathause begeisterte Moog sein Publikum.

Als Höhepunkt des Abends war der junge Berner Spitzenkoch und Patisserie-Weltmeister Ivo Adam angesagt, der durch seine Spontaneität nicht nur die Damenwelt begeisterte. Er präsentierte seine Pastakreation effektvoll mit einem Rap. Die Improvisation in Musik und Performance passte bestens zu seinem spielerischen Umgang mit der Kochkunst.

Auch der Frauenfelder Sonnebeck sorgte für Show: Markus Wirth demonstrierte die Herstellung von Champagnertruffes. Bemerkenswert ist auch deren Verpackung: alle Schachteln sind Unikate des Weinfelder Künstlers Heinz Hausmann.

Schon vor dem Messetermin waren die meisten der parallel zur Messe in den Restaurants von Weinfelden angebotenen Diners ausgebucht. Tatsächlich nahmen an den Abendveranstaltungen rund 1000 Personen teil, die bereit waren, für exklusive Tafelfreuden bis zu 120 Franken pro Gedeck auszugeben. Besonders originell gestaltete das Team von Jules Frei, Landgasthof Wartegg in Mühlheim-Wigoltingen eine Küchenparty im Thurgauerhof. Die Gäste hatten die Möglichkeit, sich in der Küche Speisen nach ihrem Wunsch individuell zubereiten zu lassen und die Künste ihres Kochs mitzuverfolgen.


Auch wenn man berücksichtigt, dass hinter der Schlaraffia sehr viel ehrenamtliche Tätigkeit steht und dadurch die Grösse der Veranstaltung begrenzt ist, wünscht man der Messe mehr überregionale Bedeutung. Der Agrarkanton Thurgau bietet der Schlaraffia weit mehr Möglichkeiten, als sie ausschöpft.

Wohl sind die Thurgauer Tourismus- und Agrarorganisationen präsent , doch die Verbindung von „Goût et Terroire“, wie sie an der gleichnamigen Messe in Bulle erfolgreich zelebriert wird, ist in Weinfelden wenig spürbar. Es fällt den Thurgauerinnen und Thurgauern schwer, sich zu ihrem Kanton als Agrarregion und zu seiner Ursprünglichkeit zu bekennen. Dies zeigt sich auch in der oft nur symbolischen Präsenz der Grossen der Nahrungsmittelbranche. Dass man sich in einer wichtigen Region für Obst- und Gemüsebau befindet, wurde nur durch einige trockene Broschüren vermittelt.

Thurella stellt auch Single Malt Whisky (Thursky) und Apfelsekt her (Bild). Die Grossmosterei gewann für die Neuheit «obi PUR» die Innovations-Goldmedaille «PIAS d‘Or 2005» der Agromarketing Suisse AMS. Dies ist besonderer Most: frischer, natürlicher und ohne den sonst merkbaren Kochgeschmack. Er wird unter Ausschluss von Sauerstoff gepresst.

Wie man diese Werte durch persönlichen Einsatz im kleinen Rahmen vermitteln kann, zeigte unter anderen Andrea Studer, die mit viel Charme die hervorragenden Käse aus ihrem Familienbetrieb in Hatswil bei Amriswil präsentierte. Monika und Roland Kauderer aus Steinebrunn warben ebenso erfolgreich für ihre Öpfelfarm wie die Familie Lehmann, Lanterswil für ihr Dinkelbrot aus dem Holzofen.

Den Veranstaltern ist bewusst, dass ein vermehrter Einbezug der Landwirtschaft und der Produzenten in der Region ein jüngeres, urbanes Publikum aus den grossen Agglomerationen ansprechen könnte. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die Schlaraffia, die fast 10'000 Besucher anzieht, über entsprechende Werbemittel verfügen und die im Zentrum von Weinfelden weitgehend improvisierte Infrastruktur weiter ausbauen. Überdenkenswert wären Schritte in diese Richtung auf jeden Fall.

Text: David Meili (dm)
Bilder: Guido Böhler

Weiterlesen: Delikatessen der Schlaraffia 2006

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