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8.3.2010
| Druckansicht | Gentechanbau legt zu aber «gentechfrei» boomt
Ein Gentech-Bericht zeichnet gemäss Umweltschützern ein gefälschtes Bild im Auftrag der Gentech-Lobby. EU lässt GVO-Kartoffel Amflora zu - Stärkehersteller gehen auf Distanz.
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Der Jahresbericht der International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Application (ISAAA) http://www.isaaa.org stösst in Umweltschutzkreisen auf Erstaunen, denn der von den grossen Gentechnik-Konzernen finanzierte Bericht spricht von einem Siegeszug der Agro-Gentechnik. Nach Einschätzungen der Umweltorganisationen stagniert die Entwicklung der grünen Gentechnik allerdings deutlich. "Der Bericht zeichnet ein gefälschtes Bild im Auftrag der Gentech-Lobby", meint GLOBAL2000-Sprecher Jens Karg http://www.global2000.at. Der Anbau des Gentech-Mais Mon810 - der einzigen in der EU zugelassenen Gentech-Pflanze - ist um 15 Prozent zurückgegangen", so Karg. Doch darüber sei im "geschönten Bericht" nichts zu lesen.
"Während 2008 die Anbaufläche für Gentech-Mais in der EU noch knapp 108.000 Hektar betrug, wurde im Vorjahr nur noch auf zirka 92.000 Hektar Gentech-Mais ausgebracht", rechnet Karg vor. "Das sind 0,78 Prozent der gesamten europäischen Maisanbaufläche von insgesamt 14 Mio. Hektar." Der Grossteil der Gentech-Pflanzen Europas - insgesamt 80 Prozent - werden in Spanien angebaut. Dort sei die Anbaufläche im Vorjahr um 3.000 Hektar zurückgegangen.
"In sieben europäischen Ländern ist der Anbau von Mon810 im Vorjahr verboten worden." Legale dürfe derzeit nur in Portugal, Slowakei, Spanien, Rumänien und Tschechien angebaut werden. Illegal angebaut wurden schätzungsweise 3.000 Hektar in Polen. "Der ISAAA-Report rechnet diese illegalen Anbauflächen kommentarlos zu den Zahlen des Gentechnikanbaus in der EU dazu", so Karg. Das sei ein Indiz für den laxen Umgang dieser Industrie mit Wissenschaft und Gesetzen.
Gentechfreie Produkte boomen in den USA
Keine Erwähnung findet die Tatsache, dass in den USA das Interesse für gentechnikfreie Produkte stark im Steigen ist. "Von einem Siegeszug kann man hier nicht sprechen", so Karg. "Im Gegensatz zu den Behauptungen des ISAAA, erwirtschaften Landwirte bis heute keine höheren Erträge mit Gentech-Pflanzen. In erster Linie werden Gentech-Pflanzen von Betrieben verwendet, die auf Monokulturen setzen." Mit keinem Wort erwähnt, werde im Bericht auch der wissenschaftlich bewiesene Umstand, dass gentechnisch veränderte Pflanzen immer stärkere Pestizide brauchen, da sich Resistenzen bilden. Das bedeutet auch, dass die Kosten für die Landwirte deutlich steigen.
Eine Gentech-Reis-Zulassung für eine chinesichese Provinz werde von ISAAA zu einer Grundsatzentscheidung für ganz China hoch stilisiert, kritisiert Karg. "Wahr ist jedoch, dass die Zulassung nur für jene Provinz gegeben wurden, deren Universität den Reis entwickelt hat. In der Vergangenheit hat es mehrere dieser Zulassungen gegeben, ohne dass es zu einer China-weiten Anbauerlaubnis gekommen ist."
Greenpeace http://www.greenpeace.at argumentiert, dass für die Konsumenten bis heute sowieso keinerlei Vorteile der Grünen Gentechnik sichtbar sind. Die globalen Anbauversuche und der Vertrieb von Gentech-Pflanzen beeinflusse allerdings die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung negativ. Erst im Herbst 2009 deckte Greenpeace auf, dass aus Kanada stammende Lieferungen von mit Gentechnik verunreinigtem Leinsamen auch in Österreich auf den Markt gelangt waren. (pte)
Zunahme der GVO Anbaufläche auf 133 Millionen Hektaren
Im Jahr 2009 stieg die Anbaufläche von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) um 9 Millionen Hektaren oder gut 7 Prozent auf 133 Mio. Hektaren. Der mit Abstand grösste Produzent von GVO sind nach wie vor die USA. Dort wurde der Anbau relativ betrachtet aber nur noch unterdurchschnittlich ausgedehnt, nämlich um 1,5 Mio. ha oder 2,4 Prozent auf 64,0 Mio. ha. Dies geht laut einer Medienmitteilung von Agra-Europe vom 24. Februar aus dem Bericht des Internationalen Büros für die Akzeptanz agrarbiologischer Anwendungen (ISAAA) hervor.
Laut dem ISAAA-Jahresbericht machte Brasilien einen gewaltigen Sprung beim Anbau von GVO: Brasilien verzeichnete 2009 mit 5,6 Mio. ha oder 35 % auf insgesamt 21,4 Mio. ha die absolut grösste Ausweitung des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturen. Auch in Argentinien, wo der gesamte Sojaanbau auf gentechnisch veränderten Sorten basiert, wurde der Anbau von GVO weiter ausgedehnt, nämlich um 0,3 Mio. ha auf 21,3 Mio. ha.
In Indien wuchs der Anbau von Bt-Baumwolle auf 8,4 Mio. ha, und in Kanada wurden auf insgesamt 8,2 Mio. ha GVO ausgesät. In China ging der Anbau dagegen leicht auf 3,7 Mio. ha zurück. In der EU spielt der GVO-Anbau aufgrund der restriktiven Zulassungspolitik und grosser Bedenken der Konsumenten kaum eine Rolle: 2009 ging die GVO Fläche bedingt auch durch das deutsche Bt-Maisanbauverbot von 107700 ha auf unter 95000 ha zurück. (LID)
EU lässt Anbau der GVO Kartoffel Amflora zu
Die EU-Kommission hat am 2. März 2010 den Anbau der Stärkekartoffel Amflora des Chemiekonzern BASF zu industriellen Zwecken erlaubt. Es ist die erste Zulassung einer gentechnisch veränderten Pflanze in der EU seit 1998. Die Kartoffel produziert Stärke, die vollständig aus Amylopektin besteht. Zusätzlich enthält sie eine Antibiotikaresistenz als Markergen. Der Beschluss enthalte strenge Vorgaben für den Anbau, berichtet der Agrarpressedienst AIZ am 2. März.
Die Kartoffel kann beispielsweise für die Papierherstellung verwendet werden. Diese innovative Biotechnologie optimiere den Produktionsprozess und senke den Verbrauch an Rohstoffen, Energie, Wasser und aus Erdöl hergestellten chemischen Produkten, meinte die EU-Kommission. Zusätzlich könnten die Nebenprodukte der Stärkeindustrie als Futter- und Lebensmittel verwendet werden, berichtet Agra-Europe.
Der Zulassung ging ein jahrelanger Schlagabtausch zwischen der EU-Behörde und BASF voraus. Erstmals stimmten die EU-Mitgliedstaaten Ende 2006 über die Zulassung ab. Die Entscheide waren aber jeweils zu knapp, so dass die Entscheidung wieder an die Europäische Kommission zurückfiel. Im Juni 2009 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zum dritten Mal die Unbedenklichkeit der Kartoffel bescheinigt. (LID)
Kartoffelindustrie geht auf Distanz zu Amflora
Kartoffelverarbeiter und Kartoffelhandel stehen der jetzt zugelassenen gentechnisch veränderten Stärkekartofel Amflora kritisch gegenüber. Der Deutsche Kartoffelhandelsverband (DKHV) weist ausdrücklich darauf hin, dass die Akzeptanz der Verbraucher für gentechnisch veränderte Produkte fehlt. Der DKHV betont allerdings, dass es sich bei der Sorte um eine Stärkekartoffel für die Industrie handelt. Deswegen müsse alles dafür getan werden, um eine Vermischung mit Kartoffeln für Nahrungszwecke auszuschliessen, zitiert agrarzeitung.de den Verband.
Der Bundesverband der Obst-, Gemüse- und Kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK) wiederum erinnert an die Haltung des Lebensmitteleinzelhandels, der die Lieferung gentechnikfreier Ware verlangt. Selbst die Stärkehersteller gehen auf Distanz. Die Südstärke produziert vorwiegend für die Nahrungsmittelindustrie und ist zu Gentechnikfreiheit verpflichtet. Für die Emslandstärke betont Henk Jaap Meijer, zuständig für das Marketing, dass gentechfreie Amylopektinkartoffeln aus eigener Entwicklung vorliegen. Das Unternehmen will sich nach seinen Abnehmern richten, um weder die Produktion noch seine Erzeuger zu gefährden. (LID)
Lebensmittel Diskussionen um Gentechnik-Kennzeichnung
Eigentlich sind die Regeln klar und transparent: Lebensmittel, die aus gentechnisch
veränderten Organismen (GVO) hergestellt werden, müssen in
Europa klar gekennzeichnet werden. Dies gilt auch für gereinigte Produkte, in denen keine gentechnische Veränderung nachweisbar ist (z. B. Öl, Zucker).
Sowohl in der Schweiz als auch in der EU sind entsprechende Vorschriften
seit vielen Jahren in Kraft.
Eine Kennzeichnungspflicht für Produkte
von Tieren, die mit GVO gefüttert wurden (z. B. Milch, Eier, Fleisch) ist
dagegen nicht vorgesehen – ob bei der Fütterung GVO wie z. B. herbizidtolerante
Sojabohnen oder insektenresistenter Bt-Mais verwendet wurden,
hat auf die Zusammensetzung der tierischen Produkte keine Auswirkung.
Eine Kennzeichnung wäre daher keine bedeutungsvolle Aussage über die
Produktqualität.
In der Schweiz ist die Fütterung mit GVO-Pflanzen erlaubt, spielt in der
Praxis gegenwärtig aber kaum eine Rolle. In der EU hingegen kommen
verbreitet Biochtech-Pflanzen in den Futtertrog. Gentech-kritischen Kreisen
ist das als mangelnde Transparenz empfundene Fehlen einer Kennzeichnungs-
Vorschrift für GVO-gefütterte tierische Produkte schon länger ein
Dorn im Auge. In der Schweiz und Deutschland besteht daher ebenfalls
schon seit etlichen Jahren die gesetzlich vorgegebene Möglichkeit, ohne
GVO-Einsatz produzierte Lebensmittel entsprechend auszuzeichnen.
Voraussetzung
dabei war bisher, dass tatsächlich auf keiner Stufe des Produktionsprozesses
Gentechnik im Spiel war – diese Regelung bezieht sich nicht
nur auf die Futterpflanzen, sondern auch auf Futtermittelzusätze wie Vitamine
und Aminosäuren. Da diese aber heutzutage sehr oft biotechnologisch
mit Hilfe von GVO-Mikroorganismen produziert werden, fanden sich kaum
als "Gentechfrei" deklarierte tierische Produkte im Handel. 2008 wurden in
Deutschland die bisher strengen Vorschriften für die Kennzeichnung "ohne
Gentechnik" stark aufgeweicht, so dürfen
dort auch Produkte von Tieren, die ein Teil ihrer Lebenszeit mit GVOPflanzen
gefüttert wurden oder Biotech-Zusätze erhielten als "ohne Gentechnik"
angeschrieben werden. Ziel dabei war, das Angebot an Gentechfrei-
gekennzeichneten Lebensmitteln im Handel zu erhöhen – bisher
allerdings nur mit geringem Erfolg.
Die fehlende Transparenz und die oft als
Verbrauchertäuschung empfundene lasche Definition der Kennzeichnungsregeln
führten bei den Lebensmittelherstellern zu grosser Zurückhaltung bei
der Anwendung des Labels. Daran vermochte auch das im Jahr 2009 in
Deutschland eingeführte neue Logo "ohne Gentechnik" bisher wenig zu
ändern. Trotzdem gab es auch in der Schweiz Vorstösse im Parlament, mit
Hinweis auf die Neuregelung in Deutschland, die ebenfalls eine weniger
strenge Auslegung der Vorschriften für eine "ohne Gentechnik"-
Kennzeichnung forderten. Diese wurden bisher allerdings mit dem Hinweis
auf den Täuschungsschutz der Konsumenten abgelehnt.
In Deutschland wird die gegenwärtige Situation als unbefriedigend empfunden.
Der Präsident des deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner,
appellierte an die Gesellschaft, sich zu entscheiden was sie wolle. Er bezeichnete
die gegenwärtigen Kennzeichnungsregeln als "unehrliche Praxis",
und forderte entweder eine Rückkehr zur produktbezogenen Kennzeichnung,
bei der nur das gekennzeichnet werden müsse was tatsächlich als
gentechnisch verändert nachweisbar sei, oder aber eine konsequente Prozesskennzeichnung,
bei der jeglicher Einsatz der Gentechnik deklarationspflichtig
sei.
Ins gleiche Horn stiess auch der Chef der Bundesvereinigung
der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Matthias Horst. Er forderte
im Namen der gesamten Branche, dass alle Produkte, die in irgendeiner
Form mit Gentechnik Kontakt hatten, einen entsprechenden Hinweis auf
dem Etikett tragen sollten – also auch GVO-gefütterte tierische Produkte.
Dies würde nach Schätzungen mindestens 60% der Lebensmittel in
Deutschland betreffen. Diese Forderung kommt einem Positionswechsel
gleich – bisher hatte die Lebensmittelbranche eine GVO-Kennzeichnung, die
nur etwas über das Herstellungsverfahren, aber nichts über die Zusammensetzung
der Zutaten aussage, stets abgelehnt.
Da Kennzeichnungsvorschriften für GVO-Produkte in der EU einheitlich
geregelt werden müssen, strebt die deutsche Bundesagrarministerin Ilse
Aigner einen Neuanlauf bei der EU-Gentechnikkennzeichnung an. Dabei soll
auch die Kennzeichnung von Produkten aus GVO-gefütterten Tieren geklärt
werden. Es ist allerdings noch unklar, ob sie dort eine Mehrheit finden wird
– und selbst dann mahlen die Mühlen in Brüssel langsam, mit einer baldigen
Änderung der Kennzeichnungsvorschriften in der EU ist daher eher nicht zu
rechnen.
Quellen: "Keine halbseidenen Lösungen in der GVO-Kennzeichnung mehr", Deutscher
Bauernverband DBV, 28. 01. 2010; "Gentechnik: Lebensmittelbranche für klare Kennzeichnung", Spiegel online, 22, 1, 2010; "Lebensmittelwirtschaft und Bauernverband für umfassende
Gentechnik-Kennzeichnung", www.transgen.de, 23. 01. 2010; Motion Laurent Favre,
"Angepasste Kennzeichnungsvorschriften und einheitliches Logo für Produkte ohne Gentechnik", Schweiz. Nationalrat, eingereicht 24. 09. 2009.
(Internutrition)
(gb)
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