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Varia
24.4.2007
Schweizer Gourmetbrote und Extrawürste

Schweizer Konsumgewohnheiten unterscheiden sich entlang der Sprachgrenzen.



Beliebt in der Westschweiz: Saucissons – speckbetonte Rohwürste mit Kurzreifung und langer Garzeit. Zum warm essen.


Die Sprachgrenze zwischen Deutsch- und Westschweiz heisst im Volksmund zwar Röstigraben, aber auf beiden Seiten isst man Rösti. Trotzdem: kulinarisch bestehen regionale Vorlieben, vor allem bei Backwaren und Wurstwaren. Westschweizer Brote sind volumenbetonter und bestehen typischerweise aus hellem Mehl und Pouliche, einem Flüssighebel und schmecken dezent-elegant. Auch das Tessinerbrot ist ein Weissbrot. Das beliebteste Brot in der Westschweiz ist - wie in Paris - die Baguette.

Ostschweizer Brote dagegen schmecken eher rustikal und bestehen meistens aus dunklen Mehlen, oft aus alten Getreidesorten wie Urdinkel oder sie enthalten Körner. Und die luftig-lockeren Gipfeltypen der Ostschweiz werden gegen die Grenze zu Frankreich hin stetig buttriger und kompakter. Die Bergkantone Wallis und Graubünden stellen traditionell reine Sauerteig-Roggenbrote her. Fast jeder Kanton besitzt eigene traditionelle Brotsorten, die sich sowohl im Rezept wie auch in der Form stark unterscheiden.

Zopfgebäcke entstanden an vielen Orten Europas, aber der Berner Schriftsteller Jeremias Gotthelf setzte ihnen ein Denkmal in seinen Büchern über das Leben im Emmental. Heute sind sie die wichtigste Spezialsorte, vor allem am Wochenende. Bild: Reto Hausamman, Zürcher Zopfbeck.

Auch bei Konditoreiwaren bestehen Unterschiede West-Ost-Unterschiede: die Westschweizer verwenden mehr Früchtedekors, caramelisierten Zucker zur Geschmackgebung und dunkle Schokolade. Bei den Füllungen findet man die französische Mousse-Tradition heute auch in der Ostschweiz, und schwere Buttercremen sind auf beiden Seiten des Röstgrabens ein Auslaufmodell.

Viele regionaltypische Backwaren werden in allen Kantonen hergestellt, und national bekannt sind vor allem jene aus den Ferienkantonen. Nicht unerwähnt seien die regionalen Vorlieben bei Schokolade: eine helle Milchschokolade aus stark geröstetem Kakao ist in der Ostschweiz am beliebtesten, die dunkle findet dagegen traditionell mehr Liebhaber in der Westschweiz.

Beispiele regionaler Brotsorten
Luzern: Sauerteigweggen (Weizenruchbrot)
St.Gallen: Bürli (aus weich-flüssigem Ruchmehlteig)
Emmental: Butterzopf (Ankezüpfe) aus hellem Mehl, Milch und Ei
Freiburg: Safranbrot (Cuchaule)
Graubünden: Roggenbrot in Ringform
Welschland: Weissmehl-Baguette
Tessin: Tessinerbrot aus Weiss- oder Halbweissmehl und Pflanzenöl
Wallis: AOC-Roggenvollkornbrot mit Sauerteig


Freiburger Spezialität: Tarte au vin cuit (Kuchenteig-Fladen mit Füllung aus caramelisiertem Birnendicksaft) – nicht aus gekochtem Wein, wie der Name vermuten lässt.



Beispiele regionaler Konditoreiwaren
Graubünden: Nusstorte mit Baumnüssen, Caramel und Honig
Zug: Kirschtorte aus einem in viel Kirsch getränkten Biscuit
Bern: Zibelechueche (Zwiebelfladen) und Haselnusslebkuchen
Tessin: Panettone, Kastanientorte, Amaretti
Appenzell: Biber, ein Lebkuchen mit Mandelfüllung
Glarus: Glarner Pastete aus Blätterteig mit Dörrzwetschgen- oder Mandelfüllung
Freiburg: Nidelkuchen (Fladen aus Weggliteig mit caramelisiertem Rahm-Aufstrich) und Tarte au vin cuit
Emmental und Freiburg: Meringue (Eiweiss-Schaumgebäck) In mehreren Ostschweizer Kantonen ist Birnenbrot ein Aushängeschild (gefülltes Brot aus Dörrbirnen und andern Dörrfrüchten)

Beliebte Extrawürste

Die Schweiz ist auch ein Wurstland, und in den letzten Jahren holte sie verglichen mit Deutschland bei der Wurstvielfalt enorm auf. Zusätzlich zu kantonalen Spezialitäten werden immer mehr erstklassige und extravagante Kreationen angeboten – in der oft genannten Zahl von 400 Wurstsorten sind die Extrawürste aller einzelnen Metzgereien noch nicht eingerechnet. Im Gegensatz zu Deutschland findet Blut wenig Verwendung ausser in der Blutwurst oder zum Färben der Hülle. Und weniger Bedeutung besitzen streichfähige Rohwürste und die «Wurst im Glas».


Bisher eines der wenigen erfolgreichen Exportprodukte der Fleischbranche: Bündnerfleisch. Bild: von Peduzzi, Tinizong.


Bei den Wurstrezepten bestehen nennenswerte Unterschiede zwischen den Landesteilen: Die wichtigsten Wurstsorten in der Deutschschweiz sind die geräucherten und gepökelten Brühwürste Cervelat und Wienerli sowie die ungeräucherte, ungepökelte Kalbsbratwurst. In der Westschweiz sind Saucissons beliebt: Rohwürste mit Kurzreifung zum gekocht essen. Und das Tessin besitzt wie Italien eine Salamitradition.

Beispiele regionaler Metzgerei-Spezialitäten:
Tessin: Salami (meistens Rind- und Schweinefleisch gemischt) und Luganighe (fettbetonte grobkörnige Rohwurst mit Kurzreifung zum braten oder kochen)
Westschweiz: Saucisson: Rohwurst mit Kurzreifung zum gekocht essen mit langer Kochzeit. Fettgehalt rund 30%. Terrinen und Pasteten (Kochwurst)
Jura: Saucisson d’Ajoie GGA
Waadt: Boutefas GGA (Saucissontyp im Schweineblinddarm), Saucisson Vaudois GGA und Kabis-Saucisse
Genf: Longeole (Bild)


St.Gallen: Kalbsbratwurst: Brühwurst zum Braten
Appenzell: Siedwurst: Kalbrohwurst zum Pochieren
Bergkantone: Trockenwürste mit oder ohne Schimmelreifung wie Landjäger, Salsiz (Graubünden), Pantli (Appenzell), Hauswurst (Wallis, Uri). Sie bestehen immer aus Rind- und Schweinefleisch
Graubünden und Wallis: Trockenfleisch und Wild-Trockenwurst. Bündnerfleisch (Rindfleisch), Rohschinken
Bern: Zungenwurst (Brühwurst, heute ohne Zunge)

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