Radioaktivität ist in Japan in Trinkwasser, Milch und Spinat nachweisbar in der Nähe der Unglücksreaktoren. Viele werden sie trotzdem konsumieren angesichts der Nahrungs-Knappheit.
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Japanische Milch: die Atom-katastrophe hat die Nahrung erreicht (Foto: FlickrCC/Yoshihito)
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Die Radioaktivität, die infolge des schweren Atomunfalls der japanischen Kernkraftwerke Fukushima Daiichi freikam, hat mittlerweile auch die Nahrungskette erreicht. In den Augen der Weltgesundheits-Organisation WHO ist die Lebensmittelsicherheit in Japan bereits ein "ernstes Problem". Welche Folgen aus heutiger Sicht zu erwarten sind, erklärt Werner Kirchinger, Nuklearmediziner am Institut für Strahlenschutz des Helmholz Zentrums München.
Die Lage in den havarierten Reaktoren ist auch zehn Tage nach dem Erdbeben noch nicht im Griff. Der externe Stromanschluss zum Betrieb der Kühlpumpen wurde zwar hergestellt, doch Reaktor 3 raucht weiterhin, zudem gibt es laufend Nachbeben mittlerer Stärke. "Selbst falls im besten anzunehmenden Fall die weitere Freisetzung radioaktiver Strahlung verhindert wird, sind langfristig drastische Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung nötig", erklärt Kirchinger. "Ähnlich wie bei Tschernobyl muss eine Schutzhülle über den Unglücksmeilern errichtet werden. Selbst im besten Fall muss zudem die 20-Kilometer-Zone unbewohnte Sperrzone bleiben, da die Dosisbelastung über lange Zeit zu hoch ist."
Schon heute sind die früheren Bewohner dieser Zone evakuiert. Wie viele Menschen sich allerdings noch in der erweiterten 30-Kilometer-Zone aufhalten, kann man derzeit kaum abschätzen. Die durch den Tsunami zerstörte Infrastruktur erschwere hier jede Aussage.
Das kleinere Übel
Laut Informationen der IAEA überlegt Japan, den Verkauf von Nahrung nahe der Unglücksreaktoren zu verbieten. Bestimmte Lebensmittel nehmen Radioaktivität besonders stark auf, erklärt Kirchinger. "Betroffen sind vor allem Blattspinat und Zwiebel, jedoch auch bei Kühen der Region liess sich bereits radioaktives Jod und Cäsium feststellen." Dass die kontaminierte Nahrung weggeworfen wird, sei jedoch unwahrscheinlich. "Angesichts der derzeitigen Knappheit an Nahrungsmittel in Japan heisst die Wahl in manchen Regionen: Verhungern oder verstrahlt werden. Viele werden sich für das kleinere Übel entscheiden."
Radioaktives Jod zerfällt relativ rasch aufgrund der kurzen Halbwertszeit von rund acht Tagen. Nach dem Verzehr kann es sich jedoch in der Schilddrüse ansammeln, wodurch das Risiko für Schilddrüsenkrebs steigt. "Geringen Schutz haben die Japaner immerhin dadurch, dass sie viel Fisch und Algen verzehren, die beide viel Jod enthalten. Ihre Schilddrüse ist somit bereits mit 'gutem' Jod angereichert", schätzt der Nuklearmediziner.
Folgen für Trinkwasser und Meerestiere
Verstrahltes Jod gibt es mittlerweile auch im Leitungswasser des 200 Kilometer südwestlich gelegenen Tokio. "Die Menge der Strahlung entscheidet darüber, ob ein Gesundheitsrisiko daraus entsteht. Falls die derzeitigen Daten stimmen, beträgt die Belastung allerdings erst ein Zehntel des Grenzwertes. In diesem Fall wäre das Wasser also weiterhin trinkbar."
Auch das Meer vor dem Reaktor - der pazifische Ozean - hat seinen Teil von der Strahlung abbekommen. Obwohl das Wasser hier rasch eine Verdünnung bewirken werde, könnten auch hier Meeresorganismen betroffen sein. "Möglich ist, dass verstrahltes Plankton von Fischen verzehrt wird und somit in die Nahrungskette gelangt", spekuliert Kirchinger. Ein russisches Forschungsschiff geht dieser Frage derzeit nach, darüber hinaus werden Produkte aus dem Meer Stichproben unterzogen. (pte)
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Japanische Fisch-Spezialitäten: Sashimi
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Zur möglichen Kontamination von Fischen und Meerwasserpflanzen
Aus Radioaktivitäts-Messdaten für Fische aus Nord- und Ostsee, die seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl in den vergangenen 25 Jahren erhoben wurden, haben die Wissenschaftler des Johann Heinrich von Thünen-Instituts (vTI) gelernt, dass sich in gut durchströmten Meeren, wie zum Beispiel der Nordsee, Kontaminationen relativ schnell verdünnen. So wurde in der Nordsee nach 1986 eine schnelle Abnahme der Cäsium-137-Messwerte sowohl im Meer als auch im Fisch beobachtet.
Bereits im Jahr nach der Katastrophe war praktisch kein Tschernobyl-Cäsium mehr nachweisbar. Stattdessen zeigen die Messungen sowohl im Fisch als auch im Meerwasser eine „Hintergrund-Kontamination“ durch Cäsium-137 aus den oberirdischen Kernwaffentests der 1950er und 1960er Jahre. Für die Messungen im Meerwasser ist in Deutschland das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) verantwortlich.
Aufgrund dieser Informationen kann nach derzeitigem Wissensstand für den Pazifischen Ozean ebenfalls davon ausgegangen werden, dass sich radioaktive Stoffe, die über kontaminiertes Kühlwasser aus Fukushima und über belastete Luftmassen ins Meer gelangen, in kürzester Zeit auf ein nicht nachweisbares Niveau verdünnen werden. Die Wissenschaftler im Johann Heinrich von Thünen-Institut beobachten die Situation in Japan aber weiterhin sehr aufmerksam, so dass sie auf neue Ereignisse entsprechend zeitnah reagieren können.
In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins ForschungsReport (1/2011) ist ein Artikel erschienen, der die Situation in Fischen der Nord- und Ostsee 25 Jahre nach Tschernobyl beleuchtet. Ein weiterer informiert über Nahrungsmittel aus Landwirtschaft und Wald. Das Heft steht im Internet unter http://www.forschungsreport.de zur Verfügung. (Text: idw / Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei)
(gb)
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