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30.4.2012
| Druckansicht | Nationalrat korrigiert Swissnessvorlage
Die vom Nationalrat getroffenen Entscheide gehen in die richtige Richtung und bieten dem Ständerat die Möglichkeit, die Vorlage so weiterzuentwickeln, dass sie gesamtwirtschaftlich Sinn macht.
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Am 15. März 2012 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit der Swissnessvorlage.
Er trat auf diese ein und korrigierte die Vorschläge des Bundesrates
für die Revision des Markenschutzgesetzes. Am Ball ist nun der Ständerat.
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Der Nationalrat befasste sich am 15. März 2012 in einer mehrstündigen
Debatte mit der Swissnessvorlage.
In der relativ langen Eintretensdebatte
wurde betont, dass Handlungsbedarf besteht, um die Verwendung der Marke "Schweiz" besser zu schützen. In verschiedenen
Voten wurde die Kompliziertheit
der Vorlage angesprochen. Ein Sprecher der SP sagte, seine Fraktion
stelle die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten in den Vordergrund fordere eine restriktive Lösung. Gemeint waren damit Lebensmittel.
Nationalrat Peter Spuhler
(SVP) setzte sich engagiert für die Reduktion der Wertvorgabe von 60 auf 50 Prozent für Industrie- und andere Produkte ein und hob hervor, dass dies der Industrie mehr Flexibilität
gebe, auf die sie nicht zuletzt im Exportbereich dringend angewiesen sei. Nach insgesamt 25 Voten beschloss
der Nationalrat ohne Gegenstimme,
auf die Vorlage einzutreten.
Der Nationalrat nahm zuerst die Vorlage
1 in Angriff, das "Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben,
(Markenschutzgesetz,
MSchG)". Die von den Ratsmitgliedern
gestellten Anträge hatten es mit zwei Ausnahmen schwer, weil das Büro des Nationalrates in Sorge um das Zeitbudget für eine sonst ausufernde Beratung beschlossen hat, dass die Anträge nur schriftlich
begründet werden können.
Der von Nationalrat Alec von Graffenried (Grüne) gestellte Antrag, den Artikel 47 Absatz 3ter gemäss Vorschlag des Bundesrates beizubehalten und auf die von der vorberatenden Kommission
vorgeschlagene Streichung zu verzichten, wurde mit 167 gegen 19 Stimmen abgelehnt. Bei diesem Zwischenergebnis, das auch für den Artikel 48c Absatz 5 gilt, ist es Nahrungsmittelherstellern
verboten, einzelne Tätigkeiten, sofern sie ganz in der Schweiz stattgefunden haben, wie das Räuchern eines Lachses, mit einem Hinweis auf die Schweiz auszuloben. Demgegenüber ist es für Industrieprodukte gestattet, die Forschung oder den Design, sofern er in der Schweiz stattgefunden hat, entsprechend zu kennzeichnen. Abgelehnt
wurde auch der Antrag von Nationalrat Gmür, der den Artikel 47 um eine Norm ergänzen wollte, welche
die Herkunftsbezeichnung für in der Gastronomie servierte Mahlzeiten
häte regeln sollen.
Nationalrat korrigiert Bundesratsvorlage
Der Nationalrat folgte in dem für die Nahrungsmittel-Industrie zentralen Art. 48b mit zwei Ausnahmen dem Antrag seiner vorberatenden Kommission
und korrigierte damit die Vorlage des Bundesrates. Neu wird zwischen stark und schwach verarbeiteten
Lebensmitteln differenziert.
Die Unterscheidung wird der Bundesrat auf Verordnungsebene regeln. Bei den Anforderungen an schwach verarbeitete Produkte, für
welche das Ratsplenum den vom Bundesrat vorgeschlagenen 80 Gewichtsprozenten
folgte, gelang es Nationalrat Toni Brunner (SVP), diese
zu verschärfen. Der Abs. 1 wurde mit 101 gegen 70 Stimmen um die Vorgabe erweitert, wonach für Milch und Milchprodukte 100 Prozent des Rohstoffs Milch erforderlich sind.
Keine Chance hatte FDP-Nationalrat und Obstverbandsdirektor Bruno Pezzatti, der für schwach verarbeitete
Produkte forderte, jeder Rohstoff sei zu 80 Prozent zu berücksichtigen
und sein Anliegen mit einem Fruchtjoghurt begründete. Bei den Vorgaben für die stark verarbeiteten Produkte blieb es bei der von der vorberatenden Kommission kumulativ
beantragten Vorgabe von je 60 Prozent für Gewicht und Wert. Der von Exponenten der SP und der SVP gestellte Minderheitsantrag für 80 Prozent Gewicht zuzüglich 60 Prozent
Wert hatte trotz überraschender
Wiederholung der Abstimmung nach der Mittagspause keine Chance.
Nationalrat kippt Berechnungsregeln aus der Vorlage
Leider blieb auch der für die Nahrungsmittel-
Industrie gestellte Antrag
zu Abs. 3 von Nationalrat Ruedi
Noser (FDP.Die Liberalen) auf der Strecke. Nationalrat Noser und parallel zu ihm Nationalrat Karl Vogler
(CVP) schlugen vor, dass für die Berechnung der Herstellkosten oder des Rohstoffgewichts nur Rohstoffe berücksichtigt werden müssen, bei denen die Schweiz einen Selbstversorgungsgrad
von mindestens 60 Prozent aufweist.
Mit dieser Regelung
hätte sichergestellt werden sollen, dass die Nahrungsmittelhersteller
nur diejenigen Rohstoffe berücksichtigen
müssen, zu denen sie einen fairen Marktzugang haben. Ferner hätte die Annahme dieser Regelung
die Berechnungsmodalitäten signifikant vereinfacht. Der welsche SVP-Nationalrat Parmelin beantragte,
ganz auf den Abs. 3 zu verzichten.
Der Rat folgte ihm mit 102 gegen 80 Stimmen. Somit müssten nach diesem Zwischenergebnis alle in der Schweiz produzierten Rohstoffe,
und sei der Selbstversorgungsgrad
noch so gering, wie es beispielsweise bei Kiwis der Fall ist,
fial-Letter Nr. 2, April 12 9
berücksichtigt werden.
Bei den Anforderungen
für andere, insbesondere
industrielle Produkte (Art. 48c Abs. 1) drang eine von SVP-Nationalrat
Pirmin Schwander angeführte, aus SVP- und SP-Vertretern bestehende
Minderheit, die eine Reduktion
auf 50 Prozent Herstellkosten vorschlug, relativ knapp nicht durch. Bei den Swissness-Anforderungen für Dienstleistungen folgte der Rat dem Vorschlag der vorberatenden Kommission, der eine Erleichterung für ausländische Tochtergesellschaften
und Zweigniederlassungen beschloss. In der Gesamtabstimmung sprachen sich 120 Mitglieder des Nationalrates
für das revidierte MSchG und 37 dagegen aus.
Wappenschutzgesetz unbestritten
Die Vorlage 2 des Geschäfts, der Vorschlag
des Bundesrates für ein neues "Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher
Zeichen (Wappenschutzgesetz,
WSchG)" war unbestritten. Das Ergebnis der Gesamtabstimmung
fiel etwas günstiger für die Vorlage aus. 139 Mitglieder befürworteten
das neue WSchG, 39 waren dagegen. Am Ball ist nun der Ständerat.
Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) wird sich an ihrer Sitzung vom 21. Mai 2012 mit der Swissnessvorlage befassen. Im Sitzungsprogramm sind dafür 3 Stunden vorgesehen. Für den Fall, dass die RK-S die Vorlage an dieser
Sitzung zu Handen des Ständeratsplenums
verabschiedet, ist die Behandlung gegen Ende der bevorstehenden
Sommersession nicht ausgeschlossen.
Die Anliegen der Wirtschaft
Die durch das Ergebnis des Erstrates nicht erfüllten Anliegen der Nahrungsmittel-
Industrie bleiben unverändert.
Durch die Annahme des Antrages
Parmelin und die Streichung der Berechnungsregeln in Art. 48b Abs. 3 ist im Gesetzestext eine Lücke
entstanden, die zu schliessen ist. Die zu favorisierende Lösung muss einerseits den Verarbeitern einen fairen Zugang zum Markt erschliessen
und andererseits die Berechnungsmodalitäten
signifikant vereinfachen.
Die Diskussion über eine entsprechende Regelung wird dem Ständerat Gelegenheit bieten, sich darüber auszusprechen, wie weit man mit den Rohstoffanforderungen in diesem Erlass gehen darf, zumal dieser ja nicht zum Zweck hat, den Absatz der einheimischen Landwirtschaft
zu sichern.
Wieviel Agrarprotektion und Konsumentenschutz?
Darüber hinaus wird auch darüber zu diskutieren sein, ob für Lebensmittel,
für welche der Täuschungsschutz im Lebensmittelrecht zugunsten der einheimischen Konsumenten detailliert
geregelt ist, im MSchG tatsächlich
Handlungsbedarf besteht. Für die Nahrungsmittel-Industrie ist es wichtig, dass sie gegenüber den Herstellern anderer Produkte nicht diskriminiert wird. Deshalb ist an der Forderung festzuhalten, dass besondere
Tätigkeiten wie das Räuchern usw., wenn sie ganz in der Schweiz stattgefunden haben, ebenso ausgelobt
werden dürfen, wie der Design
auf Felgen von Fahrrädern, die in Taiwan produziert wurden.
Für die gesamte Wirtschaft ist schliesslich wichtig, dass die Meinung der massgebenden
Verkehrskreise weiterhin in die Beurteilung von Kontroversen um die Richtigkeit von Herkunftsangaben
einbezogen werden kann. Deshalb ist im Verbund mit der gesamten
Wirtschaft zu fordern, dass der aus dem Art. 48d gestrichene Buchstabe b wieder in die Vorlage integriert wird. Diese vom Bundesrat vorgeschlagene Norm statuiert eine Ausnahme von der Anwendung der Swissnessvorgabe, wenn ein Hersteller
den Nachweis erbringt, dass eine verwendete Herkunftsangabe dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise entspricht.
Anliegen auf Stufe Verordnung
Die Umsetzung des zu revidierenden
MSchG wird im Detail in wesentlicher
Weise von den Ausführungsbestimmungen
abhängen, die der Bundesrat erlassen muss. Die fial hat diesbezüglich zwei Anliegen, von denen sie hofft, dass der Bundesrat,
der noch im November 2006 allen Firmen, die in der Schweiz Produkte
herstellen, die Verwendung des Schweizer Kreuzes für ihre Produkte
gestatten wollte (!), diese berücksichtigt.
Es geht um die Qualität eines Rohstoffs und um die Berechnungsmodalitäten
für zusammengesetzte
Zutaten. Wenn ein Rohstoff in der für ein spezifisches Produkt objektiv
gebotenen Qualität nicht verfügbar
ist, soll die Rohstoffvorgabe nicht berücksichtigt werden müssen. Dazu zwei Beispiele: Die Schweiz produziert Gerste, allerdings nur Futtergerste. Ergo ist kein Malz aus Schweizer Gerste zur Herstellung eines malzbasierten Frühstückgetränkes
verfügbar.
Die Schweiz produziert
Honig (Selbstversorgungsgrad
2006 – 2008 = 32,7 Prozent). Die Imker vermarkten ihn in der Regel
selbst. In guten Honigjahren gibt
es bescheidene Mengen, die durch einen industriellen Verarbeiter für den Detailhandel in kleine Gläser abgefüllt
werden. Die Nahrungsmittel-Industrie braucht Honig mit einer bestimmten Konsistenz in Grossgebinden
(z.B. 300 kg). Sie kann ihn nicht aus Kleinstgebinden herauskratzen!
Der Vorschlag des Bundesrates
spricht von Rohstoffen. Nicht alle Zutaten eines Lebensmittels sind Rohstoffe. Für die Firmen der Nahrungsmittel-Industrie ist deshalb
wichtig, dass die Herkunft einer
zusammengesetzten Zutat (z.B. Schokolade für den Überzug eines Biscuits) als Ganzes berücksichtigt werden darf und dass die Zutaten nicht in ihre ursprünglichen Komponenten
aufgeschlüsselt werden und diesen eine Herkunft zugeordnet werden muss. Es soll zum Beispiel in Bezug auf die Schokoladestückchen in einer Schweizer Stracciatella-Glace nicht die Herkunft der Zuckerrüben
und der Milch nachgewiesen werden müssen, sondern einzig die Herkunft der Schokolade als Ganzes (hier sicher Schweizer Schokolade), die zerstückelt in die Glace eingearbeitet
wurde.
Swissness wichtig für das Exportgeschäft
Für die Nahrungsmittel-Industrie ist die Swissnessvorlage für das Exportgeschäft
von grosser Bedeutung. Angesichts des auf hohem Niveau gesättigten Inlandmarktes kann die Nahrungsmittel-Industrie nur durch den Ausbau des Exportgeschäfts wachsen. Die Schweizer Nahrungsmittel-
Industrie erwirtschaftet – mit zunehmender Tendenz – jeden fünften Franken im Ausland. Der Exportanteil einzelner Branchen macht über 50 Prozent aus (löslicher Kaffee, Säuglings- und Kleinkindernahrungen,
Schokolade und Zuckerwaren).
Die Auslobbarkeit der Swissness für die vollumfänglich in der Schweiz hergestellten Produkte ist insbesondere auch für das Exportgeschäft
der Schweizer Herstellfirmen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Dieser darf nicht leichtfertig unverhältnismässig stark gewichteten,
hypothetischen Erwartungen der einheimischen Konsumenten und protektionistisch motivierten Landwirtschaftsanliegen
geopfert werden.
Es ist deshalb nötig, dass der Ständerat die Vorlage weiter ausbalanciert.
Dies dürfte auch im Interesse
der einheimischen Landwirtschaft selbst liegen, weil mit massvolleren Rohstoffvorgaben mehr Schweizer Agrarrohstoffe verarbeitet werden. Schweizer Hersteller bleiben zu deren
Einsatz motiviert und multinational
tätige Unternehmen, für welche die Swissness ihrer Produkte von Bedeutung
ist, halten dem Werkplatz Schweiz die Treue und verzichten auf eine Verlagerung ihrer Produktionsstätten
ins kostengünstigere grenznahe
Ausland. (Text: fial)
(gb)
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