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| 26.4.2005 - Rubrik: Backwaren & Confiserie
| Druckansicht | Diätbrot-Innovation
Die Backwarenbranche ist in den letzten Monaten aufgeschreckt worden durch den neuen (aber schon wieder rückläufigen) Low-Carb-Trend zu kohlenhydratarmen Schlankheits-Diäten in den USA. Die Schweizer Bäckerei-Ideenschmiede «Veripan» plant nun, ein «Diätbrot» zu lancieren. Dessen Qualität könnte Gourmets ansprechen, wenn sie sich von Diät-Werbeaussagen nicht vom Kauf abschrecken lassen. Worin besteht das Veripan-Konzept, und was halten Experten davon?
Welche Farbe hat Ihr Hunger? So könnte in Zukunft die Frage an den Kunden lauten statt einfach: was hätten Sie gern?
In der Ernährungspyramide der kohlenhydratarmen LOGI-Diät (Low glycemic index, niedrige Blutzuckerwirksamkeit) steht das Brot an der Spitze statt wie üblich in der Mitte. Dies bedeutet: Zurückhaltende Konsumempfehlung, denn Kohlenhdyrate führen zu Insulinausschüttung, und Insulin fördert die Einlagerung von Fett.
Ist Brot wirklich ungeeignet für Übergewichtige und wie sollen Bäcker auf den Low-Carb-Trend reagieren (low carb: niedriger Gehalt an verdaubaren Kohlenhydraten)? Diese Frage sollte die Branche frühzeitig klären, denn in den USA hat der Low-Carb-Trend zu grossen Verlusten im Brot- und Backwarenmarkt geführt.
Zwei Klassen von Brot
Fragt man Veripan, ist die Antwort klar: «Ein «Low-Carb-Brot» gehört ins Sortiment. Die Bäckerei soll zwei Brotklassen anbieten, denn für Konsumenten, die ihre Ernährung umstellen, sind normale Backwaren tabu». Dank einer 2003 begonnenen Zusammenarbeit zwischen dem Technolgiekonzern Bühler und Veripan entstand ein Low-Carb-Brot durch die Kombination von neuartiger Müllerei- und Bäckereitechnologie.
Ein weiterer Schlüssel des Rezepts sind funktionelle Zutaten. Der Premix für die Herstellung dieser Brote heisst «PanaGI». Grundlage sind die Erfahrungen, die Bühler mit dem erfolgreichen Konzept für Low-Carb-Pasta «Dreamfields» in den USA machte. Im Mai will Veripan das zum Patent angemeldete Konzept den Schweizer Kunden vorstellen.
Resistente Stärke
Veripan-CEO Meiert J. Grootes verrät über die Innovation Einiges aber nicht alles: «Der niedrige glykämische Index (Glyx) von 55 (wie bei Vollkornbrot im Vergleich zu 80 bis 95 bei Weissbrot) wird erreicht durch Stärke, die nicht verkleistert». Dadurch kann sie von den Verdauungsenzymen nicht abgebaut werden. «Die Behandlung geschieht in der Mühle, wo die Stärkekörner mit einem Nahrungsfaser-Gel umhüllt werden», so Grootes weiter. «Ferner dürfen sie nicht verletzt werden und die kleinen Stärkekörner werden wegen der grossen Oberfläche ausgesiebt.
Das Mehl wird zwar nicht behandelt, aber bei der Teigbereitung sind Regeln zu beachten». Anteile von resistenter Stärke, die nicht verkleistert, gibt es auch in andern Lebensmitteln. Man rechnet sie ernährungsphysiologisch zu den nicht verdaubaren Nahrungsfasern. Für die Herstellung dieser Veripan-Neuheit wird folglich das Mehl mit Zutaten angereichert, die auf Anfrage mündlich oder bei vorverpackten Broten schriftlich zu deklarieren sind. «Aber es sind keine exotischen Zutaten», beruhigt Grootes, doch näher benennen möchte er sie noch nicht.
PanaGI sei für alle hefegetriebenen Backwaren geeignet (ohne die gezuckerten natürlich), und anwendbar für feste Teige bis zu einer Teigausbeute von 170 Prozent. Sogar Weissbrote seien mit PanaGI in der gewohnten Qualität machbar.
Als Beweis legt Grootes ein helles Toastbrot (Bild) auf den Tisch, das allerdings wie üblich Fett enthält. «Mit Panatura, unserem konzentrierten Weizen-Vorteig sind diese Zutaten kombinierbar», so der Lebensmittel-Ingenieur, «aber nicht mit Malz oder Enzymbackmitteln». Enzyme würden die Fasergel-Schutzhülle durchlöchern. Da Enzyme in den meisten Backmitteln vorkommen, auch in Biobackmitteln, ist das PanaGI-Konzept mit der Vielzahl der trendigen Spezialbrot-Vormischungen nicht kompatibel.
Eine BAG-Bewilligung für dieses ausgeklügelte Brot ist laut Grootes nicht nötig. Und für die so genannt «harte» Werbeaussage (glykämischer Index unter 55) kann er klinische Studien vorlegen («weiche» Aussagen betreffen nur die emotionale Ebene). Weitere Werbeaussagen sind «guter Geschmack und mit normalen Methoden ohne Mehrkosten auf vorhandenen Anlagen herstellbar». Veripan hält ein Werbekonzept bereit, das die Bäckereien verwenden können. Derzeit läuft eine Versuchsproduktion in Irland, und in der Schweiz ein Projekt mit einem nicht genannten Kunden. Aber Veripan zielt vor allem auf die Märkte USA und Grossbritannien.
Spagat zwischen Gourmets und Diätetikern
Ansprechen möchte die Ideenschmiede alle Brot-Konsumenten, sowohl übergewichtige wie Lifestyle-Konsumenten (schlanke, die es bleiben möchten) und auch Gourmets. Dies bedeutet einen grossen Spagat, denn unter Marketingfachleuten ist die Kombination von harten Diät-Claims mit Gourmet-Zielen umstritten. Gourmets werden eher abgeschreckt, wenn sie diätetische Anpreisungen lesen. In einer Bilddegustation dagegen überzeugt das PanaGI-Toastbrot durch mürben Biss, lieblich-süsslichen und wenig säuerlichen, vollmundigen Geschmack.
Wie stellt sich Veripan diesen Spagat in der Praxis vor? Marketingleiterin Triabadi Dagmar Schmidt meint: «Wichtig ist, dass die Bäckerei ein Brot wie das mit PanaGI hergestellte fördert und aktiv bewirbt. Denn solche Produkte sind massgeschneidert für eine Zielgruppe, die sonst auf tägliches Brot verzichten würde. Die zwei bis drei Bestseller des Sortiments soll eine Bäckerei sowohl als normale wie auch als Diät-Variante anbieten».
Brotbestseller sind gemäss Schweizerischer Brotinformation in einer durchschnittlichen Bäckerei Ruchbrot und Zopf – bei diesen ist eine Kombination mit PanaGI möglich. Bei Vollkornbrot erübrigt sich eine Hightech-Aufbesserung, da dieses ohnehin einen Glyx von 55 besitzt (aber vielen Kunden zu derb und zäh schmeckt).
Fazit:
PanaGI ist eine hochinteressante Innovation. Rivella könnte als Vorbild dienen und ist bereits einen Schritt weiter: Mit der blauen und der grünen Variante gibt es schon zwei «Functional Foods». Wie viele solche (LC1-Joghurt, Actimel, becel pro-activ) hat PanaGI ein Marktpotenzial, wohl aber eher im Diät- als im Gourmetsegment. Wie gross es ist, hängt auch vom Preis ab. Und ob sich die suggerierte Diätwirkung bewahrheitet, hängt von der Disziplin des einzelnen Konsumenten ab - aber diese ist meistens nicht gut. Im Gegenteil: Viele Übergewichtige meinen, ein Diätprodukt wirke umso besser, je mehr man davon esse und je teurer es sei.
Notabene: Das Veripan-«Low-carb»-Brot ist nicht das erste auf dem Markt. Bereits seit Jahren gibt es ein «Atkinsbrot». Und die Firma Margo vertreibt in Deutschland eine Diätbrot-Industrie-Vormischung, räumt aber ein, dass der Brotgeschmack «leicht strohig ist, artfremd, und keine Hefenote besitzt».
Was meinen unabhängige Experten zum Veripan-Konzept?
Die Fachschule Richemont verfügt über ein eigenes «Atkins»-Diätbrot-Rezept, das sie auf Anfrage zur Verfügung stellt. Es besitzt nur zwölf statt wie normal 45 Prozent Kohlenhydrate.
Man verwendet dazu kein Mehl sondern Kleie, Kleber, Ei, Fett und Quark. Als Toastbrot sei es sensorisch akzeptabel, aber ungetoastet habe es einen gummigen Biss.
Auch beim Veripan-Konzept bleibt Andreas Dossenbach, Laborleiter bei Richemont skeptisch: «Brot ist ein Grundnahrungsmittel und soll es bleiben. Bei einer starken Rezeptänderung gilt es nicht mehr als Brot. Wer es anbietet, kann zwar den sensorischen Vorteil anpreisen, da es besser schmeckt als Vollkornbrot. Aber der Preis sollte akzeptabel sein, da gerade viele Übergewichtige nicht zu den gut situierten gehören». Und Richemontdirektor Walter Boesch äussert sich deutlich: «Weder die Atkinsdiät als solche noch eine Art Atkinsbrot ist sinnvoll. Solche Produkte haben kaum Marktpotenzial».
Ähnlich tönt es bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE
www.sge-ssn.ch): Ernährungsberaterin Monika Müller findet Low-Carb-Produkte als Einzelmassnahme in der Ernährung unnötig. «Ausserdem werden Glyx-Angaben zu einem bestimmten Lebensmittel verfälscht, wenn man sie zusammen mit etwas anderem isst, etwa Diätbrot mit Butter». Wesentlich sei das Gesamt-Ernährungskonzept.
Und bei der modischen Low-Carb-Diät mache man die Erfahrung, dass die Gewichtsreduktion in den ersten sechs Monaten tatsächlich grösser sei als mit anderen Diäten. Doch nach zwölf Monaten sei das Gewicht wieder gestiegen und der Erfolg nicht besser als bei jeder anderen Diät. «Hinzu kommt ein unerwünschter psychologischer Effekt», warnt Müller: «Kohlenhydratarme, zuckerarme oder fettarme Speziallebensmittel beruhigen das Gewissen und regen dadurch an, mehr als nötig zu essen. Besser als ein Diätbrot ist daher Vollkornbrot oder ein kleieangereichertes Brot wie Faserino».
Siehe dazu: Modernes Kleiebrot
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