Food aktuell
Varia
28.9.2005
Kathedrale für Alpkäse


Die Kaltbach-Höhlen von Emmi sind nicht mehr allein-selig-machend: Die Molkerei Gstaad inszeniert den Käse wie einen klerikalen Kult. Die Steigerung von «höhlengereift» heisst im Saanenland «kathedralen-gereift». Aber es geht nicht nur um die Zeremonie: «Alpkäse enthält Fette, die uns glücklich machen», war kürzlich in einem Bericht über die «Käsekathedrale» im Tagesanzeiger-Magazin zu lesen.

Hanspeter Reust (Bild), Chef der Molkerei Gstaad zeigt seine Käsekathedrale guten Kunden und Touristen mit einem Hang zur Käseverehrung. Das umgebaute Wasserreservoir dient heute als Reifungslager für vierzig Tonnen Alpkäse, der dort eine Trockenpflege erhält. Nach der Reifezeit von einem vier bis Jahren wird dieser Extrahartkäse in den Migros- und Coop-Kanal verkauft. Dass es wirklich Alpkäse ist, erkennt man daran, dass jeder Laib einen andern Durchmesser hat (der Normierungs-Trend hat die Alpkäsereien noch nicht erfasst).

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Beim Eintritt in die Kathedrale spielt die Musikanlage «Zarathustra» von Richard Strauss, Verdichöre und andere pathetische Werke. In der Mitte steht ein Dom-Pérignon-Fass als «Altar» mit einem beleuchteten Bergkristall, einem symbolträchtigen Buch mit leeren Seiten und einer Flasche Dom Pérignon. Dazu gibt es von Reust eine «Predigt» über die Natur und die Welt. Wäre er nicht Käser geworden, hätte er sich als Pfarrer oder Philosoph geeignet.

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Der älteste Alpkäse-Laib im Besitz der Molkerei Gstaad stammt von 1880 (Bild). Er ist immer noch essbar, versichert Reust (Bild). Aber durch die Austrocknung wird er wohl einige Härtegrade höher sein als «extrahart». Die «Käseorganisation Schweiz» sollte ihn unter Denkmalschutz stellen. Aber dass ihn die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte, ist nur ein Gerücht.

Spass beiseite: Das «Tagi-Magi» zitierte kürzlich im Bericht über die Käsekathedrale eine Gstaader Ärztin, die Alpkäse dank seinem hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren mit Functional Food vergleicht. Dieser komme durch das Grasfutter auf der Alp zustande, was Martin Scheeder, Professor an der ETH Zürich bestätigt. Der «Graseffekt» ergibt den Gesundheitswert und der «Bergkräuter-Effekt» den Geschmackswert.

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Nicht nur klerikalen Käsekult sondern auch trendig-weltliche Innovationen gibt es in der Molkerei Gstaad: Reust verkauft mit Erfolg Kosmetikprodukte, die Molke aus seiner Käseproduktion enthalten. Molke besitzt als Wellness- und Schönheitsmittel zu Recht ein gutes Image: Sie enthält Stoffe, welche die Heilung der Haut und das Immunsystem unterstützen.

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Im Saanenland gibt es weitere bemerkenswerte Spezialitäten: Die Molkerei Schönried gewann die Goldmedaille der internationalen Bergkäse-Olympiade für ihr «geräuchertes Schönriederli», ein Weichkäse mit Ziegenmilch (Bild). Ausserdem die Silbermedaille für die ungeräucherte Variante und die Bronzemedaille für das Hornberger Mutschli, ein halbharter Rohmilchkäse.

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Auch die Gstaader Bäckerei Oehrli mit dem sinnigen Namen «Early Beck» gewann Goldmedaillen der Swiss Bakery Trophy: für ihren schmackhaften Zopf und die reizvollen «Gibeni»-Pralinés mit «kindergerechter Haselnuss-Füllung» (Bild). «Gibe» ist das Saanenländische Wort für Zicklein der weissen «Saanen Geiss»-Rasse. (Damit kann aber auch eine zweibeinige gemeint sein).

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Die Schönrieder Bäckerei Wehren stellt «Schönrieder Müntscheni» her (Bild), Haselnuss-Meringues mit dunkler Schokolade überzogen (nicht nur Glasurmasse). Und sie entwickelt selbst neue Brotsorten. Für Nicht-Berner: ein Müntschi ist ein Küsschen.

Weiterlesen: Wie entsteht Käse mit Charakter? Fotoreportage in der Molkerei Schönried.

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