Food aktuell
Varia
28.5.2009
Mehr Ökologie und Tierwohl bei Direktzahlungen



Der Getreidebau leistet seinen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Ohne Direktzahlungen würde der Selbstversorgungsgrad der Schweiz drastisch sinken.


Die Direktzahlungen für die Landwirtschaft geraten immer wieder ins Schussfeld der Kritik. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben doch einen gemeinsamen Nenner: Die Direktzahlungen seien zu wenig konsequent auf die Ziele ausgerichtet und damit zu wenig effizient, so der Grundtenor.

Mit dieser Kritik soll bald Schluss sein. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat unter der Leitung von Vizedirektor Christoph Böbner ein Konzept für das neue Direktzahlungssystem ausgearbeitet, welches in seiner konsequenten Ausrichtung auf die Zielerreichung sogar die grössten Kritiker überrascht. Wird es in dieser Form umgesetzt, dann müssen nicht nur die Kritiker umdenken, sondern auch die Bauern: Neu werden nämlich nur noch konkrete Leistungen im Rahmen des multifunktionalen Auftrags entschädigt.

„Landschaftsqualitätsbeiträge“, „Biodiversitätsförderflächen“ oder „Versorgungssicherheitsbeiträge“ sind zwar nicht gerade wohlklingende Wortschöpfungen, dafür zeigen sie unmissverständlich auf, dass die Bauern nicht einfach subventioniert werden, um der einheimischen Lebensmittelindustrie günstige Rohstoffe zu liefern. Vielmehr wird in Zukunft ersichtlich, dass die Landwirtschaft klar definierte Aufträge der Gesellschaft erfüllt.

Kritik und Lob für die Reform

Der Schweizerische Bauernverband (SBV) und der Verband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) stören sich daran, dass bei der Reform die Tierbeiträge aufgehoben werden sollen. Der SBV befürchtet zudem, dass die Produktion von nicht-marktfähigen Gütern wie Biodiversität oder Landschaft zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion geht. Ökokreise wie die Agrarallianz und Pro Natura hingegen begrüssen, dass die Direktzahlungen künftig stärker auf die Ökologie und das Tierwohl ausgerichtet ist.

Tierwohlbeiträge

Die Definition der Standards für BTS (Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) und RAUS (Regelmässiger Auslauf im Freien) wird grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Beide Programme sollen auch weiterhin gefördert werden. Schliesslich kommen diese Massnahmen dem Tierwohl zugute. Dabei sollen weiterhin Investitionshilfen für die baulichen Mehrkosten gegenüber dem Tierschutzstandard gewährt werden.


Die Mehrkosten für den permanenten Betrieb, den die tierfreundlichere Haltungsform verursacht, sollen unter Berücksichtigung des Mehrertrages am Markt abgegolten werden, darunter fällt zum Beispiel der Aufwand für Stroh einstreuen, Weidezaun erstellen, aufwendigeres Mistverfahren und vieles mehr.

Der Härtetest steht noch bevor

Das vom Bundesrat verabschiedete Grundlagenpapier ist zwar unter Einbezug zahlreicher Interessenvertreter erarbeitet worden, doch die Diskussion in den zuständigen Gremien steht noch bevor. Als nächstes geht das Konzept in die vorberatenden Kommissionen des Bundesrates, danach wird eine Vernehmlassungsvorlage erstellt. Bis dann wird auch die Verteilung der Mittel bekannt werden. Schon jetzt ist klar, dass um jeden Franken gekämpft wird. Letztlich wird sich dann im Parlament zeigen, ob das Konzept am fehlenden Finanzierungswillen zerbricht oder gestählt aus diesem Prozess hervorgeht.

Im Rahmen der Beratung zur AP 2011 gelangte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) mit einer Motion an den Bundesrat, bis 2009 einen Bericht vorzulegen, wie das Direktzahlungssystem nach 2011 weiterentwickelt werden soll. Dieser Bericht soll als Grundlage für eine nächste Reformetappe dienen und aufzeigen, wie die finanziellen Mittel möglichst zielgerichtet eingesetzt werden können. Die Motion wurde angenommen, das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) erhielt den Auftrag und BLW-Vizedirektor Christoph Böbner die Verantwortung.



Allgemeine Tierbeiträge soll es in Zukunft keine mehr geben – dafür weiterhin Beiträge für tierfreundliche Haltungsverfahren.


Nach dem Willen der WAK soll der Bericht folgende Gesichtspunkte berücksichtigen:

• Entwicklung bei anderen Direktzahlungssystemen (EU) und bei den internationalen Rahmenbedingungen (WTO, Agrarabkommen mit der EU)

• Angemessenheit der Abgeltung von nicht marktfähigen Leistungen, die von der Landwirtschaft verlangt werden

• möglichst zielgenauer Einsatz der Mittel im Hinblick auf die zu erzielende Wirkung (z. B. Produktivität, Ökologie, Tierwohl, dezentrale Besiedlung, Einkommenssicherung)

• Anreizmöglichkeiten für die Betriebe, eine höhere Wirkung über den Standard hinaus zu erzielen (z. B. Biodiversität)

• Bezugskriterien (Betrieb, Fläche, Tiereinheiten, Arbeit)

• kostengünstiger und glaubwürdiger Vollzug

Zeitplan

Der vom Bundesrat verabschiedete Bericht ist ein Grundlagenbericht. Darin wird ein weiterentwickeltes Konzept für die Direktzahlungen beschrieben, welches in sich kohärent ist und bei dem (noch) keine politischen Abstriche gemacht wurden. Dieses Konzept wird nun in den vorberatenden Kommissionen diskutiert. Werden die Vorschläge gutgeheissen, dann ist zu erwarten, dass diese im Rahmen einer nächsten Reformetappe in einem Vernehmlassungsbericht und anschliessend in eine Botschaft eingearbeitet werden.

Grundsätzlich ist es dabei möglich, weitere Entwicklungen in der Agrarpolitik, wie ein Abkommen in der WTO oder ein Freihandelsabkommen mit der EU zeitgleich zu integrieren und aufeinander abzustimmen.

In der Botschaft werden die Vorschläge weiter konkretisiert, die Instrumente mit konkreten Beiträgen ausgestattet und deren Auswirkungen auf die Entwicklung der Landwirtschaft simuliert. Erst die Botschaft wird dann auch Anträge für die entsprechenden Rahmenkredite enthalten. Eine Umsetzung des neuen Direktzahlungssystems auf Verordnungsstufe kann erst nach der Beratung durch das Parlament erfolgen. Mit einer konkreten Umsetzung ist also frühestens ab 2014 zu rechnen. (Text: LID / Eveline Dudda, dipl. Agr. Ing.)

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