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5.3.2012
| Druckansicht | Industrie fordert vernünftige Swissnessvorlage
In 10 Tagen berät der Nationalrat die Swissnessvorlage. Die Schweizer Nahrungsmittel-Industrie hofft, dass das Parlament die Vorlage so korrigiert, dass sie gesamtwirtschaftlich Sinn macht.
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Wenn ein Rohstoff in der für ein spezifisches
Produkt gebotenen Qualität nicht verfügbar ist, soll die Rohstoffvorgabe nicht berücksichtigt
werden müssen. Beispiel Honig für Nougat in der Toblerone: Er muss in Grossgebinden (z.B. Fässern) verfügbar sein. Ausserdem: aus Schweizer Honig Nougat zu kochen wäre wie aus Grand cru Glühwein zu machen.
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Auslöser der Vorlage war bekanntlich
der schamlose Missbrauch der Herkunftsbezeichnung "Schweiz" für im Ausland hergestellte Produkte (z.B. in Deutschland mit dem Markenzusatz
"of Switzerland" hergestellte
Kosmetika oder in China fabrizierte
Pfannen mit Schweizerkreuz).
Während der Entwurf für das neue Wappenschutzgesetz (WSchG), mit dem die von Bund und Kantonen seit Jahren permissiv tolerierte Verwendung
des Schweizerkreuzes auf Schweizer Produkten endlich legalisiert
werden soll, allseits auf Zustimmung
stösst, verhält es sich beim Revisionsvorschlag für das Markenschutzgesetz
(MSchG), das die Anforderungen
an die mit der Herkunft "Schweiz" auslobbaren Produkte regelt,
anders.
Der Vorschlag des Bundesrates
Für in der Schweiz hergestellte Lebensmittel
schlägt der Bundesrat vor, dass diese zu 80 Prozent aus Schweizer Rohstoffen bestehen sollen,
wobei Ausnahmen für in der Schweiz nicht produzierbare oder temporär ungenügend verfügbare Rohstoffe vorgesehen sind.
Da sich die Swissness für Lebensmittel nicht auf die Kurzformel "Swissness = Rohstoff" reduzieren lässt, schlägt die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) vor, diese
80 Prozent-Rohstoffregel nur auf schwach verarbeitete Produkte anzuwenden,
wo die Herkunft des Rohstoffs
aus Konsumentensicht eine grössere Rolle spielt (z.B. bei Käse oder einem Schinken). Für schwach verarbeitete Produkte, die in aller
Regel aus einem dominierenden Rohstoff bestehen, kann die Nahrungsmittel-
Industrie damit leben.
Die RK-N schlägt in Abweichung zum Bundesrat vor, dass für stark verarbeitete
Produkte (wie z.B. Beutelsuppen,
Biscuits, Bonbons, Frühstücksgetränke)
die Anforderung an einheimische Rohstoffe auf 60 Prozent
zu senken ist. Kumulativ dazu sollen 60 Prozent der Herstellkosten in der Schweiz anfallen. Diese Differenzierung
geht in die richtige Richtung
und wird, obschon die industriellen
Hersteller von Lebensmitteln mit der kumulativen Gewichtsvorgabe
signifikant härter als Hersteller
von nicht essbaren Industrieprodukten
an die Kandare genommen werden, von der fial grundsätzlich unterstützt, wobei der Preis (um lediglich 20 Prozent reduzierte Gewichtvorgabe
und dafür 60 Prozent Herstellkostenvorgabe) hoch ist.
Knowhow ist entscheidend
Der von der RK-N vorgeschlagene Ansatz ist jedoch differenzierter, berücksichtigt
er doch das, worauf es neben der Herstellung in der Schweiz bei den Konsumenten im In- und Ausland vor allem ankommt, nämlich
das "Savoir faire", das für Werte wie "Zuverlässigkeit", "Exklusivität" und "internationale Spitzenqualität" für Tugenden mithin steht, welche die rohstoffarme Schweiz in der Welt bekannt gemacht haben und denen sie ihre Reputation verdankt.
Auf Gesetzesstufe haben die Firmen der Schweizer Nahrungsmittel-Industrie
ein Hauptanliegen. Es geht um die von der RK-N vorgeschlagenen
Bestimmungen für die Berücksichtigung
der Rohstoffe bzw. die Berechnungsmodalitäten.
Die Vorgabe von Art. 48b Abs. 3, wonach
Rohstoffe mit einem Selbstversorgungsgrad
von weniger als 20 Prozent nicht berücksichtigt werden
müssen, diejenigen mit einem Selbstversorgungsgrad von 20 bis 49,9 Prozent nur zur Hälfte und erst diejenigen ab 50 Prozent vollumfänglich,
präsentiert sich auf den ersten Blick wie eine Rechtswohltat. In Tat und Wahrheit geht es aber um einen protektionistischen Mechanismus
zugunsten der einheimischen Landwirtschaft, der komplizierte Berechnungen
zur Folge hat, die grossen
Bürokratieaufwand verursachen.
Industrie muss sich eindecken können
Eine weitere Konsequenz dieser Vorgabe ist, dass die Hersteller bei Rohstoffen mit tiefem Selbstversorgungsgrad
Mühe haben, sich überhaupt eindecken zu können. Zu erinnern ist dabei an die vor einigen
Jahren aufgetretene Zuckerknappheit.
Produzentenseits wurde damals gesagt, der Zucker, den man noch habe, sei für den Detailhandel reserviert und man werde ihn in 1kg-Säcke abfüllen. Wenngleich mit dem MSchG Immaterialgüterrecht revidiert
und nicht Landwirtschaftspolitik
betrieben wird, bekundet man in der Nahrungsmittel-Industrie bis zu einem gewissen Grad Verständnis für die Bauern, denen sie viele zu Lebensmitteln
verarbeitbare Rohstoffe abkauft.
Die Nahrungsmittel-Industrie schlägt deshalb vor, den kompliziert lesbaren Artikel 48b Abs. 3 ganz kurz zu fassen
und ihn so zu formulieren, dass die 60 Prozent-Gewichtsvorgabe nur
für diejenigen Rohstoffe gilt, bei denen
die Schweiz einen Selbstversorgungsgrad
von 60 Prozent oder mehr hat. Eine solche Regelung bietet den Nahrungsmittelherstellern eine faire Chance, sich überhaupt am Markt eindecken zu können und den Bauern
die Gewissheit, dass ihren ökonomischen
Interessen in angemessener
Weise Rechnung getragen wird.
Bei Milch, Fleisch, Kartoffeln, gewissem Obst und verschiedenen Getreidearten, somit den Hauptprodukten
unserer Landwirtschaft, würden ihre Interessen im MSchG angemessen berücksichtigt. Die Beschränkung darauf vereinfacht die Berechnungsmodalitäten für die Herstellerfirmen und reduziert die Komplexität der Bewirtschaftung der Rohstofflager sowie den administrativen
Aufwand für die Dokumentation
der Warenflüsse. Bei zwei Punkten,
wo die Auffassungen zwischen Bundesrat und RK-N abweichen, befürwortet die fial die Anträge des Bundesrates: Es handelt sich um den Art. 47 Abs. 3ter und den Art. 48d lit. b (vgl. Kasten auf S. 8).
Anliegen auf Stufe Verordnung
Die Umsetzung des zu revidierenden MSchG wird im Detail in wesentlicher Weise von den Ausführungsbestimmungen
abhängen, die der Bundesrat
erlassen muss. Die fial hat diesbezüglich
zwei Anliegen, von denen sie hofft, dass der Bundesrat, der noch im November 2006 allen Firmen, die in der Schweiz Produkte herstellen, die Verwendung des Schweizerkreuzes
für ihre Produkte gestatten wollte (!), diese berücksichtigt. Es geht um die Qualität eines Rohstoffs und um die Berechnungsmodalitäten für zusammengesetzte Zutaten. Wenn ein Rohstoff in der für ein spezifisches
Produkt objektiv gebotenen Qualität nicht verfügbar ist, soll die Rohstoffvorgabe nicht berücksichtigt
werden müssen. Dazu zwei Beispiele:
1. Die Schweiz produziert Gerste,
allerdings nur Futtergerste. Ergo ist kein Malz aus Schweizer Gerste zur Herstellung eines malzbasierten Frühstückgetränkes verfügbar.
2. Die Schweiz produziert Honig (Selbstversorgungsgrad
2006 – 2008 = 32,7 Prozent). Die Imker vermarkten ihn in der Regel selbst. In guten Honigjahren
gibt es bescheidene Mengen,
die durch einen industriellen Verarbeiter für den Detailhandel in kleine Gläser abgefüllt werden. Die Nahrungsmittel-Industrie braucht Honig mit einer bestimmten Konsistenz
in Grossgebinden (z.B. 300 kg). Sie können ihn nicht aus Kleinstgebinden
herauskratzen!
Der Vorschlag
des Bundesrates spricht von
Rohstoffen. Nicht alle Zutaten eines Lebensmittels sind Rohstoffe. Für die Firmen der Nahrungsmittel-Industrie
ist deshalb wichtig, dass die Herkunft einer zusammengesetzten
Zutat (z.B. Schokolade für den Überzug eines Biscuits) als Ganzes berücksichtigt werden darf und dass die Zutaten nicht in ihre ursprünglichen
Komponenten aufgeschlüsselt und diesen eine Herkunft zugeordnet werden muss.
Es soll zum Beispiel in Bezug auf die Schokoladestückchen
in einer Schweizer Stracciatella-
Glace nicht die Herkunft der Zuckerrüben und der Milch nachgewiesen
werden müssen, sondern einzig die Herkunft der Schokolade
als Ganzes (hier sicher Schweizer
Schokolade), die zerstückelt in die Glace eingearbeitet wurde.
Vorlage muss ausbalanciert werden
Für die Nahrungsmittel-Industrie macht die Swissnessvorlage nur dann Sinn, wenn sie gegenüber dem Status quo gesamtwirtschaftlich Verbesserungen bringt. Die Schweizer
Nahrungsmittel-Industrie erwirtschaftet
– mit zunehmender Tendenz – jeden fünften Franken im Ausland. Der Exportanteil einzelner Branchen macht über 50 Prozent aus (löslicher Kaffee, Säuglings- und Kleinkindernahrungen,
Schokolade und Zuckerwaren).
Die Auslobbarkeit der Swissness für die vollumfänglich in der Schweiz hergestellten Produkte ist insbesondere auch für das Exportgeschäft
der Schweizer Herstellfirmen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Dieser darf nicht leichtfertig unverhältnismässig stark gewichteten
hypothetischen Konsumentenerwartungen
und protektionistisch motivierten Landwirtschaftsanliegen geopfert werden.
Es ist deshalb nötig,
dass der Nationalrat die Vorlage
angemessen ausbalanciert. Dies dürfte auch im Interesse der einheimischen
Landwirtschaft liegen, weil mit massvolleren Rohstoffvorgaben mehr Schweizer Agrarrohstoffe verarbeitet
werden. Schweizer Hersteller
bleiben zu deren Einsatz motiviert und multinational tätige Unternehmen,
für welche die Swissness ihrer Produkte von Bedeutung ist, halten dem Werkplatz Schweiz die Treue und verzichten auf eine Verlagerung ihrer Produktionsstätten ins kostengünstigere,
grenznahe Ausland. (Text: fial)
Position des Bauernverbandes: glaubwürdige Swissness
Auch der Schweiz. Bauernverband hat hohe Erwartungen an die Kammer zugunsten einer glaubwürdigen Swissness aber andere als die Verarbeiter: «Die Kennzeichnung braucht klare, einfach vollziehbare Regeln. Wo Schweiz drauf steht, muss Schweiz drin sein. Nur dann kann die Schweizer Landwirtschaft am Mehrwert der Marke Schweiz teilhaben und sich auf dem Markt erfolgreich positionieren. Der SBV wird nach dem Entscheid im Nationalrat entscheiden, ob die bereits vorbereitete Volksinitiative lanciert werden muss oder (noch) nicht». (Text: SBV)
(gb)
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