Food aktuell
Varia
14.6.2008
Barriquewein vom Eichenfass oder mit Holzchips?

Seit 2006 ist in der Schweiz die Zugabe von Eichenchips zum Wein zugelassen – eine Methode, um Barrique-Weine nachzuahmen. In Changins entwickeln Forscher eine Analysemethode, um Täuschungen zu entlarven.



Barrique-Eichenfässer mit Überdruckventil


Wein ist seit jeher ein internationales Handelsgut und deshalb von der Liberalisierung des Agrarhandels an vorderster Front betroffen. Als Konsequenz des Ende 2005 von den USA und der europäischen Union (EU) abgeschlossenen Weinabkommens müssen die beidseits des Atlantiks zugelassenen Produktionsmethoden anerkannt werden. Ein gutes Dutzend moderner Verfahren, die in Australien und den USA üblich sind, ritzten bis vor kurzem nicht nur die europäische Weingesetzgebung, sondern provozieren traditionsverbundene Weinliebhaber.

So beherrschen die Amerikaner mit der "Spinning-Cone"-Technik die Destillation von Aromastoffen und Alkohol und deren kontrollierte Rekomposition nach Wunsch. Die kalifornischen Winzer verzichten auch auf die klassische Lagerung ihrer Weine im kleineren Barriquefass, wie es beispielsweise in Südfrankreich beim Ausbau kräftiger Rotweinsorten der Fall ist. Dem Wein werden so genannte Chips – geröstete Eichenspäne – zugesetzt. Dieser Trick mit den Chips ist um ein Vielfaches günstiger als die traditionelle Barrique-Lagerung. Der Ausbau kräftiger Rotweine und edelsüsser weisser Weine im Eichenholzfass ist kostspielig und bedarf vieler Erfahrung und Sorgfalt. Die gewünschten Aromen wie Vanille und Gewürznelken kommen auch im Barrique-Fass vor. Die Dauben des 225 Liter grossen Fasses werden nämlich im Feuer erhitzt, um sie in die Form zu wölben.

Der Wunsch, dem Wein einen Holzton zu verleihen, hat oft mehr mit Marketing zu tun als mit der Qualität des Produkts. Den wenigsten Konsumenten ist ein weiterer Aspekt der Barrique-Lagerung bekannt. "Der Barriqueeinsatz ermöglicht dem Wein, während der zweiten Gärung das entstehende Kohlendioxid sanft entweichen zu lassen, um spätere Nachgärungen zu vermeiden", erklärt Karin Riegger von der Wein­handelsfirma Riegger im aargauischen Birrfeld: "Die Aufnahme von Gerbstoffen ist ein gewollter Nebeneffekt, welche den Weinen ein Rückgrat für ein langes Leben geben."

Die Schweiz im Sog internationalen Handelsrechts

Als Konsequenz aus dem internationalen Handelsrecht hat die EU in einer neuen Richtlinie, die im Oktober 2006 in Kraft trat, das Verfahren mit Eichenholzchips erlaubt. Die Europäische Union stützte sich dabei auf eine technische Empfehlung der internationalen Weinorganisation (OIV) zu Grösse und Beschaffenheit der Chips. Nur einen Monat nach der EU übernahm die Schweiz mit der letzten grossen Revision des Lebensmittelrechts praktisch dieselben Regeln – auch aufgrund des Agrarabkommens und der WTO-Spielregeln.

"Wenn wir unsere Produzenten nicht benachteiligen wollen, müssen wir dieselben önologischen Verfahren akzeptieren wie es die EU als unser grösster Handelspartner auch tut", sagt Frédéric Rothen, stellvertretender Sektionschef beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) für den Bereich pflanzliche Produkte. Bei der Vernehmlassung habe sich kaum jemand gegen die neue Regelung ausgesprochen.



Das welsche Konsumentenforum verlangt, dass mit Eichenchips behandelte Weine auf der Etikette als solche deklariert werden müssten.


Dem widerspricht Jean-Denis Perrochet, Präsident der Neuenburgischen Winzer und Eigenkelterer. Sie seien bei der Anhörung übergangen worden. Die Schweiz öffne aufgezuckerten und aromatisch designten Weinen Tür und Tor. Die internationale Rechtslage erlaube keine Negativdeklaration, heisst es beim Bundesamt für Gesundheit. Dass bei Weinen eine vollständige Ingredienzenliste aufgeführt werde, sei überdies illusorisch. Hinweise wie "im Barrique-Fass ausgebaut" bleiben strikt der traditionellen Technik vorbehalten – alles andere wäre grobe Täuschung der Konsumenten. Hier ist Schweizer Recht im Detail äquivalent zum EU-Recht.

High-Tech-Aromadetektion in Changins

Die Technik kann helfen, den Täuschungsschutz zu gewährleisten. Gerade bei der Aromadetektionsforschung ist die Schweiz ganz vorne dabei. Im Rahmen einer Diplomarbeit an der Fachhochschule Westschweiz in Changins wurde ein neues Forschungsprojekt angeregt, das heute schon vielversprechende Resultate liefert. Mittels Gas-Chromatografie werden die im Wein gelösten und flüchtigen Komponenten des "Holzaromas" aufgetrennt und über die Massenspektrometrie identifiziert. Anschliessend folgt eine statistische Analyse der wichtigsten Aromakomponenten im Wein.


"Diese Analyse schält quasi die versteckte Struktur hinter dem Datenberg heraus, den die Chromatografie und Massenspektrometrie hergeben", erläutert André Rawyler (Bild), Leiter des Projekts an der Schule in Changins. Die Daten der einzelnen Proben werden auf einer zweidimensionalen Ebene als Punkte abgebildet. Diese gruppieren sich zu "Wolken" zusammen, die typisch für Barrique- oder Chips-Proben sind.

Das Phänomen hat seine Gründe. "Eichenfässer, deren Dauben im Feuer behandelt wurden, entwickeln dieselben Aromen wie die gerösteten Chips. Doch die Aromaprofile sind verschieden. Weil ein Kilo Späne eine viel grössere Oberfläche hat als ein Kilo Daubenholz, verdampfen beim Röstungsprozess von Spänen deren leicht flüchtigen Aromastoffe in viel höherem Masse. Dieses Ungleichgewicht findet man später in der Weinanalyse", enthüllt Rawyler einen Teil des Rätsels.

Interessierte Kreise aus Deutschland und Österreich fragen bereits, ob die Analyse als geprüftes Verfahren anwendbar sei. Noch ist es nicht so weit. "Dazu brauche es noch mehr Proben, um die Tauglichkeit der Methode zu verifizieren", sagt Rawyler. Er hofft, dass er die Studien bis 2010 abschliessen kann, sofern die erforderlichen Forschungsgelder fliessen. "Allein schon die Tatsache, dass eine Detektionsmethode entwickelt wird, schreckt potentielle Missetäter ab", sagt François Murisier, Leiter Önologie an der Forschungsstelle Agroscope Changins-Wädenswil und Schweizer Vertreter beim OIV.

Lateinische Schweiz verbietet vorsorglich die Chips

Bleibt die Frage nach dem tauglichen Täuschungsschutz hier und jetzt. "Bis die gas-chromatografische Analyse einsatzreif ist, bleibt nur die Kontrolle vor Ort", sagt Frédéric Rothen vom BLW. Bei Zehntausenden von Litern verkauften Barrique-Weines dürfe die Ausrüstung im Keller nicht fehlen. Noch werde in Schweizer Weinfachzeitschriften nicht für Eichenspäne geworben wie im nahen Ausland. "Dennoch reichen vermutlich die in die Schweiz importierten Eichenspäne weit über den Cheminé-Bedarf hinaus", bemerkt Rothen maliziös.

Die Kantone haben das Recht, gewisse Prozesse in der Weinbehandlung im Rahmen ihrer Gesetzgebung zum Ursprungsschutz zu untersagen. Inzwischen haben die Kantone Genf (provisorisch seit Mai 2006), Tessin (April 2007), Neuenburg und Wallis (Juli 2007) die Verwendung von Chips bei AOC-Weinen verboten. Noch keine vergleichbare Regelung gibt es in der deutschen Schweiz. Einige unabhängige Winzer erwarten ein Reinheitsgebot auf Bundesebene, die diese "Kunstweine ein für alle Mal verbannen" soll – zumindest für AOC-Weine.

LID / Manuel Fischer

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