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5.9.2008
| Druckansicht | Schweizer Kartoffeln sind knapp
Die diesjährige Kartoffelernte ist zu klein. Die Kartoffelpreise steigen deshalb an. Trotzdem kehren immer mehr Bauern der Kartoffelproduktion den Rücken.
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Die Schweiz ist ein Kartoffelland, aber nur der Konsum steigt. Die Bauern verlieren langsam das Interesse an der «tollen Knolle».
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58'000 Tonnen Kartoffeln fehlen in diesem Jahr. "Die Anbaufläche ist gegenüber dem Vorjahr um 600 Hektaren gesunken, ein Trend, der schon seit Jahren anhält", sagt Ruedi Fischer, Präsident des Verbandes Schweizerischer Kartoffelproduzenten VSKP. Die anspruchsvolle und arbeitsintensive Kartoffelproduktion verliert an Attraktivität, viele Bauern setzen statt dessen auf Grasland und Milchproduktion. In der Westschweiz steigen viele auf Weizen um, weil das Risiko geringer ist.
So wird in diesem Jahr eine Gesamtkartoffelernte von 408'300 Tonnen erwartet, 16,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Dem steht eine steigende Tendenz beim Kartoffelkonsum gegenüber, wie der "Schweizer Bauer" das Marktforschungsinstitut IHA zitiert. Danach werden gegenüber dem Vorjahr 1,7 Prozent mehr Speisekartoffeln gegessen und 2,9 Prozent mehr Pommes Frites, Chips und ähnliches.
Importe sind nicht billiger
Fritz Stucki, Leiter des Kartoffeleinkaufes beim Branchenleader Fenaco, bestreitet nicht, dass Kartoffelmangel herrscht, und zwar sowohl bei den Speisekartoffeln als auch bei den Frites- und Chipskartoffeln. Er betont aber, dass es sich bei den Zahlungen um Schätzungen handle. "Viele Kartoffelfelder waren bei der Ernteschätzung noch grün. Bei den späten Sorten ist deshalb ein Zuwachs noch gut möglich."
Mitte Oktober werde man den Lagerbestand bilanzieren und frühestens dann allfällige Importanträge stellen. Ein Preisvorteil für die Fenaco sei dadurch nicht zu erwarten. "Rechnet man Zoll und Transportkosten dazu, kommt man etwa auf das Schweizer Preisniveau", sagt Stucki. Das Ziel und der "absolute Wille" sei deshalb, möglichst alle irgendwie verarbeitbaren Kartoffeln zu verarbeiten, betont Stucki.
Der Engpass komme nicht überraschend, sagt Ruedi Fischer. Im Frühjahr wurde zwar gewichtsmässig mehr Saatgut verkauft als im Vorjahr, aber die Saatgutknollen seien "relativ gross" gewesen. Weil es weniger Saatkartoffeln gab und beim Setzen alle 25 Zentimeter ein Kartoffel vergraben wird, reichte die Menge weniger weit als angenommen.
Düngerpreise verdreifacht
Dank der fehlenden Verarbeitungskartoffeln erhalten die Bauern nun bessere Preise. Die Mitte August in der Branchenorganisation Swisspatat ausgehandelten und seit Anfang September gültigen Preise sind im Schnitt um gut drei Franken pro 100 Kilogramm höher. Für die Sorte Agria, die wichtigste Sorte für die Pommes Frites-Herstellung, werden 43.50 Franken bezahlt, 1.65 Franken mehr als im Vorjahr. Noch stärker steigen die Preise für die Chips-Sorten: Die Sorte Lady Claire kostet neu 45.40 Franken pro 100 Kilogramm. Die Preiserhöhungen seien "ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Fischer. Jedoch seien auch die Produktionskosten stetig anstiegen.
"Eine Hektare düngen kostete vor drei Jahren 500 Franken, im nächsten Jahr wird das, mit dem heuer gekauften Dünger, 1'500 Franken kosten." Auch Pflanzenschutz und Diesel würden teurer. "Wir werden deshalb bereits in den nächsten Wochen mit den Abnehmern erste Verhandlungen um die nächstjährigen Preise führen." Für die Kartoffelbauern sei es wichtig, möglichst rasch ein Preissignal fürs nächste Jahr zu haben. Denn die Anbauplanung fürs nächste Jahr laufe bereits. Stucki sagt dazu, dass es wohl keine Nullrunde werde geben können, über die Höhe wolle er sich aber nicht auslassen. "Man muss auch den Markt im Auge behalten", sagt er. Im Detailhandel sei die Konkurrenz gross, auch bei den Kartoffelprodukten.
Bauern und Böden sind kartoffelmüde
Stefan Krähenbühl, Kartoffelbauer und Berater am Inforama Seeland, sieht eine düstere Zukunft für den Schweizer Kartoffelbau. "Viele Kartoffelbauern gehen gegen die Sechzig, die meisten Jungen interessieren sich nicht mehr für die Kartoffeln." Er glaubt deshalb, dass der Rückgang bei den Kartoffelbauern sich beschleunigen wird. Der Wegfall der Überschussverwertung ab dem nächsten Jahr werde eine weitere Professionalisierung zur Folge haben. Viele, die noch "nebenbei" Kartoffeln pflanzen, würden deshalb damit aufhören. Dazu komme, dass viele Böden im Mittelland "kartoffelmüde" seien. "Vielleicht sollte man dem Boden und den Erträgen zuliebe auf einer Parzelle nur alle sieben bis acht Jahre Kartoffeln anbauen statt alle vier Jahre", sagt er. Vier Jahre sind in den heutigen Gesetzesbestimmungen zum Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) erlaubt.
Grosse Preisunterschiede
Verärgert sind die Kartoffelbauern, die auf die Sorte Innovator gesetzt haben. Ihnen empfahl die Fenaco im Frühling, weil zu wenig Agria-Saatgut vorhanden war, Innovator anzupflanzen. Die Fenaco-Tochter Frigemo macht daraus Pommes Frites für McDonald's. Nun ist bei Innovator das Angebot aber grösser als die Nachfrage, der Preis wurde deshalb nur gerade um 60 Rappen nach oben angepasst.
Stefan Krähenbühl, Kartoffelbauer und Berater am Informa Seeland, hält dies für ein falsches Signal, er findet, die Preise für die verschiedenen Sorten müssten näher beieinander sein. "Die Sortensteuerung läuft über den Preis." Wenn der Preis für Innovator jetzt so tief sei, dann werde im nächsten Jahr viel weniger davon angepflanzt. Die Preisdifferenz sei systembedingt, sagt Fenaco-Mann Stucki. Er glaubt, dass Innovator trotzdem für den Anbau interessant bleibt. "Es ist eine gute Sorte mit hohen Erträgen und wenigen Problemen." Deshalb würden den Kartoffelbauern, anders als bei den Speisekartoffeln, auch keine Sortierkosten verrechnet. (Text: LID / Roland Wyss-Aerni)
(gb)
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