Food aktuell
Varia
21.2.2008
Omega-3-Fettsäuren: gesund oder Kommerz?

Omega-3-Fettsäuren gelten als gesund. Der Landwirtschaftliche Informationsdienst LID zitiert Experten, die daran zweifeln.


Eskimos leiden dank ihrem hohen Fischverzehr angeblich viel weniger an Herz-Kreislaufkrankheiten. Es sind die berühmten Omega-3-Fettsäuren, heute n-3-Fettsäuren genannt, die dafür verantwortlich gemacht werden. Die Ernährungswissenschaftler zählen die n-3-Fettsäuren so wie die n-6-Fettsäuren zu den essenziellen, das heisst lebensnotwendigen Fettsäuren. Der Körper kann sie allerdings nicht selbst herstellen. Sie müssen deshalb mit der Nahrung aufgenommen werden (siehe Kasten).

Zuerst bejubelt…

In den letzten Jahren boomten die n-3-Fettsäuren. Sie waren die ultimative Lösung bei Gesundheitsproblemen, egal ob es sich nun um Krebs oder Herz-Kreislaufkrankheiten handelte. Sogar bei Hyperaktivität und Aggressivität sollten n-3-Fettsäuren helfen. Den Beweis dazu lieferten klinische Studien. In Grossbritannien erhielten Gefängnisinsassen hohe Dosen an n-3-Fettsäuren verabreicht. Das Resultat war durchwegs positiv. Die Aggressivität der Häftlinge sank deutlich und stieg nach dem Absetzen der n-3-Fettsäuren wieder an.

„Europäische Konsensuskonferenz rät zu regelmässiger Nahrungszufuhr von omega-3- Fettsäuren bei Schwangeren“ war im August 2007 in einer Pressemitteilung des Deutschen „Informationsdienst Wissenschaft (idw)“ zu lesen. Die Begründung für diesen Rat: Die Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft das Fischfett verzehrt hätten, seien bei der Geburt schwerer, und damit auch gesünder gewesen.

…dann umstritten

„Mumpitz“, meint Manfred Stein von der Organisation Tiergesundheit im Internet zur n-3-Fettsäuren-Euphorie. „Es gibt sogar Stimmen, die Nachteile sehen“. Hier spielt Stein auf mehrere Metastudien an, die 2006 publiziert wurden und Aufsehen erregten. Bei den Metastudien kam heraus, dass n-3- Fettsäuren nicht vor Krebs schützten, wie bis dahin oft behauptet worden war. Auch wurde 2006 in einer Studie in Grossbritannien untersucht, wie der Fischkonsum den Plasmaspiegel von n-3-Fettsäuren beeinflusst und somit auch das Herz-Kreislaufsystem schützt.

Das Resultat: Lediglich ein Viertel der Unterschiede von Mensch zu Mensch liessen sich mit dem Verzehr von Fisch erklären. Auch seien die Unterschiede zwischen Frauen und Männern sehr gross. Das bedeute, dass der Körper den Spiegel an Blutfetten aktiv reguliere und der Fischkonsum keinen grossen Einfluss darauf habe. Dass also n-3- Fettsäuren gar nicht so gesund für das Herz seien, wie man immer glaubte.

In den Empfehlungen „Fett in unserer Ernährung“ des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) von November 2007 ist jedoch nach wie vor zu lesen: „Die n-3-Fettsäure ist beim Erwachsenen für das normale Funktionieren von Herz, Immunsystem und wahrscheinlich anderer Organe unentbehrlich. Gesichert ist die fettsenkende Wirkung im Blut, welche eine positive Wirkung auf die Herz- und Kreislaufgefässe ausübt“.


Wissenswertes zu Fettsäuren

Die wichtigsten n-3-Fettsäuren sind die alpha-Linolensäure und die beiden langkettigen Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Die n-3-Fettsäure alpha-Linolensäure ist in grünen Pflanzenteilen und in Pflanzenölen wie Leinöl, Hanföl, Walnussöl, Rapsöl und Sojaöl enthalten. Sie soll entzündungshemmend wirken, da sich aus ihr die hormonartigen Signalstoffe Eicosanoide bilden.

Eicosanoide sind wichtig als Immunmodulatoren und Botenstoffe des Nervensystems. Nur Meeresfische wie Heringe, Makrelen, Sardinen, Sardellen und Thunfische sowie Süsswasserfische wie Lachse oder Forellen enthalten die beiden langkettigen n-3 Fettsäuren EPA und DHA. Diese gelten als besonders wertvoll, da gut für das Herz. Als wichtiger Baustein für die Zellen des zentralen Nervensystems soll die DHA auch die kognitive Leistung von Kindern verbessern.


Für Stein ist der Gesundheitswert von Omega- 3-Fettsäuren vor allem „ein Bomben-Geschäft.“ In den Konsensus-Kommissionen, die gesundheitliche Empfehlungen machten, sässen doch Vertreter der Herstellerfirmen dieser n-3-Fettsäurenpräparate, kritisiert er. Der Konsument werde dazu verleitet, auf eine nicht vorhandene Gesundheitswirkung zu vertrauen und dafür auf wirksame und wissenschaftlich belegte Therapie- und Prophylaxemassnahmen zu verzichten. Und wenn Strafgefangene plötzlich meinten, jemand kümmere sich um sie, so seien sie doch automatisch weniger aggressiv.

Die Macht der Industrie

Auch der deutsche Lebensmittelchemiker Udo Pollmer bezeichnet den n-3-Fettsäuren- Boom als Marketing-Gag. „Die Eskimos sterben ja früher als wir, und zwar nicht selten durch Alkohol“, meinte er weiter. Nachdem die Interventionsstudien gezeigt hätten, dass die beworbenen Wirkungen ausbleiben, seien eben neue Wundereffekte versprochen worden. So nützten n-3-Fettsäuren neustens auch gegen Alzheimer, Hyperaktivität und – den bösen Blick!


Sonnenblumenöl und die wichtigsten Getreide für die Ernährung des Menschen und der Nutztiere enthalten die mehrfach ungesättigte Fettsäure Linolsäure, eine n-6-Fettsäure. Deshalb ist das Fettsäuren-Verhältnis in unserem Körper meist weit über 5 zu 1.

Dieses Marketing-Muster der Hersteller-Firmen sei stets das gleiche, fährt Pollmer fort. Zuerst propagierten diese einen mehr oder weniger imaginären Gesundheitswert. Sobald klinische Studien dies ins Reich der Phantasie verwiesen, würden neue Gesundheitseffekte aus der Trickkiste hervorgezaubert. Unterstützt würden die Firmen dabei von Wissenschaftlern, die auf Forschungsgelder oder wenigstens eine Einladung zum Kongress schielten. Dabei käme den Anbietern zu gute, dass klinische Studien sehr aufwendig seien und es Jahre dauere, bis Ergebnisse vorlägen.

Entscheidend ist das Verhältnis

Und trotzdem: Für die meisten Ernährungswissenschaftler steht fest, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren weitreichende Effekte auf den menschlichen Stoffwechsel haben. Auch sind die meisten Wissenschaftler wie auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Ansicht, dass für eine gesunde, ausgewogene Ernährung das Verhältnis der n-6 zu den n-3-Fettsäuren ausschlaggebend ist. Der Grund: die n-3- und die n-6 Fettsäuren konkurrieren um dieselben Enzyme.

Sowohl aus n-6 als auch aus n-3-Fettsäuren stellt der menschliche Körper die Botenstoffe Eicosanoide her. Die Wirkungen der beiden verschiedenen Eicosanoide unterscheiden sich jedoch stark. So fördern Eicosanoide aus n-6-Fettsäuren beispielsweise zwar die Blutgerinnung, aber gleichzeitig auch Entzündungsvorgänge. Eicosanoide aus n-3- Fettsäuren vermindern hingegen Entzündungsvorgänge. Die Schweizerische, Deutsche und Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfehlen deshalb übereinstimmend ein Verhältnis, das für die Fettsäuren n-6 zu n-3 weniger als 5 zu 1 betragen sollte.


Mit gezielter Fütterung mehr n-3-Fettsäuren

Dem Fleischverarbeiter Traitafina ist es gelungen, durch die Fütterung von Schweinen mit Leinsamen Schweinefleisch mit einem höheren Anteil wertvoller n-3-Fettsäuren zu produzieren. Traitafina brachte das Verhältnis der n-6 zu den n-3-Fettsäuren von 8 zu 1 auf 3 zu 1 runter. Dies war möglich, weil die Zusammensetzung des Körperfettes von Schweinen stark von der Fettzusammensetzung des Futters abhängt. Die Herausforderung ist, komplizierte Zusammenhänge zu kommunizieren: In ihrem fünfseitigen Flyer spricht die Traitafina nur von den Omega-3-Fettsäuren und lässt die Omega- 6-Fettsäuren weg.

Text: LID, Brigitte Weidmann. Bilder: foodaktuell.ch

Weiterlesen: Innovation von Traitafina: Tradilinprodukte (PR)

Copyright http://www.foodaktuell.ch