Food aktuell
Varia
28.4.2007
Werbestrategien optimieren

Mehr Niveau bei Produktwerbung: Tipps und Trends von Marketing-Experten des Gottlieb Duttweiler Instituts.



Mit steigender Vielfalt wird die Emotionalität immer wichtiger: Ein Beispiel dafür bietet ein Gemüsebauer, der 3'000 Tomatensorten anbaut und sie im eigenen Betrieb zu Saucen und Konserven verarbeitet. Seine Abnehmer sind Spitzenköche, Hobbygärtner und Konsumenten. Bild: alte Tomatensorten der Stiftung Pro Specie rara.


In neuartigen Nischen funktionieren traditionelles Marketing und PR nicht. Es wird immer alle Kanäle geben, aber innerhalb dieser mehr Interaktivität und die Notwendigkeit für neue Ideen. So sieht das auch der Zürcher Werber Dominique von Matt, Mitinhaber der Zürcher Werbeagentur Jung von Matt/Limmat: Der Konsument sei auf der Flucht, verstecke sich im Mediendschungel des «Digital Lifestyle»: «Nun gilt es, ihn mit Lust und List einzufangen.» – Bloss wie? Von Matt macht beim aktuellen Medienkonsum vier Entwicklungen aus:

1. Fragmentierung: Immer mehr Medien werden von immer weniger Menschen genutzt, «das Lagerfeuer Fernsehen wurde von der Medienflut gelöscht.»

2. Demokratisierung: Konsumenten entwickeln Inhalte selbst; auf YouTube finden sich beispielsweise TV-Spots für Marken, die so nie in Auftrag gegeben wurden.

3. Interaktion: Mit Internet und Handy bewegen wir uns hin zur Zwei-Weg-Kommunikation. Das Handy wird zum Multimedia-Center und ist das einzige Medium, das die Menschen täglich 24 Stunden erreichen kann.

4. Individualität: Der Konsument will einen Gegenwert bekommen für seine Einwilligung, Werbe-Botschaften zu empfangen. Das Niveau der Markenkommunikation muss daher mit dem TV-Programm gleichziehen.

In der Markenkommunikation verlangt die neue Mediennutzung nach neuen Strategien: in bestehenden Kanälen überraschen, neue Kanäle erschliessen oder erfinden, die Inhalte besetzen (etwa mit Product Placement) oder den Peer-to-peer-Kanal stimulieren. Gefragt sind medienneutrale, vernetzte Ideen, Kreativität wird wichtiger. Wer seine Marke zum «Talk of community» macht, wird die Nischen erobern. Entscheidend, so Werber von Matt, sei ein Mix von Web und PR: «Man versucht, etwas ins Netz zu stellen und medial zu hypen.»

Zentral im Nischen-Marketing sei zudem, klare Entscheide zu fällen. Was wiederum zu einer genauen Zielgruppenansprache führt. Erfolg hat, wer sich mit den richtigen Personen verlinkt, der «Linking Value» wird damit wichtiger als das Produkt selbst. Und seine Kunden gut zu kennen, ist das A und O. Marketing wird, wie David Bosshart sagt, zum «Societing».

Neues Marketing ist aber auch Discovery-Marketing: Erfahrene Konsumenten möchten Neues entdecken und benützen dazu Google – für Jugendliche ist die Suchmaschine gar ein Learning-Tool, mit dem sie sich sozialisieren. Hier ergeben sich neue Möglichkeiten, Märkte zu bearbeiten.

Totale Transparenz dank Internet

Wo es beim Marketing der Zukunft so richtig anspruchsvoll wird: Empfehlungen im Internet und Mund-zu-Mund-Propaganda erhalten einen hohen Stellenwert. Denn die wirklich relevanten Entscheidungen geschehen im Austausch der Konsumenten untereinander. Damit geht die Kontrolle zu den Kunden über. Das Modell des «Lonely Consumer» verliert an Relevanz, vielmehr gilt «WIR sind smarter als ICH.» Anbieter müssen beobachten, was ihre Kunden über ein Produkt wissen und wie sie miteinander umgehen, wenn sie im Web über Produkte kommunizieren. Und sie müssen mit ihnen in einen Austausch treten.

Doch mit steigender Vielfalt wird die Emotionalität immer wichtiger – David Bosshart: «What you cannot manage in fact, you must manage emotionally.» Kurze Botschaften und Authentizität gewinnen darum an Bedeutung, bieten Struktur und Einfachheit innerhalb der Vielfalt.

Aber Achtung, im Web 2.0 können Unternehmen nicht mehr lügen. Die totale Transparenz führt zum Zusammenbruch von Vertrauen. Immerhin hilft die Technologie bei der Rückkehr zu alten Formen des Vertrauens: Es entsteht in der Meinungsbildung von Kunden untereinander, über Reputation und über Feedback. Denn obwohl das Vertrauen in neutrale Experten (wie die in Deutschland weiterhin mächtige Stiftung Warentest) gut bleibt, werden die entscheidenden Gutachten in Zukunft in den «Communities 2.0» eingeholt. Diese Economy of Recommendations ist insbesondere bei Informationsprodukten wie Reisen, Gesundheit, Öko und Bio schon heute gut entwickelt.

Tomatenbauer liefert Saucen an Spitzenköche

Ein Beispiel dafür bietet der österreichische Bio-Gemüsebauer Erich Stekovics, der 3'000 Tomatensorten anbaut und verkauft. Stekovics hat seine Nische im natürlichen Anbau und der sorgfältigen Herstellung von Nahrungsmitteln gefunden. Die Tomaten verarbeitet er im eigenen Betrieb unter anderem zu Saucen und Konserven. Seine Abnehmer sind Spitzenköche, Hobbygärtner und Konsumenten in Österreich, Italien und Deutschland, die den «Geschmack der Kindheit» suchen.

Das Interesse an Stekovics’ Arbeit wurde mit der Zeit so gross, dass er sich eine Kunden-Strategie überlegen musste: «Ich habe mir meine Konsumenten gesucht, so wie ich mir meine Freunde suchen würde. Ich möchte, dass mir der Konsument viel Zeit schenkt», erklärt Stekovics. Darum geht er täglich mit Kunden auf drei- bis vierstündige Führungen durch seine Felder. Wer sich diese Zeit nehme, sei der wahre Kunde. «Ich möchte aus meinen Konsumenten Experten machen», so der innovative Bauer, der den Kunden bewusst Geschichten zum Erzählen mitgibt.

Doch Erfolge winken nicht nur beim Essen. Generell gilt es, selber Nischen zu schaffen. Den Märkten Europas rät Bosshart, ihre starke Tradition der Marken-Qualität weiterzuführen, um sich so hoffentlich auch in den BRIC-Staaten durchzusetzen. Schweizer Unternehmen könnten die Chancen aus der Kleinheit heraus innovativ und kreativ nutzen.

Noch konkreter zeigt dies Simon Threadkell, Retail Design Director bei Fitch, einem englischen Berater für Ladengestaltung. Seine Firma hilft Grosshändlern dabei, Nischen-Ideen in Massen-Segmenten umzusetzen. Denn die grossen Einzelhändler konkurrierten heute nicht mehr direkt miteinander, sondern beobachteten zunehmend, was kleine Player tun – zum Beispiel in Bezug auf Lokalisierung, um in regionalen Gemeinschaften Geschäfte zu öffnen und Teile der Communities zu werden.

Coffeeshop mit Galerie-Anmutung

Threadkells Praxisbeispiele umfassen das Gladstone Hotel, wo jedes Gästezimmer von einem anderen lokalen Künstler gestaltet wurde oder das Miss Sixty Hotel, mit dem eine Massen-Marke eine Nische gefunden hat. Starbucks-Salons wiederum ähneln eher einer Galerie als einem Coffee-Shop, und Nokia stellt für wenige Wochen Installations-ähnliche Shop-in-Shops in Malls auf. Und ein paar Nischen-Designer verkaufen ihre Waren in Los Angeles in einem Camping-Wagen.

Ob Hotel, Café oder Pop-up-Store: Der Nischenmarkt wird zu dem, was Detailhandel ursprünglich mal war: Ein persönliches Geschäft, wo der Kunde als Individuum behandelt wird; wo seine Bedürfnisse erkannt und verstanden werden; und wo zwischen ihm und dem Anbieter eine lang währende Beziehung besteht. Peter Wippermanns Warnung: «Für Unternehmen, die sich nicht auf Augenhöhe mit den Konsumenten treffen, die sie nicht ernst nehmen, kann es schwierig werden.» Zehn Thesen:

1. Das Vertrauen in Hersteller und Händler sinkt, das Vertrauen in die Referenz-Meinung anderer Kunden steigt.
2. Konsumenten schliessen Hersteller und Händler beim Netzwerken und Informationensammeln zunehmend aus.
3. Das Ende der «einsamen Konsumentin» – sie handelt immer mehr als Teil eines kollektiven Netzwerks.
4. Die Konsumentenmärkte von morgen sind auf gesellschaftlicher Ebene verbundene Märkte.
5. Zweit- und Drittmeinungen sind schneller und billiger erhältlich und selbst bei Spontankäufen die Norm.
6. «Linking Value»: Verbindungen sind wichtiger als das Produkt. 7. Im Netz fusst das Vertrauen auf dem Ruf. Rückmeldungen sind das neue Aphrodisiakum.
8. Im Web 2.0 sind Firmen-Lügen ein Relikt vergangener Zeiten.
9. Das Netz schafft soziales Kapital.
10. Die Macht verschiebt sich von B2B zu C2C.

Text: Medienmitteilung gdi.ch
Bilder: foodaktuell

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