Food aktuell
Varia
11.2.2008
Importstopp verteuert Bündnerfleisch



Bündnerfleisch, der Exportschlager unter den Fleischwaren wird im Ausland teurer. Der Grund liegt beim der Importstopp für das brasilianische Rindfleisch. Diesen Rohstoff anderswo zu besorgen, ist schwierig.


Am 31. Januar 2008 hat die EU sämtliche Rindfleischimporte aus Brasilien gestoppt. Grund dafür ist die mangelnde Rückverfolgbarkeit auf brasilianischen Betrieben und Hygienevorschriften, die Brasilien nicht erfüllte. Die Schweiz muss beim Importstopp mitziehen – sie ist durch das bilaterale Veterinärabkommen an die EU gebunden.

Vom Importstopp besonders hart betroffen sind die Bündnerfleischproduzenten. Bündnerfleisch wird aus speziellen Stücken der Oberschenkelmuskulatur des Rindes hergestellt. Und diese edlen Fleischstücke, die so genannten Binden, werden aus Brasilien importiert (siehe Kasten).

Die Ware, die vor dem Importstopp bestellt wurde, kann gegenwärtig noch importiert werden. Der Stopp schlägt aber schon gehörig auf die Preise. „Während wir an der Grenze für brasilianische Binden im November 2007 noch 6.50 Franken pro Kilogramm bezahlt haben, müssen wir heute 9.50 Franken bezahlen”, sagt Andrea Weisstanner, Chef der Bündnerfleischproduktionsfirma Surselva in Landquart. Auch Marc Jansen, Geschäftsführer des Fleischimporteurs VB Food International AG, spricht von einer Preissteigerung für Binden von mindestens 50 Prozent.

Deklarationsprobleme

Kann der Rohstoff für die Bündnerfleischproduktion künftig nicht mehr aus Brasilien beschafft werden, müssen Alternativen her. Uruguay und Argentinien wären laut Jansen mögliche Ausweichsländer. Doch brasilianische Binden liessen sich schlecht ersetzen, das Angebot an Rindsbinden sei nirgends so gross und die Fleischqualität nirgends so geeignet für die Bindenproduktion wie in Brasilien. Bei argentinischem Fleisch komme erschwerend die Deklarationspflicht hinzu.

„Während bei brasilianischem Fleisch bis auf die Herkunft keine weitere Deklaration vorgeschrieben ist, muss Fleisch aus Argentinien und Uruguay mit dem Zusatz von Hormon- oder Antibiotikabehandlung versehen werden”, sagt Jansen. Die Brasilianer konnten die EU und die Schweiz davon überzeugen, dass in ihrem Land weder das eine noch das andere verwendet werde.

Fett schreckt Konsumenten ab

Ein weiteres Problem ist die Beschaffenheit des Fleisches. Die argentinischen Binden seien im Vergleich zu den brasilianischen mit weissen Fettäderchen durchzogen, sagt Weisstanner. „Obschon die Fleischqualität nicht darunter leidet, sieht aus argentinischen Binden produziertes Bündnerfleisch in den Augen der Konsumenten schlechter aus.” Zudem befürchtet er, dass Brasilien immer weniger auf die Abnehmer in Europa und Schweiz angewiesen sei. „Russland, China und der Nahe Osten kommen auf den Fleischgeschmack.” Dort könnten die Brasilianer immer mehr Edelstücke absetzen.



Trocknung von Bündnerfleisch in der Klimakammer. Die Wasserabgabe liegt je nach Produkt im Bereich von 30 bis 55%. Damit wird eine Absenkung des aw-Wertes unter 0.93 und ein Restwassergehalt von 3 bis 10% angestrebt. Die Trocknungsdauer liegt bei 2 bis 4 Monaten.

Das Trocknen findet idealerweise bei Temperaturen 10 bis 14°C bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75 bis 80% statt. Zwecks Vermeidung von Trockenrändern sollte die Luftumwälzung in dieser Phase nur gering sein.


Unabhängig davon, auf welche Länder die Schweizer Importeure und Bündnerfleisch-Produzenten nun ausweichen, die Beschaffung der Rindsbinden wird teurer. Und weil hauptsächlich ausländische Rindsbinden in der Schweiz zu Bündnerfleisch verarbeitet und wieder ins Ausland verkauft werden, steigen die Preise im Export.

„Wenn die Preise für Bündnerfleisch im Ausland steigen, geht logischerweise auch der Konsum zurück”, sagt Andrea Mani, Verbandspräsident der Bündnerfleischproduzenten. Auch auf dem inländischen Markt ist laut Bündnerfleischproduzent Weisstanner mit einem Preisanstieg zu rechnen. „Die Preise für Schweizer Rinder steigen.” Dieser Preisanstieg sei aber nicht dramatisch, sondern eine Folge der allgemeinen Teuerung.

Wie lange der Importstopp über Brasiliens Rindfleisch verhängt bleibt, weiss niemand so recht. Laut Marcel Falk, Sprecher beim Bundesamt für Veterinärwesen (BVET), ist dies allein von Brasilien abhängig. „Sobald Brasilien der EU eine Liste mit all den Schlachtbetrieben liefert und bei diesen die Rückverfolgbarkeit und die Hygieneauflagen garantieren kann, wird der Importstopp für diese Betriebe sofort wieder aufgehoben.” Anfang März werde eine EU-Delegation zur Inspektion nach Brasilien reisen.

Weniger Betriebe zugelassen

Wann die Grenze für brasilianisches Rindfleisch wieder geöffnet wird, ist also noch nicht klar. Klar ist hingegen, dass nach einer möglichen Aufhebung des Importstopps bei Weitem nicht mehr alle brasilianische Schlachtbetriebe Rindfleisch in die EU exportieren können, die es bis anhin taten. Denn die EU will bei den Kontrollen künftig rigoroser vorgehen.

Bevor die EU den Importstopp verhängt hat, konnten laut Falk einige tausend brasilianische Betriebe ihr Rindfleisch in die EU und in die Schweiz exportieren. Importeur Jansen sagt: „Löst die EU das Importverbot wieder auf, wird die Anzahl Rindfleischproduzenten, die exportberechtigt sind, massiv sinken.” Jansen rechnet damit, dass vorerst wohl nur noch Tiere von 300 Betrieben für den Export in die EU und die Schweiz zugelassen werden. Dem hält Falk vom BVET entgegen: „Auch wenn die EU kurzfristig nur wenige Betriebe wieder zulässt, kann sich die Anzahl Betriebe längerfristig vergrössern, wenn Brasilien die Rückverfolgbarkeit und die Hygieneauflagen garantiert.”

Verbandspräsident Mani jedenfalls lässt sich vom gegenwärtigen Importstopp nicht beunruhigen. „Beim Importstopp handelt es sich um ein administratives Problem, weil Brasilien die Papiere bei der EU nicht fristgerecht eingereicht hat. Im Gegensatz zu einem tierseuchentechnischen Problem ist es viel einfacher zu lösen.”

Bündnerfleisch aus Brasilianischem Fleisch

Wird Bündnerfleisch in der Schweiz unter diesem Namen verkauft, stammt die dazu verarbeitete Rindsbinde tatsächlich aus der Schweiz. Anders ist es bei Bündnerfleisch, das exportiert wird: Weil es in der Schweiz zu wenig Rindsbinden gibt, wird der Rohstoff importiert – hauptsächlich aus Brasilien. 2007 wurden in der Schweiz 2‘300 Tonnen Bündnerfleisch produziert. Davon wurden rund 1‘300 Tonnen exportiert. Um eine Tonne Bündnerfleisch zu produzieren, braucht es zwei Tonnen Rindsbinden. Denn in den 12 Wochen, in denen das Fleisch getrocknet wird, verliert das Fleisch rund die Hälfte des Gewichts.

Text: LID, Helene Soltermann. Bilder: ALP und zvg

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