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14.12.2009
| Druckansicht | Cafetiers kritisieren Missstand bei Hygienevollzug
Der Schweizer Cafetier Verband SCV fordert eine Harmonisierung des Vollzugs der Lebensmittelkontrollen, denn «es gibt zwischen den Kantonen grosse Unterschiede».
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SCV-Geschäftsführerin Johanna Bartholdi heute von den Medien: «Die Anzahl aller Gastrobetriebe (nicht nur Cafés) pro Risikostufe, die in den Jahresberichten 2008 der kantonalen Lebensmittelinspektorate figuriert, zeigt erhebliche Unterschiede auf. Wir fordern daher eine Harmonisierung des Vollzugs. Was bei Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz möglich ist, sollte auch bei der Lebensmittelsicherheit möglich sein.
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Der Schweizer Cafetier Verband (SCV) hat die Jahresberichte 2008 der kantonalen Lebensmittelinspektorate von 14 Deutschschweizer Kantonen unter die Lupe genommen. Zur Erklärung: Vom Vollzug einheitlich geprüft werden die Selbstkontrolle, die Lebensmittel, Prozesse und Tätigkeiten sowie die räumlich-betrieblichen Voraussetzungen. Aus diesen vier Beurteilungsbereichen ergibt sich dann die Einteilung der Betriebe in 4 Gefahrenstufen.
Gefahrenstufe 1: keine Gefahr, guter allgemeiner Zustand des Betriebes, Lebensmittelsicherheit gewährleistet
Gefahrenstufe 2: kleine Gefahr, genügender Zustand des Betriebes, Lebensmittelsicherheit beeinträchtigt
Gefahrenstufe 3: erhebliche Gefahr, mangelhafter Zustand des Betriebes, Lebensmittelsicherheit in Frage gestellt
Gefahrenstufe 4: grosse Gefahr, schlechter Zustand des Betriebes, Lebensmittelsicherheit nicht gewährleistet
Bei der Selbstkontrolle werden geprüft:
● Anwendung der Prinzipien des HACCP-Konzeptes
● Sicherstellung der guten Hygiene- und Herstellungspraxis
● Die Rückverfolgbarkeit
● Die schriftliche Dokumentation zum Nachweis der getroffenen Massnahmen
D.h. es handelt sich vor allem um „papiernere“ Erzeugnisse (Gefahrenanalyse, Risikobeurteilung, Arbeitsanweisungen, Rezepte, Aufzeichnungen, Kontrollen). Fehlt z.B. bei Kleinbetrieben diese Selbstkontrolle und sind alle anderen Bereiche in Ordnung, fällt der Betrieb bereits automatisch in die Gefahrenstufe 2.
Lebensmittel: Hier werden die Qualität, die Verpackung, die Kennzeichnung, die Deklaration, die Herkunft usw. der Lebensmittel kontrolliert.
Prozesse und Tätigkeiten: In diesem Bereich wird der Umgang mit Lebensmitteln, die Wareneingangskontrolle, die Lagerung, die Behandlung und der Umgang von Lebensmitteln in der Produktion, aber z.B. auch die Schulung der Mitarbeitenden geprüft.
Räumlich-betriebliche Voraussetzungen: Kontrolle der Räume, Fahrzeuge, Einrichtungen, Apparate und Gerätschaften.
Legende: Gliederung nach Gefahrenstufe. Blau: Stufe 1+2 – keine bis kleine Gefahr, Rot: Stufe 3 - erhebliche Gefahr, Grün: Stufe 4 - grosse Gefahr
In 6 Kantonen (GR, TG, UR, SZ, OW, NW) sind keine Betriebe in der Gefahrenstufe 4 zu finden, in 9 Kantonen sind mindestens 80 % aller Betriebe in der Gefahrenstufe 1 und 2 (TG: 97.45 %, GR: 97.36 %, Urkantone = UR, SZ, OW, NW: 96.92 %, BL: 92.73 %, SO: 86.48 %, ZH: 82.92 % und SG: 80 %). Hingegen in den Kantonen BS, BE, LU sind nur noch ca. 73.5 % aller Betriebe in dieser Kategorie zu finden und im Kanton AG sind es sogar nur 22.12 %.
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Bei solchen nicht nachvollziehbaren Differenzen liegt die Vermutung nahe, dass beim Vollzug zu viele subjektive Kriterien einfliessen. Es muss festgehalten werden, dass ein grosser Teil der Kontrollen unverhältnismässig und die festgestellten Mängel in vielen Fällen für die Gesundheit der Konsumenten irrelevant sind.
Obwohl Art. 56 LGV sogenannte risikobasierte Kontrollen vorschreibt, wird nur ein unwesentlicher Unterschied zwischen Gross- und Kleinbetrieben gemacht. Die ganze EU-konforme Lebensmittelgesetzgebung ist auf die Industrie zugeschnitten, der durchschnittliche gastgewerbliche Betrieb ist praktisch nicht in der Lage den Vorgaben zu entsprechen. Bekundet hingegen die Industrie selber Schwierigkeiten, die Vorschriften einzuhalten, dann wird einfach die Gesetzgebung geändert.
Bsp. Schlagrahm (gemäss Anhang HyV):
Toleranzwerte bis 2005: 100‘000/g aerobe, mesophile Keime
seit 2006: 10‘000‘000/g
Es wäre wünschenswert, wenn alle gastgewerblichen Betriebe, welche bis und mit 2005 Gebühren für Nachkontrollen oder sogar Bussen wegen Überschreitung des Toleranzwertes bei Schlagrahm erhalten haben, diese zurückfordern würden, wenn die damaligen gemessenen Werte nun unter 10 Mio. aerobe, mesophile Keime liegt (damals 100‘000).
Fazit und Forderungen
Basel-Stadt, Bern, Luzern und Aargau werden auf eine graue Liste gesetzt auf Grund der Resultate 2008.
Der SCV fordert eine Vereinheitlichung des Vollzugs analog der Arbeits- und Gesundheitssicherheit. Hier bestehen genaue Vorschriften über das Vorgehen, aber insbesondere auch eine klare Differenzierung zwischen Klein- und Grossbetrieben (ab 20 Mitarbeitenden). Bis 20 Mitarbeitende sind die Betriebe vom administrativen Aufwand für den Nachweis in den meisten Punkte entbunden, wenn sie „glaubhaft nachweisen“ können, dass entsprechende Vorkehrungen befohlen und bekannt sind.
Die ganze Lebensmittelhygiene-Gesetzgebung wird bereits wiederum komplett revidiert, damit die EU-Konformität gegeben ist. Diese EU-Konformität kommt nur der Export-Industrie zu gute und setzt die gewerblichen, lebensmittelverarbeitenden Betriebe nur noch mehr unter Druck.
Veröffentlichung der Resultate der Kontrollen
Es kann und darf nicht Aufgabe des Staates sein, wie eine Rating-Agentur Betriebe zu kategorisieren und mit der Veröffentlichung dieser Einteilung private Unternehmen – quasi staatlich verordnet – an den Pranger zu stellen. Die Vollzugsorgane haben die Betriebe nicht zu diffamieren und damit wirtschaftlich zu schädigen; dies umso mehr, als die lebensmittelrechtlichen Kontrollen präventiv erfolgen, in den meisten Fällen unabhängig von einer möglichen Gesundheitsgefährdung.
«Kleinbetriebe der Gastronomie sind nicht hygiene-fachtechnisch aber administrativ oft überfordert», so SCV-Geschäftsführerin Johanna Bartholdi. «Und bei der Hygiene müssen sie die Selbstkontrolle beweisen, während bei der Arbeitssicherheit nur eine glaubhafte Darstellung nötig ist. Ohne schriftliche Beweise landen sie automatisch in der Gefahrenstufe 2 (Stufe 1 ist die tiefste: auch ein tadelloser Betrieb wird in die 1 eingeteilt)»
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Die lebensmittelrechtliche Kontrolle hat vielmehr die wirkungsvolle, unverzügliche und effiziente Behebung festgestellter Beanstandungen und damit die nachhaltige Erhöhung der Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Zielführende Massnahmen verlangen gezielte Kontrollen und Nachkontrollen inklusive die den Vollzugsorganen heute schon zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten – als ultima ratio bis hin zur Betriebsschliessung. Zufällige, nicht repräsentative Momentaufnahmen mit Prangerwirkung bewirken keine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse von Problembetrieben.
Restaurantgäste studieren sicher lieber die Speisekarte als Kontrollberichte, denn sie setzen wohl voraus, dass ein kontrollierter Betrieb kein Risikobetrieb ist, der trotzdem wirten darf mit Warnhinweispflicht – zu recht.
Der SCV wehrt sich mit allen Mitteln dagegen, dass es zu einer Publikation der Betriebe kommt, welche bei den Kontrollen schlecht abschnitten haben. Ebenso könnte man eine Publikation der Fehlleistungen der öffentlichen Hand, der Verwaltungen und der Steuerbehörden verlangen. Als prüfenswert erscheint uns die Reaktion eines Mitgliedes unseres Verbandes, der beschlossen hat, ihm persönlich bekannte Mitglieder der kantonalen Exekutive und Legislative, welche sich für eine Veröffentlichung der Resultate aussprechen, Hausverbot zu erteilen. (Text: SCV. Bilder und Bildlegenden: foodaktuell.ch)
Weiterlesen: Veröffentlichung von Hygieneberichten?
(gb)
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