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| 12.12.2009 - Rubrik: Backwaren & Confiserie
| Druckansicht | Verschwindet Schweizer Brotgetreide?
Der EU-Agrarfreihandel hätte gravierende Auswirkungen auf die Getreidebranche. Modellrechnungen der ETH Zürich zeigen die drastischen Auswirkungen für den Brot- und Futtergetreideanbau: Beim Futtergetreide bliebe nach der vierjährigen Übergangsphase ohne zusätzliche Direktzahlungen nur der Extenso-Anbau (ohne Pflanzenschutzmittel) übrig. Das Brotgetreide würde, abgesehen von einzelnen grossen Profibetrieben, praktisch verschwinden.
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Falls ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU zustandekommt, braucht es für die Getreideproduktion massive zusätzliche Direktzahlungen. Das zeigt eine Studie der ETH Zürich.
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Dass ein allfälliges Agrarfreihandelsabkommen für die Schweizer Getreidebauern kein Spaziergang würde, war schon bisher klar. Denn der Getreidemarkt wird gegenüber der EU und dem Weltmarkt immer noch mit Zöllen geschützt, obwohl die Zölle in den letzten Jahren bereits stark gesunken sind. In Deutschland kostet ein Zentner Brotweizen unter 20 Franken, in der Schweiz um die 48 Franken.
Wie gravierend die Auswirkungen des Agrarfreihandels mit der EU tatsächlich wären, zeigt nun eine Studie, welche die Branchenorganisation Swiss Granum bei der ETH in Auftrag gab und die am 30. November in der Landi Düdingen vorgestellt wurde. Laut den Modellberechnungen würden Marktpreise auf EU-Niveau dazu führen, dass die Produktion von Weizen und anderen Brotgetreidesorten praktisch verschwinden würde.
Vom Freihandel weniger zu befürchten haben die Bäcker. Auch bei den Bäckereien geht zwar die Zahl der Betriebe stetig zurück, und dies würde sich mit Agrarfreihandel noch verstärken, hiess es in Düdingen. Der wirtschaftliche Druck würde aber geringer, weil die Kunden von Bäckereien eher bereit sind, etwas mehr zu bezahlen.
Produktionskosten senken
Die Forscher um Bernard Lehmann, Professor für Agrarökonomie, gehen davon aus, dass zwar mit effizienterem Einsatz der Landmaschinen und anderen Massnahmen die Produktionskosten gesenkt werden können. Damit könnte aber der massive Preisrückgang auf einem durchschnittlich grossen Betrieb mit durchschnittlichen Erträgen nicht kompensiert werden.
Grosse, effiziente Profibetriebe würden möglicherweise überleben, die grosse Masse der Bauern hätte aber mit der Getreideproduktion kein Auskommen mehr. Beim Futtergetreide, wo die Preisdifferenz zur EU kleiner ist, würde die Fläche um fast die Hälfte sinken, übrig bliebe lediglich das Extenso-Futtergetreide, bei dem keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden und das mit Direktzahlungen von 400 Franken pro Hektare unterstützt wird.
Mehr Kraftfutterimporte und mehr Ökowiesen
Insgesamt würde laut der ETH-Studie die Ackerfläche in der Schweiz von rund 270'000 Hektaren auf rund 180'000 Hektaren sinken. Darin sind auch Körnermais, Silomais, Zuckerrüben und Kartoffeln enthalten. Während bei den Zuckerrüben bereits heute spezifische Anbaubeiträge bezahlt werden, müssten künftig laut dem Modell auch für die Kartoffeln hohe Beiträge fliessen, damit der Anbau unter Freihandelsbedingungen nicht verschwindet.
Die frei werdenden Flächen würden als Grünlandflächen für die Milchkuhfütterung dienen. Denn die ETH-Forscher rechnen damit, dass die Milchproduktion unter Freihandelsbedingungen als vergleichsweise rentable Produktion stark ausgedehnt würde. Sie gehen ferner davon aus, dass für die Milchkühe vermehrt importiertes Kraftfutter eingesetzt würde und dass viele Bauern die Grünlandflächen nur extensiv nutzen würden, um dafür Ökobeiträge zu erhalten.
Um die Anbauflächen bei Brot- und Futtergetreide auch unter Freihandelsbedingungen auf dem bisherigen Niveau erhalten zu können, ist laut der Studie ein zusätzlicher Erlös von 600 bis 1'000 Franken pro Hektare notwendig. Pro Zentner Brotgetreide wären das zwischen 10 und 17 Franken. Einen Teil dieses Geldes müsse man als Swissness-Prämie hereinzuholen versuchen, sagte Lehmann, daneben brauche es aber auch zusätzliche Direktzahlungen. Heute gibt es pro Hektare offene Ackerfläche vom Bund 640 Franken zusätzlich zum allgemeinen Flächenbeitrag von 1'040 Franken.
Lehmann bezeichnete die Situation für den Getreidebau als "enorme Herausforderung", die aber mit "intelligenten Begleitmassnahmen" zu meistern sei. Er zeigte sich auch überzeugt, dass die Agrarpreise weltweit im nächsten Jahrzehnt eher steigen würden, was auch das Preisniveau in der EU wieder etwas anheben würde. Swiss Granum-Präsident John Dupraz, der auch als Präsident des Getreideproduzentenverbandes amtiert, erwiderte, die Getreidebauern hätten die Probleme jetzt und nicht in zehn Jahren, mit dem Agrarfreihandel werde ein funktionierendes System mutwillig zerschlagen, das einen höchst zweifelhaften Nutzen habe.
Mittelgrosse Mühlen am meisten bedroht
Die ETH-Forscher untersuchten auch die Auswirkungen auf die nachgelagerten Stufen, also auf die Sammelstellen, Mühlen und Bäckereien, anhand von Umfragen. Die Überlebensfähigkeit der Sammelstellen hänge von ihrer geografischen Lage, von ihrem Preis-Leistungs-Verhältnis und von der Art und Qualität ihrer Produkte ab. Bei den Mühlen betrachten sich die Branchenleader Swissmill und Minoteries als im EU-Vergleich wettbewerbsfähig.
Viele kleine Mühlen können Nischenmärkte bedienen und wären vom Freihandel deshalb wenig betroffen. Am gravierendsten würde ein Agrarfreihandelsabkommen die mittelgrossen Mühlen treffen. Auch die Mühlen müssten sich Überlegungen zu Kosteneinsparungen, Swissness, speziellen Produkten oder Dienstleistungen machen, sagte Lehmann.
Die Branchenorganisation Swiss Granum zieht aus all diesen Ergebnissen den Schluss, dass Begleitmassnahmen unbedingt notwendig sein werden, nicht nur für die Getreidebauern, sondern auch für die Verarbeiter. Nur so könne eine angemessene Versorgungssicherheit gewährleistet werden.
(Quelle: LID / Roland Wyss-Aerni)
Weiterlesen:
Druck auf Getreidemühlen wächst
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