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| 1.4.2011 - Rubrik: Backwaren & Confiserie
| Druckansicht | Wissenswertes: Chemie des Backens
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Kulinarische
Wunder sind nur dank komplizierten chemischen
Reaktionen möglich. Speziell bei Backwaren, besonders
Brot, sollten wir derartige „chemische
Meisterstücke“ besser Handwerkern
mit ihrem Können überlassen,
uns gelassen zurücklehnen und
einfach nur geniessen!
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Mit einem frisch gebackenen und
wohlriechenden Brotlaib haben wir
nicht nur einen gesunden Leckerbissen, sondern auch ein faszinierend
komplexes Stück Chemie in der
Hand. Die Chemie spielt bei der gesamten
Brotherstellung vom Korn
bis zum gebackenen Brot eine zentrale
Rolle. Die vielen ablaufenden
chemischen Reaktionen sind komplex
und nur in ihren Grundzügen
bekannt.
Versuche laborerfahrener,
aber bäckereiunerfahrener Chemiker,
ein Brot nach wissenschaftlichen
Prinzipien herzustellen, führen zwar
zu mehr oder weniger ess- und verdaubaren
Endprodukten, dem Vergleich
mit den Prachtstücken eines
Bäckermeister halten sie aber nicht
stand.
Obwohl beim Backen nur
die Temperatur erhöht
wird (Tabelle 1), läuft
dabei ein naturwissenschaftliches
Concerto grosso ab, das in
einem fulminanten Finale gipfelt. Es
beginnt unspektakulär: Beim Einschieben
der Brote ist der Ofen bereits
mit Wasserschwaden angefüllt
und auf die kalte Teigoberfläche
schlägt sich Wasser nieder.
Tabelle 1: Backbedingungen verschiedener Brotsorten
Brotsorte, Backzeit und Ofentemperatur
Weizenmischbrot (1 kg) 35—40 min bei 200—230 Grad
Weizenmischbrot (2 kg) 50 min bei 220—230 Grad
Roggenbrot (1 kg) 40—60 min bei 220—230 Grad
Die
freiwerdende Kondensationswärme
sorgt für eine schnelle Erwärmung
der Teigstücke und der Wasserdampf
verhindert das vorschnelle Austrocknen
der äusseren Teigschicht, die dadurch
elastisch bleibt und bei Ausdehnung
nicht reisst.
Bei weiterer Temperatursteigerung
denaturieren die Proteine, die Stärke
verkleistert und der Wasserdampf
bildet Gasblasen, die vom fester werdenden
Teig festgehalten werden.
Zuletzt entstehen in komplexen Reaktionen
aus Aminosäuren und
Zuckern die appetitliche Farbe und
vor allem das verführerische Aroma
des Brotes.
Dabei reagieren unzählige
bereits im Teig vorhandene Verbindungen
gleichzeitig miteinander,
wobei nur die äusseren Teigschichten
die im Ofen zuletzt erzielten Temperaturen
von über 200 °C erreichen. Im Brotinneren steigt die Temperatur
langsamer an und erreicht nur
Werte von maximal 100 °C.
Die chemischen
Prozesse im Inneren unterscheiden
sich also von denen im
äusseren Krumenbereich und die
wiederum sind anders als jene in der
Kruste. Zum besseren Verständnis
wollen wir uns daher einen Überblick
über die bei den verschiedenen
Temperaturen ablaufenden physikalisch-
chemischen Prozesse beim
Brotbacken verschaffen.
Weizenbrot
Am Anfang des Backprozesses vermehren
sich die bis 50 °C lebensfähigen
Hefezellen zunächst noch durch
aeroben (Hefeatmung), dann anaeroben
(Hefegärung) Abbau von aus
Maltose gebildeter Glukose unter
Bildung von Kohlendioxid (CO2)
und Wasser bzw. Ethanol [16].
Ab 65 °C geht es im Teig erst so richtig
los, denn es bildet sich das Herzstück
des Brotes, die Krume: die bei
tieferen Temperaturen leicht verformbaren
Kleberproteine haben
durch die sich ausdehnenden Kohlendioxidbläschen
ein dreidimensionales
Gerüst mit darin eingelagerten
Stärkekörnern gebildet. Bei 65 °C
denaturieren die Kleberproteine und
verlieren dabei ihre Verformbarkeit.
Aus dem plastischen wird ein elastischer
Teig.
Nicht nur die Kleberproteine, sondern
auch die Proteinhaut um die
Stärkekörner denaturiert bei ca.
65 °C und wird dabei wasserdurchlässig.
Das vom Kleberprotein abgegebene
Wasser nehmen die Stärkekörner
nun vollständig auf. Die
Stärke quillt dadurch auf [17] und
das Volumen der Stärkekörner
nimmt um ca. 40 % zu, wobei die
umhüllende Proteinhaut platzt.
Die
gequollene Stärke wird nun von der
_-Amylase (Optimum bei 65 °C)
angegriffen und in grosse Bruchstücke
(Dextrine) gespalten. Gleichzeitig
greift die _-Amylase (Optimum
bei 50 °C) die Bruchstücke
vom Kettenende unter Bildung von
Maltose an.
Durch
den hohen Druck der quellenden
Stärkekörner werden alle kristallinen
Stärkestrukturen zerstört, die Stärke
verkleistert und es bildet sich die gewünschte
feste Krume. Wie sensibel
die „Choreographie“ der verschiedenen
parallel ablaufenden physikalisch-
chemischen Prozesse ist, zeigt
sich an fehlerhaften Broten.
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Ein gut gebackenes Brot hat einzigartige
Materialeigenschaften: Es ist
nicht direkt verformbar, aber durchaus
biegsam und druckelastisch. Die
Krume ist nicht zug-elastisch und dadurch
gut kaubar; sie ist schnittfest
und auch leicht bestreichbar [19].
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Für viele Geniesser ist die Brotkruste
mit dem verführerischen Aroma das
Beste am Brot. Wegen des geringen
Wassergehalts in der Kruste findet
dort nur eine geringe Verkleisterung
der Stärkekörner statt. Bei Temperaturen
ab 110°C reagieren die Abbauprodukte
der Proteine in einer nichtenzymatischen
Bräunungsreaktion
(Maillard-Reaktion [20]) an der
Krustenoberfläche mit den verschiedensten
Sacchariden.
Vor allem die
Arabinose und die von der Amylase
gebildete Maltose tragen zur intensiven
Bräunung und zur Bildung
von Aromastoffen bei. Bei 140 °C
beginnt die Caramelisierung der
Zucker, ab 150 °C beginnen Röstreaktionen.
Beim Backen bilden sich
Hunderte von Aromastoffen, jedoch nur einige wenige
bestimmen das typische Aroma
der Krume und der Kruste.
Backmittel
Malz ist eines der ältesten Backmittel
und wird aus Gerste oder Weizen
hergestellt. Das Korn wird befeuchtet
und der Keimungsprozess nach
wenigen Tagen durch Trocknung
unterbrochen. Weizenmalz ist reich
an Amylasen [24] und wird enzym-
schwachen Weizenmehlen zugesetzt,
so dass die Stärke besser enzymatisch
abgebaut werden kann.
Die im Malz
enthaltene Maltose führt als Nahrungsgrundlage
der Hefezellen zu
deren besserem Wachstum und einer
durch die Entwicklung von CO2 verbundenen
Teiglockerung. Weiterhin
wird Maltose beim Backen zu gewünschten
Aromastoffen abgebaut,
karamellisiert auf der Oberfläche
und verbessert damit die Krustenbräunung.
(L)-Ascorbinsäure
Getreidekörner enthalten keine Ascorbinsäure
(Vitamin C) [25], und
so scheint ihre Zugabe zum Weizenmehl
oder Brotteig vordergründig
eine willkommene Aufwertung eines
Grundnahrungsmittels zu sein. In
Wirklichkeit steckt mehr dahinter,
denn Vitamin C dient in diesem Fall
nur der Qualitätsverbesserung des
Brotes und wird beim Backen vollständig
thermisch abgebaut.
Die Teigverbesserung durch Ascorbinsäure
beruht auf ihrem Eingriff in
die Redoxchemie der Disulfidbrücken
des Klebers. Schon bei der
Mehlreifung und beim Teigkneten
werden die freien HS-Gruppen der
Cysteinbausteine der Kleberproteinketten
über Disulfidbrücken oxydativ
verknüpft. Diese
Vernetzung stabilisiert den Kleber,
macht ihn elastischer und dehnbarer
und hält besser dem Gasdruck der
CO2-Bläschen stand. Dadurch
nimmt das Backvolumen zu.
Weizenmehl kann bis zu 60 mg/kg
natürliches Glutathion enthalten,
das die Backfähigkeit des Mehls verschlechtert,
denn Glutathion greift
in die Bildung der Disulfidbrücken
ein, indem es mit den HS-Cys-Bindungen
der Kleberproteinketten in
Gegenwart von Sauerstoff reagiert. Dadurch wird die Vernetzung
der Kleberproteine verhindert
und als Konsequenz bleibt
der Kleber schwach und die Gasblasen
entweichen. Solche Teige ergeben
nur kleinvolumige und flache
Backwaren, was nicht gerade unserer
Vorstellung von einem prallen runden
Brotlaib entspricht.
Die Verwendung von Ascorbinsäure
als Backmittel ist eine Zufallsentdeckung
des dänische Chemikers
Holger Jörgensen [26]. Diese Wirkung
wurde damals überraschend erkannt,
denn bis dahin konnten nur
mit starken Oxidationsmitteln wie
Kaliumbromat, -persulfat oder -perjodat
vergleichbare Verbesserungen
erzielt werden [27]. Ascorbinsäure ist
genau das Gegenteil eines Oxidationsmittels,
nämlich ein starkes Reduktionsmittel
[28].
Dieser scheinbare
Widerspruch konnte aufgeklärt
werden [29]: Die dem Teig zugesetzte
Ascorbinsäure wird beim Kneten
schon in wenigen Minuten durch den
im Teig eingeschlossenen Sauerstoff
zu Dehydro-ascorbinsäure oxidiert.
Genau genommen verbessert dieses
Oxydationsprodukt die Mehleigenschaften
und nicht die Ascorbinsäure
selbst. Die Aufklärung des Wirkungsmechanismus
der Ascorbinsäure kann
als ein „stereochemisches“ Kleinod
bezeichnet werden.
Der Wirkungsmechanismus der
Mehlverbesserung nach Zugabe von
Ascorbinsäure beruht darauf, dass
die im Teig erst entstehende Dehydroascorbinsäure
das im Mehl
enthaltene Glutathion oxidiert und
damit dessen negativen Einfluss auf
die Kleberqualität ausschaltet.
Insgesamt ist die Herstellung eines
Brotteiges und das anschliessende
Backen ein aufeinander abgestimmter
Ablauf unzähliger chemischer
Reaktionen. Das Aufbrechen und
Neuverknüpfen von Disulfid-brücken sind Redoxreaktionen, der
Abbau von Stärkemolekülen und
Pentosanen sind Hydrolysen, die abwechselnde
Bindung von Wasser an
den Kleberproteinen und an die
Stärke basieren auf der Bildung von
Wasserstoffbrücken und schliesslich
ist die Bildung der Aromastoffe in
Krume und Kruste die Folge von
thermisch induzierten Reaktionen
zwischen Zuckern und Proteinen.
Text: Professor Dr. Klaus Roth, Berlin. Quelle: backmittelinstitut.de. Literaturhinweise: bmi aktuell, Mai 2008, backmittelinstitut.de
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