Food aktuell
Varia
11.8.2007
Umdenken bei Convenience-Herstellung

Teil 2: über Hygiene und Haltbarkeit (Teil 1 siehe: Convenience selbst herstellen)


Welche der Convenienceherstell-Methoden ein Betrieb wählt, ist für jedes einzelne Produkt eine Optimierungsfrage. Zum Einen hängt die Wahl der Methode davon ab, wie gut sich eine Technologie für ein bestimmtes Produkt eignet, zum Andern spielt die Chargengrösse eine Rolle. Und prinzipiell bedeutet die Produktion von vorverpackter Convenience für Köche eine Umstellung im Gegensatz etwa zu den Metzgern – sie müssen umdenken im Vergleich zu Cook+Serve.

Zum Einen sollten Köche das Hygienekonzept in der ganzen Tragweite durchschauen sowie konsequent anwenden, und zum Andern sollte man sich mit industrieähnlichen Arbeitsabläufen anfreunden. Die Produktion vorverpackter Produkte, die zur Lagerung geeignet sind, bedeutet einen höheren hygienischen Schwierigkeitsgrad als das Kochen à la Minute zum Sofortverzehr. Korrekturmöglichkeiten wie Abschmecken oder Nachbinden bestehen nach dem Verpacken nicht mehr. «Erfolg hat nur, wer strikt nach Rezept arbeitet und die vorgegebenen Prozessparameter genau befolgt», betont Oliver Fischer, Produktionsleiter von Gate Gourmet.

Dieses Umdenken lässt sich in Kursen lernen, und Hugentobler bietet für sein Freeze’n’go-System auch eine Projektbegleitung in der Küche des Kunden an. Auch Hygieneexperte Walter Zollinger gibt Tipps: «Sinnvoll ist, wenige aber vielseitige Methoden zu verwenden wie MAP plus eine der Hitze-Anwendungsarten. Und nicht nur die Herstellung sondern auch die Warenbewirtschaftung kann zum Stolperstein werden: «first in – first out» darf nicht nur Theorie bleiben».

Rentabel auch für Kleinbetriebe

Ein genereller Kostenvergleich der einzelnen Methoden ist nur schematisch möglich, weil die Kalkulation der direkten und indirekten Kosten für Material, Personal, Amortisation und Logistik von vielen betriebsspezifischen Faktoren abhängen. Thomas Alex, Anwendungstechniker der Gas-Firma PanGas in Dagmersellen, welche auf MAP spezialisiert ist, nennt als Faustregel ein Kostenverhältnis von 1 (Gas) : 5 (Packmaschine) : 10 (Verpackung) : 100 (Rohstoffe). Die Personalkosten erwähnt er nicht, weil sich diese von der einen zur andern Methode nicht wesentlich unterscheiden.

Dies bestätigt man auch bei Elro Werke in Bremgarten, welche den den Betrieben oft das Equippment liefert. Personal- und Verpackungsmaterialkosten sind jedoch umso höher, je kleiner die Packungen sind. Bei Kleinpackungen sinken ferner die Packmaschinen-Kapazitäten drastisch. Auch Fischer konstatiert, dass «Hotfill die günstigste Methode ist und MAP die teuerste wegen der Beutel- und Gaskosten». Nicht enthalten in der Pangas-Faustregel sind die Energie- und Wasserkosten, und diese hängen von der Apparateart ab sowie von deren Isolationsgrad und dem Gerätemanagement.



Halbautomatische Convenience-Verpackungsmaschine von Multivac mit Schutzgas


Und bei den Kapitalkosten für die Apparate spielt der Betriebstyp eine grosse Rolle: In einer Küche stehen ohnehin Combisteamer, und diese werden meistens am Morgen für die Produktion genutzt und sind nachher für das Pasteurisieren frei. Die Amortisation kann daher als Fixkosten angesehen werden. Aber ein Betrieb, der Handelsprodukte herstellt, sollte kostenwahr kalkulieren und die Amortisation als direkte Kosten betrachten. Umgekehrt gibt es keine untere Mengengrenze für die Rentabilität von Inhouse-Convenience. «Es gibt auch kleine Restaurants, die Sousvide rentabel produzieren», weiss Josef Hildebrand, Verkaufsleiter des Verpackungsmaschinen-Spezialisten Multivac in Hühenberg.

Sensorische Qualität vor Hygiene?

Die Haltbarkeit von Kühlfrisch-Convenience richtet sich nicht nur nach dem Kriterium «kein beginnender Verderb» sondern auch nach einer hinreichend guten geschmacklichen Frische und Nährwert. Nicht zu vernachlässigen ist daher der Vergleich von Cook+serve zu Convenience vor allem am Ende der Lagerdauer: Der Vitamingehalt und vor allem der Geschmack bauen sich stetig ab während der Lagerung. Dies geht aus einer Literaturstudie von Michael Kauer hervor, bis Ende Februar 2007 Dozent an der Hochschule Wädenswil.

Die Geschmacksqualität von gekühlter Fleisch- und Fisch-Convenience sinkt um 1.5 Punkte auf einer 9-Punkteskala während zwei Wochen. Bei Gemüse beträgt der Verlust 1.5 Punkte, ebenso bei Teigwaren oder Reis. Ein Abbau im selben Rahmen geschieht bei TK-Waren, allerdings im Zeitraum von sechs Monaten. Auch die Gehalte an den Vitaminen C, B1 und B2 sinken in beiden Produktegruppen ein wenig, allerdings sind deren Verluste grösser bei einem allfälligen Übergaren und Warmhalten.

Gemäss dem deutschen Vitamin-Experten Antal Bognar finden die grössten Vitamin C-Verluste von Gemüse beim offenen Garen statt sowie beim unverpackt Kühllagern (abgesehen vom schlimmsten Vitaminkiller, dem Warmhalten). Das Sousvide-Verfahren kommt nahe an die grob zwanzig Prozent Verluste von Cook+Serve heran, wenn man die Produkte innert vier Tagen verbraucht. Bild: Sousvide-Herstellung im Combisteamer.


Mehr als doppelt so hoch steigen die Verluste beim Cook+Chill in GN-Schalen und anschliessender dreitätiger Lagerung ohne Vakuum. Dazwischen liegen die Nacka-Produkte. Gestützt auf diese Erkenntnisse sollte ein qualitätsorientierter Betrieb eine sensorisch ermittelte Laufzeit festlegen, die durchaus unter der mikrobiologischen Haltbarkeit von zwei bis drei Wochen liegen kann. Für den Eigengebrauch kann man die Produktionsrhythmen so anpassen, dass beim Lagern weder sensorische noch hygienische Einbussen entstehen. Aber bei der Herstellung von Handelsprodukten spielen weitere Kriterien eine Rolle wie die von Wiederverkäufern und Konsumenten erwarteten Laufzeiten.

Haltbarkeiten variieren

Wer Convenience herstellt, sollte nicht versuchen, die Haltbarkeiten der einzelnen Produkte von andern Herstellern «abzuschreiben». Er muss sie - gestützt auf seine eigenen Prozessbedingungen, Rohstoff- und Personalhygiene-Standards – selbst durch Lagerversuche festlegen und dies am besten in enger Zusammenarbeit mit einem Mikrobiologielabor. Das Zürcher Labor Zollinger analysiert die Gesamtkeimzahl als Indikator für die Kühlkette und die Enterobakterien als Indikator für die genügende Erhitzung bzw Vermeidung von Rekontamination. «Bei heiklen MAP-Produkten kann eine Listerienbestimmung hinzukommen, da Listerien kältetolerant sind», erklärt Labor-Inhaber Walter Zollinger.

«In der Praxis sind als maximale Haltbarkeit zwei Wochen sinnvoll plus nach dem Anbruch zwei bis drei Tage», rät der Experte. «Aber die Produkteigenschaften wie der Anfangskeimgehalt und der pH-Wert besitzen tendenziell mehr Einfluss als die Methode: je keimärmer und saurer ein Produkt ist, desto besser haltbar wird es». Wichtige Voraussetzungen für die Lebensmittelsicherheit von Chilled Food sind daher keimarme Zutaten und Sorgfalt bei der Soll-Kerntemperatur sowie der Prozess-Systematik.

«Chilled Food-Herstellung darf keine Restenverwertung sein», mahnt Zollinger. Er stellt bei den Monitorings seiner Kunden keine grossen Unterschiede bei den Keimzahlen am Ende der Haltbarkeit fest sondern rät, eine wirklich geeignete Methode für ein fragliches Produkt anzuwenden: «Beispielsweise eignet sich Hotfill eher für Flüssigkeiten als für stückige Füllgüter wie Reis, die beim Abfüllen zu raschen abkühlen wegen der grossen Oberfläche». Bild: Hotfill-Convenience von Gate Gourmet.


Korrekt kühl gelagerte Sousvide-Produkte sind nach zwei Wochen in besserem Zustand als unverpackte Cook+Chill-Ware nach vier Tagen. Frisch produziert enthalten sie kaum hundert Keime pro Gramm sofern sorgfältig hergestellt. Nach drei Wochen sind es gemäss Erfahrung von Zollinger noch unter tausend Keime, also wesentlich weniger als der gesetzliche Toleranzwert von einer Million. Nicht dezimieren kann man beim Pasteurisieren die bakteriellen Sporen, aber diese keimen bei konsequenter Kühlkette oder unterhalb von pH 4.5 nicht aus.

Bei Gate Gourmet wird die Haltbarkeit je nach Produkt auf ein bis zwei Wochen datiert, «aber das Produkt wird meistens innert einer Woche aufgebraucht», betont Fischer. Er legt die Laufzeit von Nacka, Sousvide und Hotfill auf zwei Wochen fest, aber bei gegarten Speisen mit MAP auf neun Tage. Bei «gemappten» Rohprodukten gibt es keine Faustregel: da ein CCP in Form von Hitze fehlt, hängt die Haltbarkeit von der Anfangskeimzahl ab, welche stark schwanken kann.

Dementsprechend variieren die Erfahrungen von Fischer mit den Keimzahlen am Ende der Haltbarkeit: «Bei MAP-Produkten können sie höher sein als bei den einmalig erhitzten (Sousvide und Hotfill) bzw bei den zweimal erhitzten (Nacka)». Der limitierende Faktor für die Haltbarkeit ist nicht eindeutig der Mikrobiologie oder der sensorischen Qualität zuzuordnen. «In der Praxis ist eher die Mikrobiologie limitierend», meint Zollinger. Dies hängt aber davon ab, welche sensorischen Qualitätsansprüche ein Betrieb sich selbst auferlegt.

Auch Überraschungen sind möglich: Sousvide-Saucen schmecken teilweise nach einigen Tagen harmonischer als am ersten Tag, weil erst mit der Zeit die Geschmacksstoffe aus den Gewürzen in die andern Zutaten übergehen. Bei Hugentobler weist man darauf hin, dass bei Freez’n’go die Würzstoffe dank des Vakuums besser in die Komponenten eindringen - mit dem selben Effekt.

Weiterlesen: Was meinen Kochexperten zu Convenience?

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