Food aktuell
Varia
22.12.2008
Lidl ante portas – Schweiz wappnet sich

Aldi hat sich in der Schweiz etabliert. Die Auswirkungen auf den Markt sind bis jetzt geringer als im Vorfeld erwartet. Wird Lidl die Szene mehr aufrütteln? (Bild: Lidl in Österreich)


Gut drei Jahre sind vergangen, seit der Discounter Aldi mit viel Geschrei seitens der Medien in der Schweiz Einzug gehalten hat. Mit dem Auftauchen von Aldi im Schweizer Markt werde der Hochpreisinsel Schweiz langsam der Garaus gemacht, titelte etwa die Weltwoche. Und die Mittelland Zeitung fragte: "Wird der Konkurrent Migros und Coop verdrängen?" Tatsache ist: Nach wie vor sind die Preise in der Schweiz deutlich höher als im benachbarten Ausland und sowohl die Migros wie auch Coop erfreuen sich guter Umsätze.

Ist also alles so wie noch vor drei Jahren? "Nein", sagt Marketingprofessor Thomas Rudolph von der Universität St. Gallen. "Das Preisniveau hat sich durchaus nach unten bewegt. Aus meiner Sicht orientieren sich die Grossverteiler ganz klar an den Preisen des Discounters." Dass die Preise nicht noch mehr ins Rutschen gekommen sind, schreibt er vor allem der drastischen Erhöhung der Rohstoffpreise im vergangenen Jahr zu. Migros-Mediensprecher Urs-Peter Naef weist zudem darauf hin, dass Aldi weniger preisaggressiv aufgetreten sei als erwartet. Ein Umstand, der die beiden Grossverteiler wohl aufschnaufen liess.

Doch nun könnte alles anders werden. Der Discounter Lidl wird, glaubt man verschiedenen Medienberichten, im kommenden Frühjahr seine ersten Filialen in der Schweiz eröffnen. Wie stark Lidl den Markt aufmischen wird, ist zwar schwer vorauszusagen, für Thomas Rudolph ist aber klar: "In anderen Ländern ist Lidl bei seinem Markteintritt sehr preisaktiv vorgegangen. In der Werbung und in der Kommunikation gegenüber dem Kunden lobt er den Preisabstand zur Konkurrenz sehr stark aus." Während Aldi vor allem seine Qualität und Frische hervorhebt, setzt Lidl also alles auf die Karte "Billig, billiger, am billigsten".

Fair, aber hart

Da können sich die potentiellen Lieferanten ja auf etwas gefasst machen? "Der Preisdruck auf die Hersteller wird ganz bestimmt stärker zunehmen, als das beim Markteintritt von Aldi der Fall gewesen ist", sagt Rudolph. "Doch auch Lidl muss ein verlässlicher Partner sein, wenn er längerfristig in der Schweiz bleiben will." Auch Detailhandelsexperte Ruedi Ergenzinger von der Universität Zürich glaubt an Fairness gegenüber den Anbietern. Lidl werde sich als anständiger, aber sicherlich harter Verhandlungspartner etablieren wollen und müssen. "Lidl ist darauf angewiesen, bei den Kunden Vertrauen aufzubauen. Skandale oder Respektlosigkeit gegenüber den Lieferanten kann er sich gar nicht leisten."



Auch Frischprodukte bei Lidl


Die beiden Grossverteiler Coop und Migros scheuen den neuen Konkurrenten nicht. Beide bekräftigen, sie seien für die Zukunft mit einem zweiten Discounter gut gewappnet. Während die Migros ihre 400 M-Budget-Produkte hervorhebt, die nirgends günstiger zu finden seien, sieht Coop seine Stärken vor allem in der Grösse und Vielfalt des Sortiments und in der Auswahl an Verkaufsformaten. Von Pronto über Supermärkte und Megastores bis hin zu Warenhäusern und Fachmärkten könne Coop mit allem auftrumpfen, sagt Mediensprecher Karl Weisskopf.

Doch nur darauf will sich Coop nicht verlassen. Zusammen mit vier grossen europäischen Detailhandelsunternehmen hat er sich zur Allianz "Coopernic" zusammengeschlossen. Detailhandelsexperte Ruedi Ergenzinger erklärt, worum es dabei geht: "Coopernic steht für die gemeinsame Beschaffung international handelbarer Güter, die Ausschaltung des Zwischenhandels und die Senkung der Logistikkosten. Ziel dieser Allianz ist es, den Konsumenten günstigere und attraktivere Produkte anbieten zu können."

Aldi-Lieferanten haben ein Gesicht

Zu Beginn seiner Geschäftstätigkeiten in der Schweiz wollte Aldi Suisse die Namen seiner Lieferanten um keinen Preis bekannt geben. Man wolle mit der Verschwiegenheit die Produzenten schützen, erklärte im Winter 2005 Aldi-Sprecher Sven Bradke gegenüber dem LID. Falls einmal ein Skandal auftrete, müsse Aldi den Kopf hinhalten und könne nicht einfach auf den Produzenten verweisen, da dieser gegen aussen hin ja gar nicht bekannt sei.

In der Zwischenzeit ist es längst kein Geheimnis mehr, dass Cremo beispielsweise die Milchprodukte liefert oder die Mineralquelle Zurzach die Getränke. Mit grossen Plakatkampagnen und ganzseitigen Zeitungsinseraten hat Aldi seine Lieferanten preisgegeben. Woher dieser Gesinnungswandel? "Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass wir ein Schweizer Unternehmen sind", sagt Bradke. "Hemmschwellen und Vorurteile der Konsumenten können damit abgebaut werden." Aldi ist demnach mit seiner Offenheit den Wünschen des Schweizer Konsumenten entgegen gekommen.



Aldi in Wattwil SG


Bradke macht aber klar, dass längst nicht alle Lieferanten genannt werden: "Jeder einzelne konnten selbst entscheiden, ob er in der Öffentlichkeit namentlich genannt werden will oder nicht. Nicht für alle war der Entscheid ganz einfacher, schliesslich wird von der Konkurrenz mit Argusaugen darüber gewacht, wer wen beliefert."

Doch von Angst seitens der Lieferanten will der Mediensprecher nichts gesagt haben. Mit seinen gut 90 Filialen ist Aldi längst kein Mauerblümchen mehr in der Schweizer Detailhandelsszene. Wie stark die Akzeptanz auf allen Seiten zugenommen habe, zeige sich vor allem auch bei möglichen Lieferanten, so Bradke. Solche, die noch vor ein, zwei Jahren eine Belieferung vollkommen ausgeschlossen hätten, ständen jetzt plötzlich vor der Tür und würden gerne liefern. "Doch wir sind unseren etablierten Lieferanten treu!", macht Bradke klar.

Nur wenig, aber trotzdem genug

Welchen Teil des Schweizer Detailhandelskuchens wird sich Lidl aller Voraussicht nach abschneiden können? "Kurzfristig einen sehr kleinen. Ich rechne damit, dass Lidl im ersten Jahr weniger als ein Prozent für sich beanspruchen kann. Doch man muss längerfristig denken. Wenn Lidl erstmal seine angestrebten 200 Filialen hat und jede davon acht Millionen Franken Umsatz macht im Jahr, wird er doch auf zwei bis drei Prozent kommen", sagt Thomas Rudolph. Ruedi Ergenzinger ergänzt. "Dies erscheint auf den ersten Blick nicht dramatisch, ist jedoch angesichts des bereits gesättigten Marktes beachtenswert."

Weder Coop noch Migros lassen sich von diesen Voraussagen aus der Ruhe bringen. "Wir können trotz noch härterem Wettbewerbsumfeld auch in diesem Jahr gute Umsatzzuwachsraten ausweisen und Marktanteile gewinnen", sagt Karl Weisskopf von Coop. "Die Herausforderungen haben wir angenommen und bisher mit unseren Strategien Erfolg gehabt." Aldi-Sprecher Sven Bradke hat nicht nur keine Angst vor dem neuen Konkurrenten, er freut sich sogar. "Das ist doch eine gute Ergänzung zum heutigen Angebot und schön für den Konsumenten. Der Schweizer Detailhandelsmarkt ist immer noch am wachsen, darum kann es schon noch einen weiteren Mitkonkurrenten vertragen." (Text: LID / Karin Iseli)

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