Food aktuell
Varia
7.12.2008
Warum Rezepte ohne Zusatzstoffe?


Zusatzstoffe sind oft geniale Problemlöser, teilweise auch geeignet als Kostensparmassnahme aber sehr selten gesundheitlich riskant. Trotzdem streichen viele Lebensmittelverarbeiter Zusatzstoffe aus den Rezepten. Oft steigt die Produktqualität, aber «Clean Labels» bieten schon dank des Wellness-Images einen Werbeeffekt.

Das Konsummagazin Saldo hat einmal kritisiert, dass die zweiwöchige Haltbarkeit von kühlfrischen Fertiggerichten mit Zusatzstoffen erkauft werde, was im Widerspruch zum Frischeversprechen stehe. Dies trifft in Einzelfällen zu, aber der Trend geht in die umgekehrte Richtung. Seit einiger Zeit revidiert die Industrie ihre Rezepte und eliminiert Zusatzstoffe. Das Ziel heisst «Clean Label» ohne E-Nummern. Mehrere führende Conveniencehersteller arbeiten daran wie Nestlé, Traitafina, Bell Convenience und die zur Migros gehörende «Bischofszell Nahrungsmittel».

Nötig sind Zusatzstoffe bei besonderen Anforderungen wie langer Haltbarkeit, intensiver Farbe, konstanter Qualität oder vollautomatischer Herstellweise. Auch Aromen sind zwar Zusatzstoffe, haben aber keine E-Nummern und fallen daher selten unter diese Guillotine. Meistens gibt es Alternativen zu Zusatzstoffen, aber nicht immer: Bindemittel in Saucen gelten als schwer ersetzbar. Und sogar Biosuisse akzeptiert Pökelsalz in Wurstwaren (nicht aber das «Demeter»-Label).

Leicht teurer wird es, wenn man den allgegenwärtigen Geschmacksverstärker Glutamat durch Zutaten ersetzt, und sei es nur Hefepulver. Und anspruchsvoll sind Alternativen zu Konservierungsmitteln: Wurstwaren ohne Zusatzstoffe – also auch ohne Pökelsalz – sind seit drei Jahren ein wichtiges Konzept von Traitafina. Der Fleisch- und Convenience-Spezialist ist Lieferant des Frische-orientierten Detailhändlers Manor, der bereits im 2005 den Wettbewerbsvorteil von Clean Label-Produkten erkannte und heute marktführend ist in diesem Bereich.

Marcel Gähwiler, Marketing- und Verkaufsleiter von Traitafina verrät dass «bei den E-Nummern-freien Traitafina-Produkten die Renner Cervelas, Kalbsbratwürste und Wienerli sind sowie Hinterschinken. Auch in der Gastronomie steigt die Nachfrage sowie bei Verpflegungsbetrieben von Spitälern und Altersheimen». E-Nummern-freie Neuheiten sind Buuresalametti und Mittellandsalsiz. Traitafina verkauft derzeit erfolgreich Fertiggerichte sowie Salat- und Dippsaucen ohne Zusatzstoffe im In-und Ausland und produziert aber auch konventionelle Varianten mit Zusatzstoffen

Der Geheimrezept-Gag

Welche Alternativen verwenden die Lenzburger anstelle der Zusatzstoffe? «Für naturbelassenen Fleischkäse braucht es bestes Rohmaterial, hochwertiges Milcheiweiss, natürliche Gewürze und viel Knowhow», schreibt die Firma in ihrer Website und stellt gleich selbst die Frage. «Wie erreicht man die typisch rote Farbe ohne Nitritpökelsalz? Wir haben es geschafft! Aber wie bleibt unser Geheimnis».


Ein Rezeptgeheimnis zu zelebrieren ist eine erfolgreiche Werbestrategie, wie dies die Sortenorganisation Appenzeller Käse mit ihrer Kräutersulz demonstriert. Dabei spielt es keine grosse Rolle, ob das «Geheimnis» wirklich geheim ist und ob es tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität besitzt. An Themen der Pökelstoff-Alternative arbeitet die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und veröffentlicht ihre Ergebnisse.

Bio-Metzgereien, die ebenfalls Zusatzstoffe vermeiden, deklarieren Meersalz statt Pökelsalz. Auch dies ist eine schlaue Strategie, da Meersalz ein gutes Image besitzt (zwar meistens zu unrecht). In Wirklichkeit ist die Pökelsalz-Alternative komplexer, da das Nitrit mehrere Funktionen besitzt: Konservierung, Antioxidation, Pökelaroma und die stabile rötliche Farbe.

Es gibt nicht einen einzelnen Stoff oder eine einzelne technologische Massnahme mit der traditionellen Mehrfach-Wirkung von Nitrit. Ein deklaratorischer Trick besteht vereinfacht gesagt darin, Pulver von nitratspeichernden Gemüsesorten zu verwenden, so dass eigentlich nicht der Pökelstoff ersetzt wird sondern nur die Deklaration (aus Nitrat wird Nitrit dank reduzierenden Reifekulturen).

Dasselbe Prinzip kann bei einigen Produkten mit Meersalz angewendet werden, wenn man ein natürlicherweise nitrathaltiges Meersalz zusetzt. Vergleichbar ist dieses Vorgehen mit dem Ersatz von Zitronensäure durch Zitronensaft oder Glutamat durch Hefeextrakt und zeigt auf, dass das Image der Zusatzstoffe oft nur daran krankt, dass man sie in reiner Form zusetzt statt als Inhaltsstoff einer natürlichen Zutat. In reiner Form sind eher missbräuchliche Überdosierungen möglich, und vor allem diese sind den Konsumentenorganisationen ein Dorn im Auge.

Weiterlesen: Gesundheitliche Neubeurteilung der Pökelstoffe

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