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| 29.4.2006 - Rubrik: Backwaren & Confiserie
| Druckansicht | Unnatürliches Brot?
Das Konsummagazin Saldo hat diese Woche die Bäcker attackiert, welche Backmittel mit Zusatzstoffen verwenden. Zusatzstoffe im Grundnahrungsmittel Brot sind zwar nur ein Imageproblem, dennoch sollte man sie möglichst vermeiden nach der Regel: Nur so viel wie nötig. Eine wirkliche Notwendigkeit besteht lediglich in Ausnahmefällen wie zwecks langer Haltbarkeit bei vorverpackten Schnittbroten. Der Saldo-Bericht ist polemisch statt sachlich und repräsentativ: Einzelfälle werden aufgebauscht und verallgemeinert.
«Fast jedes Brot enthält Ascorbinsäure - dieses künstliche Vitamin C verkürzt die Mehlreifezeit und sorgt für ein grösseres Backvolumen», hat das Konsummagazin Saldo diese Woche geschrieben. Und weiter: «Hinzu kommen Säuerungsmittel, mit denen die Bäcker einen besseren Geschmack und eine längere Haltbarkeit des Brotes erreichen. Mit Emulgatoren machen sie den Teig elastischer, und Enzyme erlauben eine leichtere Teig-Bearbeitung. Bei vorgeschnittenen Broten kommen auch noch Konservierungsmittel zum Einsatz».
Was ist von dieser Standortbestimmung zu halten? Primär ist sie polemisch, denn sie suggeriert, dass die meisten Brote Zusatzstoffe enthalten. Dies trifft eher für Spezialbrote zu und nicht für Normalbrote, seien sie manuell oder industriell hergestellt.
Gewerbliche Bäcker verwenden zwar auch Backmittel, welche teilweise Zusatzstoffe enthalten, doch der Trend geht zu Clean Label (ohne e-Nummern). Trotzdem setzt Saldo die Backmittel mit Zusatzstoffen gleich und zitiert einen Experten:
«Backhilfsmittel sind besonders in den industriellen Betrieben, aber auch in kleinen Bäckereien weit verbreitet», bestätigt Marco Spitz, Leiter Backwarentechnologie an der Hochschule Wädenswil. Das Ärgerliche: Nötig sind diese Zusatzstoffe nicht. «Die Bäcker setzen sie ein, um sich die Arbeit zu erleichtern und Zeit einzusparen. Vielfach wird auch der Produktionprozess mit Tiefkühlen unterbrochen, was manchmal den Einsatz von Zusatzstoffen bedingt», sagt Spitz.
Hier verwechselt die Saldo-Autorin Zusätze mit Zusatzstoffen: Korrekt wäre der Kommentar: «nötig sind diese ZUSÄTZE nicht», denn Backmittel sind Zusätze und nicht Zusatzstoffe. Sie können Zusatzstoffe enthalten, müssen aber nicht. Ausserdem stellt die Autorin die Bäcker als Minimalisten hin, welche der eigenen Bequemlichkeit Vorrang geben vor der Produktqualität. Zwar bieten Backmittel oder Kühlprozesse durchaus Vorteile bei der Rationalisierung ebenso wie bei der Qualität, aber diese zu nutzen ist ein legitimes Mittel im Wettbewerb.
Selbst wenn Rationalisierung und Qualität manchmal in einen Zielkonflikt geraten: Ob eine Bäckerei die Qualität maximiert oder die Kosten minimiert, ist eine Grundsatz-Entscheidung, die sie dem Wettbewerbsumfeld anpassen muss. Zu teure oder zu schlechte Produkte bleiben einfach im Regal liegen – der Kunde hat die Wahlfreiheit.
Schwarze Schafe?
Saldo fand einige «schwarze Schafe» von industriellen Spezialbroten mit Zusatzstoffen und schrieb: «Ein Blick in die Brotregale der Grossverteiler Migros und Coop zeigt, was alles in unserem Brot steckt:
Migros-Schlossbrot: Emulgatoren E 471 und E 322.
Migros-Toast M-Budget: Die Säuerungsmittel E 260 und E 262 sowie der Konservierungsstoff E 281.
Coop-Emmerbrot: Ebenfalls E 322.
Coop-Doppelbürli, -Krustenkranz und -Tessinerbrot: Emulgator E 472e.
Immerhin räumt Saldo ein: «Welche Zusatzstoffe im Brot stecken, ist für die Konsumenten bei beiden Grossverteilern auf dem vorverpackten Brot ersichtlich». Aber eine Panikmache ist bei Zusatzstoffen fehl am Platz, denn wären sie wirklich «besonders riskant», wären sie nicht zugelassen. Siehe dazu: Zusatzstoffe im Überblick
Und Saldo weiter: «Von der industriellen Brotherstellung grenzen sich die kleinen Bäckereien ab. «So wenig Zusatzstoffe wie möglich, so viel als nötig», ist laut Walter Boesch das Credo der Bäckereifachschule Richemont in Luzern: «Wenn schon, solle man auf Zusatzstoffe auf natürlicher Basis setzen». Trotzdem - so Saldo - die meisten Zusatzstoffe werden künstlich hergestellt. Ob kleine Bäckereien wirklich weniger Zusatzstoffe einsetzen als Grossbetriebe, bleibt offen: Das Brot wird in den Bäckereien unverpackt verkauft und enthält damit keine Deklarationen».
In der Tat sind sich nicht alle Bäcker bewusst, ob sie ein Backmittel mit E-Nummern verwenden, aber sie ersehen dies an der Deklaration auf der Backmittelverpackung. Und sie sind – entgegen der Aussage von Saldo - durchaus verpflichtet, allfällige Zusatzstoffe im Brot zu deklarieren, auch wenn im Offenverkauf nur mündlich auf Anfrage.
Das Angebot an Backhilfen und Fertigmischungen für Bäckereien ist tatsächlich breit, wie Saldo schreibt: «Die Firma Veripan bietet eine «Vielfalt von Backenzymen für eine schnellere Teigentwicklung, kürzere Gärzeiten, grösseres Volumen, besseren Geschmack und längere Frischhaltung». Und die Firma Puratos wirbt für «gebrauchsfertige Aromen und Sauerteige» oder ein Backmittel «zur problemlosen Überwindung des Frostungsschocks».
Saldo suggeriert hier wieder, dass alle Backmittel Zusatzstoffe enthalten, was nicht zutrifft. Und bei Puratos fragte Saldo gar nicht an sondern bezog Informationen aus der Firmenwerbung. Hätten die Konsumentenschützer ausgewogen recherchiert, so hätten sie festgestellt, dass die Realität weniger schwarz-weiss ist als sie in ihrem Bericht darstellen.
Puratos-Geschäftsleiter Paul Bär bestätigt auf Anfrage von «foodaktuell» «einen Trend zu emulgatorfreien Backmitteln, und dies sowohl bei gewerblichen wie industriellen Bäckereien. Ausserdem bewegen sich die Anteile der Clean Label-Backmittel bereits im mittleren Bereich».
Emulgatoren sind nebst Ascorbinsäure die einzigen Zusatzstoffe in den meisten Backmitteln. Selten kommt allenfalls noch das natürliche Guarkernmehl vor, welches als Zusatzstoff gilt.
Der Trend zu Clean Label Backmitteln wird heute unterstützt durch stetig besser werdende Enzymbackmittel, die fast gleich wirksam sind wie emulgatorhaltige. Enzyme
sind keine Zusatzstoffe, denn im fertigen Produkt entfalten sie keine Wirkung mehr – sie werden beim Backen inaktiviert uns sind daher nicht deklarationspflichtig. Die andern Komponenten von Backmitteln sind nicht umstritten: Zucker, Malz, Trockensauerteig, Milchprodukte.
Zuletzt gab Saldo einen Tipp für die Konsumenten, die sich von dieser Polemik verunsichern lassen: «Biobrot enthält nur das Pulver aus der südamerikanischen Acerola-Kirsche. Damit wird auf natürliche Weise die künstlich hergestellte Ascorbinsäure ersetzt».
Künstliche Herstellung muss zwar nicht ungesund oder riskant bedeuten, aber in einem Grundnahrungsmittel wie Brot sind synthetische Zusatzstoffe unschön, vor allem, wenn sie vermeidbar sind. Allerdings: ein vorverpacktes und konserviertes Schnittbrot, das oft wegen der langen Haltbarkeit gekauft wird, ist kein richtiges Grundnahrungsmittel mehr.
Auf zusatzstoffhaltige Backmittel verzichten können Bäcker bei manueller Produktionsweise und einer langen Teigführung, welche gleichzeitig besser schmeckende Brote mit längerer Frischhaltung ergibt. Aber Emulgatoren in Backmitteln haben ihre Vorteile: sie verstärken das Klebernetzwerk, erhöhen die Wasserbindung des Mehls, machen den Teig maschinengängig und weniger klebrig. Auch im geplanten Handwerkbäckerei-Gütesiegel «Naturel» von Richemont, das naturnahe Rezepte verspricht, ist der natürliche Emulgator Lecithin zugelassen.
Bäcker tun nicht alles, was sie laut Gesetz dürfen
Die Tabelle im Saldo, welche «alle Zusatzstoffe auflistet, die Brot enthalten darf», verleitet wiederum zur Annahme, dass diese Zusatzstoffe tatsächlich verwendet werden. Dem ist nicht so. Siehe dazu: Gelockertes Brot-Reinheitsgebot.
Fazit: Zusatzstoffe im Brot sind zwar nur ein Imageproblem, aber dennoch sollte man sie soweit wie möglich vermeiden. In der Tat ist Clean Label (ohne E-Nummern) auch bei Broten ein Trend: Man versucht, Emulgatoren durch Enzyme oder Milcheiweiss zu ersetzen. Bei langen Gärzeiten und mit technischen Anpassungen geht dies leichter – und lange Gärzeiten sind für die Brotqualität ohnehin zu empfehlen.
Weiterlesen:
Brot-Backmittel – wirken sie zu gut?
Naturel-Anforderungen
Gelockertes Brot-Reinheitsgebot
Zusatzstoffe im Überblick
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