Food aktuell
Varia
26.8.2009
Erforscht: Kaufmotive rund um Nährwert-Deklaration



Immer häufiger werden Lebensmittel mit Nährwertangaben versehen. Aber nehmen die Verbraucher diese Angaben wahr und verstehen sie? Noch entscheidender aber ist, ob die Konsumenten fähig sind, die Nährwert-Kennzeichnung für eine gesündere Lebensmittelwahl beim Einkauf zu verwenden.


Die Lebensmittelkennzeichnung informiert Verbraucher über den Nährwert einzelner Lebensmittel, und soll ihnen im Idealfall helfen, beim Einkauf gesunde Lebensmittel auszuwählen. In Europa ist diese Kennzeichnung nicht zwingend vorgeschrieben, solange keine nährwert- oder gesundheitsbezogene Aussage (Nutrition/Health Claim) gemacht wird. Das von der Europäischen Union (EU) mitfinanzierte und derzeit laufende Forschungsprojekt FLABEL (Food Labelling to Advance Better Education for Life) hat jedoch gezeigt, dass durchschnittlich 85% der überprüften Produkte Nährwertangaben auf der Packungsrückseite und etwa 48% solche Angaben auf der Vorderseite der Packung tragen.

Derzeit gibt es in Europa verschiedene Lebensmittelkennzeichnungssysteme, alldieweil Regierungen, Lebensmittelhersteller, Einzelhandelsunternehmen sowie Gesundheits- und Konsumentenorganisationen in den einzelnen Ländern an einer verbraucherfreundlichen Gestaltung von Lebensmitteletiketten arbeiten. Zu den häufigsten in Europa verwendeten Kennzeichnungsformaten zählen momentan:

Nährwerttabellen, die in der Regel Angaben zu den sogenannten „Big 4” (Energie, Protein, Kohlenhydrate, Fett) oder den „Big 8" (d. h., „Big 4” plus Zucker, gesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe und Natrium) pro 100 g/ml bzw. pro Portion oder Packung enthalten. GDA („Guideline Daily Amounts”) stellen Richtwerte für die Tageszufuhr an Energie (Kalorien) und einigen Nährstoffen für einen gesunden Erwachsenen dar.

Das GDA-System gibt die Nährwertinformation pro Portion (z.B. pro Riegel, pro Scheibe) eines Produkts an und informiert in der Regel über die Menge an Energie und den vier Nährstoffen Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Natrium (Salz) in dieser Portion. Die GDA-Prozentwerte zeigen zudem, welchen Anteil der (maximal) empfohlenen Tageszufuhr die jeweiligen Nährstoffmengen ausmachen. Zu beachten ist, dass die GDA-Werte auf dem durchschnittlichen Bedarf gesunder, erwachsener Frauen basieren, um übermässigem Konsum entgegenzuwirken.

Farbkodierte Systeme (z. B. Ampel-Schema: Bild) verwenden Farben (z. B. Rot, Gelb und Grün beim Ampel-Schema in Grossbritannien; Orange, Gelb und Grün beim nutri-pass-System in Frankreich), um anzugeben, ob der Nährstoffgehalt bzw. manchmal auch der Energiegehalt pro 100 g/ml eines Lebensmittels hoch, mittel oder niedrig ist. Manche Systeme passen unter gewissen Umständen die Farbkodierung an die Gehalte pro Portion an (z.B. das britische Ampel-System). Zusätzlich zur Farbkodierung ist auf den Lebensmitteletiketten auch der Nährstoffgehalt (z. B. Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz) mit oder eine Energiegehalt pro Portion angegeben.


Farbkodierte GDA-Systeme stellen eine Kombination aus GDA-Schema und Ampel-Schema oder vergleichbaren Farbkodierungen dar. Diese Art der Kennzeichnung gibt die GDA-Prozentsätze für Energie und bestimmte Nährstoffe pro Portion eines Lebensmittels oder Getränks an und kombiniert dies mit Farbcodes, die anzeigen, ob diese Gehalte an Nährstoffen (mit oder ohne Energiegehalt) pro 100 g/ml (oder pro Portion, wenn diese mehr als 100 g/ml ausmacht) hoch, mittel oder niedrig sind.

Gesundheitslogos, wie z. B. das schwedische „Schlüsselloch“-Symbol („Swedish Keyhole“) werden zur Kennzeichnung von Lebensmitteln verwendet, die in der jeweiligen Kategorie bestimmte Nährstoffkriterien erfüllen (können von Logo zu Logo variieren). Dies soll Verbrauchern helfen, Lebensmittel zu erkennen und zu kaufen, die „besser für die Gesundheit“ sind.

Gutes Ernährungswissen

Viele Forschungsstudien haben versucht, Licht ins Dunkel der Verbraucherreaktionen auf die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln zu bringen. Bislang ist allerdings wenig über das tatsächliche Einkaufs- und Verbrauchsverhalten der Konsumenten bekannt. Um diese Lücke zu füllen, hat EUFIC (in Zusammenarbeit mit Professor Klaus Grunert von der Universität Aarhus, Dänemark) eine Feldstudie durchgeführt. Die Studie umfasste die Beobachtung von Verbrauchern beim Einkauf, Interviews mit Konsumenten im Supermarkt sowie Haushaltsumfragen per Fragebogen.


Die Beobachtungen beim Einkauf konzentrierten sich auf sechs Produktkategorien (Fertignahrung, Softdrinks, Joghurts, Süsswaren, salziges Knabbergebäck und Frühstückszerealien), und über 11600 Interviews wurden in Einzelhandelsgeschäften von sechs europäischen Ländern (Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Schweden und Polen) durchgeführt. Von den an die Haushalte verschickten Fragebögen kamen mehr als 5700 ausgefüllt zurück. In der Studie wurden alle bereits erwähnten Kennzeichnungsschemata angesprochen.

Eines der Ergebnisse der Studie war, dass die Konsumenten ein recht gutes Ernährungswissen zeigten. Mehr als 95% der Befragten wussten, dass Gesundheitsexperten empfehlen, viel Obst und Gemüse zu essen; der Rat, viel stärkehaltige Lebensmittel (wie Brot, Reis, Nudeln und Kartoffeln) zu sich zu nehmen, war den meisten allerdings unbekannt. Viele Verbraucher neigten dazu, die Bedeutung eines hohen Gehalts an Fett, Zucker und Salz überzubewerten und meinten, dass solche Lebensmittel überhaupt nicht gegessen werden sollten, obwohl empfohlen wird, den Verzehr dieser Lebensmittel einzuschränken. Am stärksten zeigte sich diese Reaktion in Grossbritannien.

Energiegehalt

Europäische Verbraucher sind in der Beurteilung des Kaloriengehalts von Lebensmitteln relativ sicher. Den meisten Befragten waren sowohl der ungefähre Kaloriengehalt von Lebensmitteln wie auch der unterschiedliche Energiebedarf von Männern und Frauen bekannt. In allen sechs Ländern wussten die Frauen etwas besser über den Kalorienbedarf einer aktiven erwachsenen Person Bescheid als die Männer.


Allerdings neigten die Verbraucher dazu, Energiebedarf und Energieverbrauch eines durchschnittlichen Erwachsenen unterzubewerten, während der Energiebedarf von Kindern überschätzt wurde. Diese falsche Auffassung (die unter 32% [Schweden] bis 58% [Polen] der Befragten herrschte) könnte dazu führen, dass Kinder energiereicher als tatsächlich notwendig ernährt werden.

Nährstoffe

Konsumenten scheinen manche Nährstoffe besser zu verstehen als andere. Während die Mehrheit der Befragten wusste, dass sie die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren und Trans-Fettsäuren begrenzen und insgesamt weniger Fett, aber vermehrt Omega-3-Fettsäuren zu sich nehmen sollten, war ihnen nicht bewusst, dass auch eine erhöhte Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren empfohlen wird.

Ernährungswissens-Index

Zur Beurteilung des Gesamtwissens der Befragten in den sechs Ländern zum Thema Ernährung wurde ein Index erstellt. Dieser Index umfasst die Expertenempfehlungen zu Lebensmittelgruppen und die Nährstoffzufuhr sowie den Nährstoff- und Energiegehalt ausgewählter Lebensmittel. Nach diesem Index zeigten die britischen Konsumenten das grösste Wissen über Ernährungsthemen, und Verbraucher in Polen und Frankreich das geringste.

Wahrnehmung und Verständnis der Lebensmittelkennzeichnung

Im Durchschnitt begutachten europäische Verbraucher einzelne Lebensmittelpackungen etwa 30 Sekunden. Den meisten Befragten war bekannt, dass es verschiedene Arten der Lebensmittelkennzeichnung gibt. Der Bekanntheitsgrad des GDA-Systems reichte von 40% in Schweden bis zu 90% in Grossbritannien; in den vier restlichen Ländern der Studie lag dieser Prozentsatz um die 60%.

Bei der Befragung zu landesspezifischen Etikettierungsarten kannte eine überwältigende Mehrheit (95%) der Schweden das schwedische Gesundheitslogo „Swedish Keyhole”, und 71% der Personen verstanden auch dessen Bedeutung. Der Bekanntheitsgrad von farbkodierten Systemen war in Grossbritannien hoch (81% für das Ampel-Schema), jedoch niedrig in Frankreich (23% für das nutri-pass-System).

Wie sich zeigte, wurden die farbkodierten Systeme von den Konsumenten insofern häufig fehlinterpretiert, als die Bedeutung der Farbe für den höchsten Nährstoffgehalt (Rot in Grossbritannien, Orange in Frankreich) oft übertrieben wurde. Die Verbraucher meinten fälschlicherweise, diese Farbe signalisierte, man solle „dieses Produkt eher vermeiden”, während tatsächlich gemeint ist, dass es völlig in Ordnung ist, dieses Produkt ab und zu als Belohnung zu geniessen.

Weniger als 15% der britischen Verbraucher fanden die Interpretationselemente (Farbkodierung oder hoch/mittel/niedrig) am hilfreichsten zur Kennzeichnung des Gesundheitswertes eines Lebensmittels, wohingegen die Angabe der absoluten Mengen einzelner Nährstoffe und die GDA-Werte am besten abschnitten.

Als den Verbrauchern die Verpackungen von drei realen Fertiggerichten vorgelegt wurden, erkannte die grosse Mehrheit (über 70%) in Frankreich, Deutschland und Grossbritannien ungeachtet des Kennzeichnungssystems das gesündeste Produkt; in Ungarn, Polen und Schweden lag dieser Prozentsatz immerhin noch bei etwa 50%. Zudem konnten mehr als 65% der europäischen Befragten das GDA-System richtig anwenden, um sich bei der Wahl zwischen zwei Produkten für das gesündere Produkt zu entscheiden (66% in Polen; 88% in Grossbritannien). Allerdings war weniger als der Hälfte der Befragten in fünf Ländern (Frankreich ausgenommen) klar, dass sich GDA auf eine Portion des Lebensmittels und nicht auf 100 g/ml des Produktes bezieht.

Sowohl Wahrnehmung und Verständnis der Verbraucher als auch deren Fähigkeit, aus der Lebensmittelkennzeichnung richtige Schlüsse hinsichtlich des gesundheitlichen Wertes eines Produktes zu ziehen, standen laut Studienergebnissen in Zusammenhang mit Ernährungswissen, Alter, sozialem Status und dem Interesse an gesunder Ernährung. Das Geschlecht der Konsumenten oder deren Body Mass Index (BMI) hatten keinerlei Einfluss. Dies bedeutet, dass verbessertes Ernährungswissen dazu beitragen könnte, die Nährwertangaben auf Lebensmitteletiketten richtig zu interpretieren.

Lebensmittelkennzeichnung und Kaufverhalten

Die meisten Menschen sind auf Anfrage in der Lage, die Nährwertinformation auf Lebensmitteletiketten richtig umzusetzen, doch die wenigsten gucken bei ihren Einkäufen spontan danach. Insgesamt beachteten mehr als 60% der Befragten die Vorderseite von Lebensmittelverpackungen (ausser in Frankreich, wo dies nur 31% der Personen taten), während weniger als 15% die übrigen Verpackungsflächen begutachteten. Weniger als ein Drittel der Verbraucher gab allerdings an, nach Nährwertangaben auf der Packung gesucht zu haben (9% in Frankreich; 27% in Grossbritannien).

Von den Konsumenten, die laut eigener Aussage tatsächlich auf derlei Informationen achteten, gaben in allen sechs Ländern die meisten an, vor allem nach dem Energie-, Fett- oder Zuckergehalt zu suchen. Nur die britischen Verbraucher achteten auf Informationen zum Gehalt an Salz und gesättigten Fettsäuren. Konsumenten aus Ungarn, Frankreich und Polen interessierten sich häufig für Angaben zu Zusatzstoffen, während Schweden oft auf den Ballaststoffgehalt, Ungarn auf Protein und Polen auf Vitamine achteten.

Die am häufigsten zitierte Informationsquelle zum Nährwert war die Nährwerttabelle, gefolgt von den GDA-Werten und der Liste der Inhaltsstoffe. Von den Produktkategorien, die im Rahmen der Studie untersucht wurden, waren es die Fertiggerichte, bei denen die Verbraucher am längsten die Etikettierung studierten. Der Hauptgrund für die Entscheidung, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, war dessen Geschmack und nicht sosehr, ob es nahrhaft und gesund ist. Am ehesten achteten die Verbraucher auf die Nährwertangaben bei Joghurt und Frühstückszerealien, die ohnehin ein „gesundes” Image geniessen. (Text: Eufic / Food Today)

Literatur:
FLABEL Webinar "Current penetration of nutrition information on food labels in the EU 27 & Turkey." Verfügbar unter: www.flabel.org (nur in Englisch)
Grunert KG and Wills J (2007). A review of European research on consumer response to nutrition information on food labels. Journal of Public Health 15:385-399
EUFIC Webinar "Pan-European consumer research on in-store observation, understanding & use of nutrition information on food labels, combined with assessing nutrition knowledge."

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