Neues zu EU-Anerkennung von Ursprungsbezeichnungen und THG-Bundesgesetz (cassis de Dijon). Für Gruyère und Vacherin wurde eine Koexistenzregelung vereinbart.
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Der schweizerische Gruyère AOC ist der einzige legale AOC-Gruyère in Europa.
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Gegenseitige Anerkennung
von Ursprungsbezeichnungen mit der EU
Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über ein Abkommen
zur gegenseitigen Anerkennung der geschützten Ursprungsbezeichnungen
(GUB respektive AOC) und der geschützten geografischen Angaben
(GGA respektive IGP) wurden im Juli 2010 abgeschlossen. Das Abkommen
liegt vor, ist jedoch vorläufig
nicht zugänglich. Momentan läuft die Ratifikation; zuständig ist der Bundesrat. Das Bundesamt für Landwirtschaft
(BLW) hat am 19. August 2010 zu einer Informationsveranstaltung
über das Abkommen eingeladen. Gemäss den Informationen des BLW soll das Abkommen Mitte 2011, spätestens aber Anfang 2012 in Kraft treten.
Alle Produkte respektive geschützten Bezeichnungen, welche anfangs 2010 von der Schweiz und der EU gegenseitig
zur Konsultation ausgetauscht wurden, sind auch in der Schlussfassung
Bestandteil des Abkommens bzw. der Listen, welche gegenseitig anerkannt werden sollen. Emmentaler AOC ist dementsprechend weiterhin nicht auf den Listen enthalten. Vorläufig gelten diesbezüglich die bestehenden
Verträge (sieben bilaterale Abkommen mit EU-Staaten sowie das Stresa-Übereinkommen) weiter.
Koexistenz
Für Gruyère und Vacherin wurde eine Koexistenzregelung vereinbart. Während beim Vacherin sowohl in der Schweiz als auch in Frankreich AOC-Produkte vorgesehen sind, hat Frankreich beim Gruyère auf die Eintragung von AOC-Bezeichnungen verzichtet und anerkennt damit, dass der französische Gruyère – sollte er in Zukunft effektiv geschützt werden
– als geografische Angabe (GGA) und nicht als geschützte Ursprungsbezeichnung
(GUB respektive AOC) geschützt werden kann. Demnach ist der schweizerische Gruyère AOC der einzige AOC-Gruyère, der in Europa legal ist und verkauft werden kann.
Grundsätzlich gilt eine Übergangsfrist
von zwei Jahren. Das heisst, dass nach Ablauf dieser Frist in der Schweiz keine Produkte unter den in der EU geschützten Bezeichnungen mehr hergestellt oder auch aus Drittländern
importiert werden dürfen.
Dasselbe gilt für die geschützten Schweizer Produkte im Gebiet der EU. Eine dreijährige Übergangsfrist wurde
für drei Fleischspezialitäten (unter anderem Bündnerfleisch) festgelegt. Eine fünfjährige Übergangsfrist gilt sodann für die Bezeichnungen Gruyère,
Sbrinz, Munster, Taleggio, Feta, Fontina, Chevrotin, Reblochon und Grana Padano.
Besondere Übergangsfristen für die Weiterverarbeitung
Sogar eine sechsjährige Übergangsfrist
wurde für die Weiterverarbeitung
(Portionieren, Reiben und Verpacken) von Grana Padano und Parmigiano Reggiano in der Schweiz vereinbart. Bedingung ist, dass diese Produkte nur für den Schweizer Markt weiterverarbeitet werden und kein Re-Export stattfindet. Zudem darf keine Verwendung von Symbolen
oder Erwähnungen der EU (Italien) angebracht werden.
Diese
spezielle Übergangsfrist geht auf entsprechende Begehren der schweizerischen
Verarbeitungsindustrie zurück, da insbesondere erhebliche Mengen Reibkäse der Sorten Grana Padano und Parmigiano Reggiano in der Schweiz hergestellt werden. Die bestehenden Reibkäselinien sind somit
auf sechs Jahre ab Inkrafttreten des Abkommens (d.h. vermutlich auf Mitte 2017 / Anfang 2018 hin) abzuschreiben
oder einer neuen Nutzung zuzuführen.
"Cassis-de-Dijon"-Prinzip
Am 1. Juli 2010 ist das revidierte Bundesgesetz über Technische Handelshemmnisse
(THG) in Kraft getreten.
Produkte, die den technischen Vorschriften eines EU- oder EWR-Landes entsprechen, können unter Anrufung des "Cassis-de-Dijon"-Prinzips in der Schweiz in Verkehr gebracht werden, auch wenn sie den hiesigen technischen Vorschriften nicht entsprechen.
Für Lebensmittel ist jedoch vorgängig eine Bewilligung des BAG einzuholen. Bei der neu geschaffenen
"Anmeldestelle Cassis-de-Dijon" sind bislang 39 Gesuche eingegangen. Erste Entscheide wurden
am 27. August 2010 publiziert.
Die Einführung des "Cassis-de-Dijon"-Prinzips für Produkte aus dem EG- und EWR-Raum stellt speziell
für das Lebensmittelrecht einen Meilenstein dar. Sie wird den Druck auf eine weitere Angleichung des Verordnungsrechts an jenes der EU – bzw. im nicht-harmonisierten Bereich
an jenes der EU-Länder – verstärken.
Erste Bewilligungsgesuche, noch keine Allgemeinverfügungen
Am Stichtag vom 1. Juli sind beim BAG die ersten vier Gesuche eingegangen.
Aktuell, d.h. mit Stand vom 18. August, umfasst die Liste 39 Gesuche.
Zahlenmässig am häufigsten kommen Nahrungsergänzungsmittel
vor (17 Gesuche), gefolgt von Getränken, inkl. Spezialgetränke, Fruchtsäfte und Sirupe (12). Für Milchprodukte (Käse, Rahm) sind 4 Gesuche eingereicht worden, für Fisch- und Fleischprodukte 3. Je ein Gesuch entfällt auf Teigwaren, Folgenahrung und Tabak.
Das BAG prüft nun diese Gesuche gestützt auf die am 19. Mai 2010 vom Bundesrat verabschiedete "Verordnung über das Inverkehrbringen von Produkten nach ausländischen Vorschriften, VIPaV)" und den vom seco und dem BAG publizierten "Erläuterungen".
BAG-Entscheide innert zweier Monate
Was konkret Gegenstand der beantragten
Bewilligung ist, geht aus der publizierten Liste nur rudimentär oder gar nicht hervor. Bei den Nahrungsergänzungsmitteln
geht es um die Zulassung von Pflanzenbestandteilen,
die in der Schweiz bislang nur in Heilmitteln verwendet werden dürfen (z.B. Ginko oder Echinacea) sowie um Gehalte an Vitaminen und Mineralstoffen, die über der maximal zulässigen Tagesdosis liegen.
Diese Gesuche dürften einen schweren Stand haben, da die Nahrungsergänzungsmittel
eine der Ausnahmen darstellen, auf die das "Cassis-de-Dijon"-Prinzip nicht anwendbar ist. Das BAG ist gemäss Art. 16d Abs. 4 THG gehalten, über Gesuche innert zwei Monaten zu entscheiden. Diese Frist steht jedoch still, falls das BAG Ergänzungen anfordert (Art. 5 Abs. 2 VIPaV).
Erste Bewilligungen erteilt
Seit dem 27. August 2010 sind auf der Website www.cassis.admin.ch (-> "Erteilte Allgemeinverfügungen") die ersten sechs Bewilligungen aufgeschaltet.
Diese sind noch nicht rechtskräftig und beziehen sich auf Schinken aus Österreich, Fruchtsirup aus Frankreich, kohlensäurehaltige Limonade aus Italien, geriebenen Käse aus Deutschland, Käse und Käsezubereitungen aus entrahmter Milch aus Frankreich sowie auf Cider aus Dänemark.
Vorgehen für die Einreichung von Bewilligungsgesuchen
Auf der Internetseite www.cassis.admin.ch finden sich alle zweckdienlichen
Informationen für die Einreichung
von Gesuchen, wie u.a. die massgebenden rechtlichen Bestimmungen,
die Gesuchsformulare, ein Ablaufschema für das Verfahren und die wichtigen "Erläuterungen" zur VIPaV. Ein Gesuch kann auch von einem Hersteller eingereicht werden,
der ausschliesslich Produkte für den Inlandmarkt herstellt. Er hat dann nachzuweisen, dass ein entsprechendes
Lebensmittel in einem EU/EWR-Land rechtmässig in Verkehr
ist.
In jedem Fall lohnt es sich vorgängig
einer Gesuchseinreichung, zwei Punkte abzuklären, die es als angezeigt
erscheinen lassen, auf das Gesuch
zu verzichten:
1. Fällt das Lebensmittel, bzw. die beantragte Abweichung unter eine der in Art. 2 Bst. a VIPaV genannten
Ausnahmen (z.B. GVO-Produkte, Allergendeklaration, Ergänzungsnahrung und Nahrungsergänzungsmittel)?
2. Ist ein analoges Produkt bereits zur Bewilligung angemeldet oder liegt sogar schon eine "Allgemeinverfügung"
vor, die bezüglich
ihres Anwendungsbereichs auf das Lebensmittel Anwendung findet? Das BAG publiziert regelmässig
die entsprechenden Listen unter www.cassis.admin.ch. (Text: fial)
(gb)
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