Food aktuell
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10.11.2007
ZHAW-Tagung 08: Erkenntnisse zu Functional Food

«Functional Food: Chancen und Risiken für die Lebensmittelwirtschaft»: Erkenntnisse der 3. Wädenswiler Lebensmitteltagung 26. und 27. Oktober 2007


Wie jedes Jahr organisierte das Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovationen des Departements Life Sciences und Facility Management der ZHAW (vormals Hochschule Wädenswil HSW) auch 2007 eine Lebensmitteltagung. Ziel dieser Tagungen ist es, den verschiedensten Akteuren des Lebensmittelmarktes Gelegenheit zu bieten sich vertiefter mit einem bestimmten Themenbereich auseinanderzusetzen.

Das diesjährige Thema - unter dem Patronat des Swiss Food Net, der SGLWT und der SVIAL - betraf das Konzept der Functional Food, welches aus verschiedensten Blickwinkeln kritisch betrachtet wurde. Anhand ausgewählter Beispiele der verschiedensten Bereiche, wurde das Konzept erläutert und der heutige Stand des Wissens dargelegt. Referate aus der Grundlagenforschung zeigten auf, wo wir heute stehen und wohin die Reise führen könnte. Neben technologischen Erläuterungen wurden auch lebensmittelrechtliche und marktanalytische Überlegungen dargelegt.

Jacqueline Javor Qvortrup, Dozentin am ILGI, konnte mehr als hundert Teilnehmende zur Fachtagung begrüssen. Sie alle folgten gespannt den Referaten und liessen sich Produkte und Dienstleistungen der ausstellenden Firmen Varistor AG, Obipektin AG, DKSH Switzerland, IMPAG AG und der TRINOVA Handel- und Marketing AG erläutern.

Referenten/Themen 1. Tag: 26. Oktober 2007 Herr Finn Holm, Director Food Group Denmark & Nordic Nutriscience, Dänemark “Market trends and the scientific challenge”

Herr Holm hielt in seinem Referat fest, dass Functional Food immer noch einen kleinen Teil unserer Ernährung ausmachen. Allerdings seien nach wie vor grosse Zuwachsraten zu verzeichnen. So hat beispielsweise der jährliche Produktionswert von Functional Food die 50 Milliarden Euro Grenze überschritten, dies bei einem Wachstum von jährlich sieben Prozent. Functional Food finden sich insbesondere unter den Milchprodukten (20 Prozent), Backwaren (15 Prozent) sowie Fetten und Ölen.

Herr Dr. Hagen Schroeter, Masterfoods, USA „Grundlagenforschung: Plyphenole in Schokolade“

Herr Schroeter erläuterte die Bedeutung der Flavonole und stellte fest, dass die Konsumation von gewissen Kakaoprodukten den Blutfluss wie auch die Blutgefässe positiv beeinflusst. Es spielt dabei keine Rolle wie dunkel die Schokolade ist, entscheidend sei wie viele aktive Ingredienzien (Flavonole) vorhanden sind, so der Referent. Er erklärte, dass die Art der Flavonole und die in der Schokolade vorkommenden Mengen wichtig ist, um einen positiven Einfluss entfalten zu können.


Cocoanox von Obipektin: Polyphenol-Konzentrat mit 12% Polyphenol in Pulverform. Die Schokolade enthält davon 300mg/100g und schmeckt kaum adstringierend. Die Polyphenolanreicherung im Kakao geschieht über die Steuerung der Fermentation.



Frau Dr. Raija Tahvonen, University of Turku, Finnland „The role of Functional Foods in Finnland“

Frau Tahvonen unterstriech die Schwierigkeit der Definition und Abgrenzung zwischen Heil- und Lebensmittel. Das Wachstum der Functional Food liegt in Finnland bei 15 Prozent jährlich und wird als Chance in den hart umkämpften Märkten im In- und Ausland betrachtet. Der Heimmarkt Finnland begünstige solche Produkte, da Finnen gesundheitsbewusster seien und demnach Functional Food aufgeschlossener gegenüber stehen als vergleichbare Länder, so die Referentin. Die häufigsten Konsumenten von Functional Food in Finnland sind gesunde Frauen mittleren Alters, andere Konsumentengruppen sind noch kritisch eingestellt.

Frau Tahvonen erläuterte am Beispiel von Xylit in Kaugummi und Süsswaren, dass neben bekannten Eigenschaften auch unbekannte zur Diskussion stehen, wie beispielsweise Effekte bei Osteoporose oder Mittelohrentzündungen. Weitere diskutierte Beispiele sind Probiotika sowie Fette und Öle (Benecol). Als neue Innovation wurde YOSA vorgestellt, ein probiotischer Joghurt auf Hafer Basis, der sowohl für Lactose intolerante Personen wie auch für Vegetarier geeignet ist.

Neben den gesundheitsfördernden Probiotika erfolgt eine Gesundheitsförderung auch durch den Hafer selbst. Weitere innovative Produkte sind Profeel zur Gewichtskontrolle und Ryewonder, ein multifunktionales Brot. Nach Meinung der Referentin werden zukünftige Produkte das Immunsystem, den Hormonhaushalt sowie generell eine Verlängerung der Jugendlichkeit und des Wohlbefindens ins Zentrum des Interesses rücken.

Herr Dr. Thomas Walter, Orafti „Potenzial von Functional Food aus der Sicht der Firma Orafti“

Die Umsetzung und Vermarktung von modernen Lebensmitteln mit Beneo Inulin, einer markenrechtlich geschützten Nahrungsfaser, erklärte Dr. Thomas Walter. Anhand zahlreicher Beispiele zeigte er in welchen Produkten solche Nahrungsfasern eingesetzt werden und wie die Vermarktung einer solchen Nahrungsfaser erfolgt. Basierend auf dem Beispiel aus der Textilindustrie, wo Goretex zu einem Synonym wurde für gute Qualität eines Kleidungsstückes das wind- und wasserfest ist, verfolgt die Firma Orafti einen ähnlichen Ansatz.

Lebensmittel werden, neben den üblichen Auszeichnungen mit dem Beneo Logo markiert, um den Konsumenten einen rasche Erkennung des Mehrwertes dieses Produktes zu ermöglichen. Denn die fundiertesten wissenschaftlichen Daten sind für eine Vermarktung von Functional Food nicht brauchbar, wenn sie nicht in eine für den Konsumenten erkennbare Botschaft übersetzt werden, so der Fachmann. Damit wird ein neuer Trend eingeläutet, der mit dem Begriff des „Ingredient Brands“ umschrieben werden könnte.

Herr Dr. Franz Timmermann, Cognis GmbH / IMPAG AG, Schweiz „Cholesterin – ein Erfolgsbeispiel für Functional Food“

Dr. Franz Zimmermann erläuterte am Beispiel der Pflanzensterole die Bedeutung von Functional Food und zeigte deren Erfolgsgeschichte auf. Weltweit werden rund 12’000 Tonnen Sterole und Sterolester für Anwendungen zur menschlichen Ernährung eingesetzt, wobei diese in mehr als 150 Lebensmittel und Supplements enthalten sind. Diese Menge kreiert damit einen Gesamtwert von cirka 1,5 Milliarden Euro für sterolhaltige Produkte. Mehr als 80 Prozent fallen dabei auf Margarine und Milchprodukte.

Als Erfolgsfaktoren wurden genannt: der Produktbedarf, die Akzeptierung der Substanz, das Verständnis des Nutzeffekts, das Vertrauen in die Marke, die Differenzierung durch Convenience, Geschmack oder Verpackung sowie die Zusammenarbeit mit einem starken Ingredienz-Partner. Massgebend war insbesondere, dass Herzkrankheiten eine ständige Besorgnis in allen Industriestaaten darstellen. Für die Schweiz bedeut dies: über 22’000 Todesfälle im Jahr 2006 durch Herzerkrankungen (37,3 Prozent aller Todesfälle), rund 2,4 Millionen Einwohner mit einem erhöhtem Chloresterinspiegel.

Neben den schon „traditionellen Anwendungen“ rücken weitere Produkte, wie Backwaren und Sojagetränke in den Mittelpunkt des Interesses. Neben den klassischen Pflanzensterole erfolgen weitere Anwendungen durch den Einsatz von konjugierter Linolsäure zur Verringerung des Körperfettanteils, Luteinester für die Augengesundheit oder Omega- 3-Fettsäuren für das Herz und das Gehirn.

Herr Dr. Peter Kaufmann, Selectchemie, Schweiz „Marketing von Functional Ingredients – ein Praxisbericht“

Anhand eines Praxisberichtes erläuterte der Referent wie Selectchemie funktionale Ingredienzien identifiziert und einer Vermarktung zuführt. Wichtige Quellen zur Auswahl funktionaler Ingredienzien sind dabei auch Trends im asiatischen Raum. Einschränkend wirken dagegen die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen in den verschiedensten Ländern. Zudem unterliegen diese gesetzlichen Vorgaben zahlreichen Änderungen. Diese einzuhalten stellt für Betriebe eine ganz besondere Herausforderung dar. Peter Kaufmann forderte eine offene Kommunikation zwischen der Wissenschaft, den Behörden und den Konsumenten.

Herr Prof. Dr. Christophe Lacroix, Laboratory of Food Biotechnology, Institute of Food Science and Nutrition, ETH Zurich, Schweiz „Grundlagenforschung im Bereich Functional Food“

Die Verwendung von Probiotika, also der Aufnahme von Bakterien, welche die menschliche Darmflora günstig beeinflussen können, ist heute mehr als nur ein Konzept und findet sich in zahlreichen Anwendungen. Ein bei der Geburt ursprünglich keimfreier Darm wird in kürzester Zeit durch verschiedenste Bakterien besiedelt und spätestens im Alter von zwei Jahren findet sich eine stabile Mikroorganismenpopulation von 500 bis 1000 verschiedenen Arten, von denen heute erst ein Bruchteil beschrieben wurde. Die Bedeutung einer gesunden Mikroorganismenflora ist heute unbestritten.

Das Zusammenspiel der „guten“ und „schlechten“ Mikroorganismen ist eine der zentralen Frage in der Grundlagenforschung von Probiotika. Erst wenn diese Zusammenhänge aufgeschlüsselt sind können Probiotika eingesetzt werden. Wobei dann die technologischen Fragestellungen, z.B. die Stabilität solcher Produkte, in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Effizientere Fermentertechnologien können zu effizienteren Produkten und einer grössere Auswahl an Stämmen, die als Probiotika eingesetzt werden, führen.

Frau Elisabeth Nellen-Regli, Bundesamt für Gesundheit BAG, Schweiz „Lebensmittelrecht: Anmeldung, Auslobung, Anforderungen an wissenschaftliche Beweise“

Elisabeth Nellen-Regli erläuterte die rechtlichen Grundlagen in Zusammenhang mit Functional Food. In Ermangelung einer rechtlichen Definition wird folgende Arbeitsdefinition beim BAG verwendet: „Functional Food sind Lebensmittel mit einem spezifischen Zusatznutzen, der über den ernährungsphysiologischen Nutzen der darin enthaltenen Nährstoffe hinausgeht.“ Es wurde klar gemacht, dass nach wie vor das Positivprinzip seine Gültigkeit hat und demnach Produkte, die nicht in Art. 5 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenstände-Verordnung aufgeführt sind eine entsprechende Bewilligung bedürfen. Entsprechende Prozeduren und Formulare sind unter www.foodinfo.ch einsehbar.



Elisabeth Nellen-Regli vom Bundesamt für Gesundheit BAG erläuterte die rechtlichen Grundlagen in Zusammenhang mit Functional. Food.


Für eine Bewilligung von Functional Food braucht es: das Gesuchsformular, die Rezeptur sowie die Spezifikationen der eingesetzten Zutaten und Zusatzstoffe, ein Etikettenentwurf, ein Warenmuster sowie Analysen und wissenschaftliche Studien. Basis für eine Bewilligung ist dann die Einhaltung des Täuschungsverbotes und des Heilanpreisungsverbotes. Bezüglich der wissenschaftlichen Grundlagen werden allgemeingültige Publikationen, welche die gewünschten Aussagen untermauern beurteilt. Zudem sind produktspezifische Aussagen durch entsprechende Studien zu belegen.

In der Schweiz wird lebensmittelrechtlich die Vorgabe der EU Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmitteln (1924/2006) soweit als möglich in die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung übernommen.

Herr Prof. Dr. Robert-Jan Brummer, Top Institute Food and Nutrition, Niederlande „Introduction to basic and applied research in the discovery and development of Functional Food“

Professor Brummer zeigte auf, wie Forschung in den Niederlanden zu Functional Food organisiert und betrieben wird. Diese unterscheidet sich in Zahl und Ansatz deutlich von der Forschung in der Schweiz. Ausgehend von den Bedürfnissen der Konsumentinnen und Konsumenten werden in den Niederlanden entsprechende Forschungsschwerpunkte definiert. Damit differenziert sich dieser Ansatz auch deutlich vom Forschungsansatz der Pharmaindustrie. Der Referent zeigte auch auf, welche Rolle die Regulierung für die Forschung an Functional Food in den Niederlanden hat.

Herr Daniel Andris, Swiss Re, Schweiz „Food risks – an Insurers Perspective“

Herr Andris erläuterte, dass auch im Umfeld von Lebensmitteln eine gesamtheitliche Risikobetrachtung zentrales Element einer Risikoanalyse darstellt. Risikoanalyse und Risikokenntnis bilden dann die Grundlage für die Quantifizierbarkeit eines Risikos und damit für die Entscheidung über die Versicherbarkeit eines Risikos. Ein gutes Risikomanagement bildet die Voraussetzung zu proaktivem Handeln. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass Risiken sich im Lauf der Zeit durchaus verändern und entwickeln können. Mit dem Konzept der Proaktivität wird entsprechend Spielraum und Zeit zum Handeln geschaffen.

Herr Claude Maurer, Credit Suisse, Schweiz „Funktioniert Functional Food auch finanziell? Betrachtungen aus makroökonomischer Sicht“

Herr Maurer versuchte in seinem Referat das wirtschaftliche Potenzial von Functional Food abzuschätzen. Dank erfreulicher Konjunktur prognostiziert man dem Functional Food Markt kurzfristig weiterhin gute Aussichten. Mittelfristig wird mit einem hohen Nachfragepotenzial gerechnet, allerdings wird mit dem Detailhandel immer härter über Konditionen diskutiert werden müssen. Dank intensivem Konkurrenzkampf nimmt der Preiswettbewerb aber auch der Innovationswettbewerb weiter zu. Entscheidend für den Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens dürften aber hauptsächlich die mikroökonomischen Einflüsse sein. Functional Food funktioniert finanziell: denn nur durch einen Zusatznutzen ist dem Konsumenten mehr Geld aus der Tasche zu locken. Aus Sicht der Banken erscheinen die Wachstumschancen für Functional Food intakt.

Herr Philipp Berger, AC Nielsen „Functional Food aus Sicht der Marktforschung“

Herr Berger zeigt in seinem Referat auf, dass, neben anderen strukturellen Trends, der Detailhandel einen markanten Ausbau des Sortimentes durch Produkte mit einem gesundheitlichen Zusatznutzen aufweist. Dieser Trend zeige sich auch bei der globalen Betrachtung aller Lebensmittelkategorien. Am stärksten wachsen die Produkte mit einem funktionalen Nutzen, es wachsen aber auch die Convenience- & Frisch-Produkte.

Der Vergleich der Schweiz mit dem europäischen aber auch mit dem weltweiten Trend zeigt, dass wir in unserem Kaufverhalten noch nicht so oft zu Functional Food greifen. Gründe dafür sind der Preis, aber auch das fehlende Vertrauen, dass diese Produkte einen tatsächlichen gesundheitlichen Mehrnutzen liefern. Erst wenn dieses Vertrauen aufgebaut wird, wie beispielsweise bei den Joghurts, kann mit diesen Produkten eine grosse Zahl von Konsumenten erreicht werden. Diese sind dann auch bereit sich sehr oft mit diesen Produkten zu versorgen.

Frau Franziska Troesch-Schnyder, Konsumentenforum kf, Schweiz „Functional Food aus Konsumentensicht“

Frau Troesch-Schnyder wies darauf hin, dass sich die soziodemografischen Faktoren in den nächsten Jahrzehnten noch weiter verändern werden. So wird beispielsweise bis 2040 eine Zunahme der über 60-jährigen von 63 Prozent prognostiziert. Diese Bevölkerungsgruppe will aber weiterhin aktiv und jung bleiben. Bereits heute achten, nach eigenen Aussagen, 75 Prozent der Schweizer Bevölkerung auf ihre Ernährung und sind sich bewusst, dass das Krankheitsrisiko mit schlechten Ernährungsgewohnheiten steigt.

Trotzdem essen diese Personen nur 1,7-mal täglich Obst und 1,3-mal Salat oder Gemüse. Mögliche Gründe dafür sind der Zeit- oder Kostendruck. Verschiedene Lebensmittelskandale und widersprüchliche, sich ständig ändernde Aussagen betreffend gesundheitsfördernden bzw. -schädigenden Lebensmittel haben zu einer Verunsicherung bei den Konsumentinnen und Konsumenten geführt.

Von Functional Food verspricht sich der Konsument Gesundheit und Sicherheit trotz Stress und Zeitmangel. Allerdings nur dann, wenn die Informationen transparent und leicht verständlich sind, der Nutzen nachweisbar ist und wenn Täuschungen ausgeschlossen werden können. Functional Food erfüllen, aus Sicht der Konsumentenorganisation, nur dann ihren Zweck, wenn gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass Functional Food eine Ergänzung zur gesunden und bewussten Ernährung sind, aber niemals Ernährungsfehler beheben. (Text: ZHAW, Bilder: foodaktuell)

Weiterlesen: Welcher Functional Food ist sinnvoll?

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