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11.9.2015 - Rubrik: Backwaren & Confiserie
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Backwaren aus Quinoa, Amaranth, Chia oder Maca?

Die aus den Anden stammende Kartoffel wurde im Mittelalter als Hungersnot-Brecher gefeiert, aber erst seit Kurzem entdeckt die Welt weitere andine Rohstoffe mit einzigartigem Nährwert. Obwohl sie nicht backfähig sind, dienen sie heute der Herstellung von trendigen Backwaren.



Das Scheingetreide Quinoa aus dem Andenhochland gilt als Superfood dank seines hohen Nährwertes.


Bei der Eroberung der Andenländer haben die Spanier der damaligen Bevölkerung Pferde und Kühe «geschenkt», die vorher dort unbekannt waren. Sie «revanchierten» sich mit der Kartoffel, welche in Europa und der neuen Welt zum Grundnahrungsmittel wurde. Aber es gibt in den Anden noch mehr hochinteressante Rohstoffe mit einzigartigem Nährwert: Quinoa, Amaranth, Chia und Maca sind heute bei uns trendige Rohstoffe, vor allem in Backwaren, obwohl sie nicht backfähig sind.

Sie haben ein Superfood-Image, sind glutenfrei und besitzen hohe Gehalte an hochwertigem Protein, was wiederum Veganer sehr schätzen. Die auf peruanische Rohstoffe spezialisierte Firma Sembrador erklärt: «Superfood sind rein natürliche Lebensmittel mit hoch konzentrierten Nährstoffen. Sie haben oft eine lange Tradition und bewährten sich über Jahrhunderte».

Quinoa ist ein Gänsefussgewächs. Die Körner enthalten alle neun essentiellen Aminosäuren, für ein pflanzliches Lebensmittel äusserst ungewöhnlich. Das Scheingetreide wird von der UNO gefördert und heute auch in Europa angebaut. Kürzlich gab der peruanische Spitzenkoch Adolfo Perret (mit Schweizer Wurzeln) in Zürich einen Kochkurs dazu. Vegi-Restaurants haben Beilagen aus Quinoa längst auf die Karte gesetzt, und Conveniencehersteller stellen vegane Fleisch-Ersatzprodukte damit her. Aber auch die andern Superfoods sind «in»: Findige Bäckereien kreieren daraus Functional Food-Produkte mit «weichen» Claims, so etwa Brainfood-Produkte.


«Schlaumeier-Brot» der Luzerner Bäckerei Bachmann mit Chiasamen, die als Brainfood gelten.


Ein Beispiel ist die Luzerner Bäckereikette Bachmann, die ein Bioroggen-Vollkornbrot mit Chiasamen anreichert und es sinnigerweise «Schlaumeierbrot» nennt. Es ergänzt und bereichert gemäss Werbung «eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Das ballaststoffreiche Brot (ohne Weizenmehl) ist ideal für Diäten und arm an gesättigten Fettsäuren. Die Chiasamen sind reich an Antioxidantien, Kalzium, Kalium, Eisen, Omega-3- und Omega-6- Fettsäuren. Sie enthalten doppelt so viel Eiweiss wie Getreide und liefern ein gutes Verhältnis von Omega 3- zu Omega- 6-Fettsäuren».

Nur ein Marketing-Gag?

Auch wenn solche erfolgreichen Anpreisungen vor allem Marketinginstrumente sind, muss man Quinoa & Co durchaus hochwertige Inhaltsstoffe und Gehalte zugestehen. Vor allem in der veganen und glutenfreien Ernährung können sie eine wichtige Rolle spielen, aber auch für Normalkonsumenten sind sie interessant. Brigitte Buri, Ernährungsberaterin der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE verweist auf die Empfehlung der Lebensmittelpyramide einer möglichst abwechslungsreichen Kost und meint, «diese Komponenten können gut als stärkereiche Lebensmittel eingesetzt werden», also die Gruppe der Getreideprodukte und Kartoffeln ergänzen.

Maca ist die knollige Wurzel eines peruanischen Kressegewächses aus der Kreuzblütlerfamilie. Ihr Nachteil: sie besitzt ein moschusartiges Aroma, das man nur mit andern starken Aromen überdecken kann. Früher hatte auch Quinoa ein Handicap; den Gehalt an bitteren Saponinen, vor allem in den Schalen. An der Uni Wageningen wurden neue Sorten ohne Bitterstoffe entwickelt. Quinoa und Amaranth besitzen viel Protein von hoher Wertigkeit, aber Normalkonsumenten haben hierzulande selten Proteinmangelkrankheiten.



Auch die Schwyzer Bäckerei Wüst stellt ein Chiabrot her


Chia ist eine Pflanze aus der Familie der Salbeigewächse. Ihre Samen sind reich an Nahrungsfasern mit Wasserbindevermögen. Sie können ihr 9-faches Gewicht an Wasser aufnehmen. Dieses hohe Quellvermögen macht sie attraktiv für Teigrezepte. Sie werden in veganen Rezepten sogar als Ei-Ersatz verwendet.

Chia und Maca werden ausserdem für ihren «exorbitanten Nähr- und Gesundheitswert» gelobt, ähnlich wie Ginseng. Es gibt dafür zwar noch keine Health Claim-Bewilligungen, aber wenn – wie beim «Schlaumeierbrot» - gesundheitlich vorteilhafte Vollkornprodukte dank Anreicherung mit trendigen peruanischen Körnern vermehrt nachgefragt werden, profitieren sowohl Bäckereien wie auch ihre Kunden.

Eher für Biscuits geeignet

Da die Körner nicht eigenbackfähig sind, eignen sie sich bei Broten als Einlage und Dekor aber ansonsten gut für Biscuits, deren sensorische Qualität eher von Zucker, Fett- und Aromazusätzen stammen. Ihre Rezepte sind flexibler. Die Simmentaler Guetzlibäckerei Gerber stellt mit Erfolg «Bio Quinoa Orange Biscuits» her aus Roggenmehl mit 20% Quinoaflocken. Und die Schaffhauser Bäckerei Köhler stellt ein Biobrot aus Dinkel und Roggen mit 40% Amaranth her. Je kleiner der Anteil an glutenhaltigem Getreide wie hier Dinkel, desto kompakter wird das Brot und desto weniger typisches Brotaroma besitzt es.


Bio Quinoa Orange Biscuits der Simmentaler Bäckerei Gerber: Deklarierte Zutaten: Rohrohrzucker, Roggenmehl, Quinoafocken 20%, Sonnenblumenöl, Hirseflocken, Butter, Eier, Meersalz, Orangenschalenöl 0.3%, Backtriebmittel (Natriumhydrogenkarbonat)


Auf Quinoa, Amaranth und andere glutenfreie Backwaren spezialisiert ist die Dr.Schär-Gruppe, welche ihre im Südtirol hergestellten Produkte via Fach- und Detailhandel vertreibt. Das tiefgekühlte glutenfreie «Meisterbäckers Classic» enthält Reismehl-Sauerteig 25% Maisstärke, Sonnenblumenkerne 6,5%, Leinsaat 6,5%, Apfelfaser, Quinoamehl 2,5%, Apfelextrakt, Hefe, Sorghummehl 2,5% u.a. Bemerkenswert ist der eher hohe Fettgehalt von 9%.

Die Werbung verspricht sogar ein normales Brotaroma: «Es ist ohne Zusatz von Milch und Ei gebacken, zuckerarm und zudem ohne Emulgatoren und Aromen, weshalb es natürlich und intensiv wie traditionell helles Brot im Geschmack ist». Diesen bildet vermutlich die Hefe, während die meisten Quinoa-Brote mit Backpulver gelockert werden. Ein Rezept für ein Chia-Raps-Weizenbrot stammt von der Bäckereifachschule Richemont und enthält Chia, Raps und Haferflocken, die dem Teig vorgebrüht zugegeben werden.

Die Backfähigkeit verbessern

Scheingetreide haben keine Eigenbackfähigkeit. Im Gegensatz zu Weizen oder Roggen fehlen strukturgebende lnhaltsstoffe, die das Wasser im Teig binden und diesem Festigkeit geben, so dass das treibende Gas im Teig verbleibt und das Brot beim Gären und Backen nicht auseinander läuft. Eine Möglichkeit der Strukturgebung ist gemäss der Uni Hohenheim die Verwendung des Enzyms Transglutaminase, das Interpeptidbindungen via Glutamin und Lysin bildet. Bisher wird es vor allem in der Fleisch- und Milchindustrie genutzt, aber ein Einsatz als Mehlbehandlungsmittel bei Weizen wurde auch schon untersucht.

Backversuche der Uni Hohenheim zeigten: Amarantgebäcke besitzen nach einer Behandlung mit Transglutaminase eine stabile Krume. Auch bei Buchweizen und Quinoa zeigten sich deutliche Verbesserungen. Die Gebäcke haben eine rundere Form und eine weniger rissige Oberfläche. Weiterhin stieg mit Transglutaminase bei allen Mehlen die Wasserbindung im Teig und damit die Teigausbeute.

Fazit der Forscher: Transglutaminase eignet sich zur Behandlung von reinen Mehlen aus Pseudocerealien. Die Qualität der Gebäcke erreicht zwar noch bei weitem nicht die Qualität von Weizengebäcken. Aber ein Einsatz von Proteasen oder ein Zusatz weiterer Proteine oder Struktur-gebenden Bestandteilen wie Stärke oder Hydrokolloide versprechen weitere Verbesserungen.

Bezugsquellen und Rezepte

Quinoa aus Bolivien und Chia aus Paraguay werden von der Thurgauer Schälmühle E. Zwicky AG verarbeitet und als geschältes Rohprodukt in Engros-Packungseinheiten über den Gastro-Grosshandel verkauft sowie in Kleinpackungen im Detailhandelskanal. Gekocht schmeckt das Korn dezent, leicht nussig und nicht bitter, aber der Biss ist körniger als beim Reis. Das Wasserbindevermögen ist gut aber nicht so perfekt wie bei Getreide.



Amaranthbrot der Schaffhauser Bäckerei Köhler


Bei Pistor sind auch Amaranth und Chia im Angebot. Bei Zwicky sind Rezepte erhältlich für die Herstellung von Chia-Gel, einem vorgequollenem Halbfabrikat und die Zubereitung von Quinotto. Klipfel Hefe AG offeriert eine 30% Vormischung zur Herstellung von Chia-Brot, d.h. ein Weizenmischbrot mit 3.4% Chiasamen und Hinweis auf «Omega-3».

Auch «Maca ist in der Schweiz sehr gefragt», konstatiert Andy Furrer von Sembrador. «Typische Anwendungen sind als Pulver in Gebäck, Müesli, Smoothie oder Milchmischgetränken, weniger jedoch in Brot wegen seines intensiven Geschmacks». Amaranth steht auch im Angebot, Peru könne aber preislich kaum mit Indien konkurrenzieren. Beschaffen kann man die peruanischen Rohstoffe teilweise im Grosshandel oder in Webshops. Beispiele: www.sembrador.ch, www.veseme.ch, www.americanmarket.ch, www.naturacereal.de, www.claro.ch.

Weiterlesen: Peruanische Rohstoffe im Trend
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