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14.5.2014

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Bundesrat präsentiert Bericht zu Milchmarktöffnung

Der Bundesrat hat heute einen folgenschweren Bericht über die vollständige Öffnung des Milchmarktes Schweiz-EU vorgelegt. Der Bauernverband lehnt die Liberalisierung ab.




Sogar Alpenmilch steht heute in deutschen Supermärkten im Angebot – bald auch in der Schweiz? Und zu welchem Preis?


Seit 2007 ist der Handel mit Käse zwischen der Schweiz und der EU vollständig liberalisiert. Weiterhin Zölle erhoben werden bei Milchprodukten wie Trinkmilch, Rahm oder Butter. Welche Auswirkungen hätte eine Öffnung des ganzen Milchmarktes? Das wollte das Parlament vom Bundesrat wissen. Dieser hat heute den vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ausgearbeiteten, 113 Seiten starken Bericht veröffentlicht (siehe am Ende der Seite). Nachfolgend die wichtigsten Aussagen der Studie:

Bauern: Milchgeld sinkt

Die vollständige Liberalisierung des Milchmarktes führt zu tieferen Produzentenpreisen. Je nach Szenario sinken diese um 17 bis 25 Prozent. Insgesamt hat das einen Einkommensverlust von 100 bis 200 Mio. Franken zur Folge. Soll dieser kompensiert werden, sind – zusätzlich zur heutigen Stützung von 310 Mio. Franken (Verkäsungszulage, Schoggigesetz) – Bundesgelder in der Höhe von 100 bis 150 Mio. Franken pro Jahr nötig. Wirksamste Form der Unterstützung ist ein Beitrag pro Hektare Grünland. Das BLW geht davon aus, dass der Strukturwandel nicht beschleunigt wird, sondern wie heute im Generationenwechsel vonstattengeht.

Milchverarbeiter: Wettbewerb nimmt zu

Für Schweizer Molkereien führt die vollständige Liberalisierung zu mehr Konkurrenzkampf. Der Wettbewerb nimmt zu, der Druck auf die Margen wächst. Milchverarbeiter werden gezwungen sein, effizienter zu produzieren. Dafür wird das Erschliessen neuer Märkte im Ausland erleichtert.

Konsumenten: Preise für Milchprodukte sinken

Gehen die Grenzen für sämtliche Milchprodukte auf, sinken die Preise, die Konsumenten müssten weniger tief ins Portemonnaie greifen. Der Anreiz, im Ausland einzukaufen, sinkt. Aus der vollständigen Öffnung des Milchmarktes resultiert ein Wohlfahrtsgewinn von 150 bis 200 Mio. Franken.

Die Milchbranche ist in der Beurteilung einer weiteren Liberalisierung uneins. Ein Drittel ist für eine Öffnung der Grenzen, ein Drittel dagegen und ein Drittel will noch abwarten. Das ergab eine Umfrage, die das BLW durchgeführt hat. Der Bundesrat wertet die Öffnung des Milchmarktes als volkswirtschaftlich sinnvoll. Positiv sei die Verbesserung des Marktzugangs in die EU, die Schweizer Milchbranche werde wettbewerbsfähiger. Die sinkenden Produzentenpreise seien zwar eine grosse Herausforderung, könnten aber mit den heutigen Stützungsgeldern und zusätzlichen Beiträgen aufgefangen werden. Eine allfällige Öffnung des Milchmarktes bedarf laut Bundesrat Klarheit im übergeordneten Verhältnis mit der EU.

Milchproduzenten wollen Studie überprüfen lassen

14.05.2014 - (lid) – Die Schweizer Milchproduzenten (SMP) wollen die Annahmen, auf denen der Bericht des Bundesrats basiert, wissenschaftlich überprüfen lassen. Die Schweizer Milchproduzenten (SMP) haben eine unabhängige Stelle beauftragt, die Annahmen, auf denen die Studie zur Milchmarktliberalisierung basiert, zu überprüfen. Dieser Bericht werde in einigen Wochen, jedoch rechtzeitig für eine politische Beratung vorliegen, heisst es in einer Mitteilung der SMP.

Die Milchproduzenten haben ihrerseits bei der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl) eine Studie zur Milchmarkt-Öffnung in Auftrag gegeben, die im September 2013 präsentiert wurde. Darin sei der Kompensationsbedarf anders eingeschätzt worden, betonen die SMP. Die zusätzliche Abhängigkeit von staatlichen Geldern sehen die Milchbauern kritisch. Aus der Öffnung des Käsemarktes wisse man, dass Wohlfahrtsgewinne, die mit theoretischen Modellen errechnet würden, in der Realität nicht oder nur sehr beschränkt realisiert oder „versickern“ würden.

Milchmarkt: Bauernverband lehnt Liberalisierung ab

14.05.2014 - (lid) – Die vollständige Öffnung des Milchmarktes sei eine „Schnapsidee“, kritisiert der Schweizer Bauernverband (SBV). Die Bauern wären die grossen Verlierer einer weiteren Liberalisierung. SVP-Nationalrat Rudolf Joder will im Parlament einen Vorstoss einreichen.

Die vollständige Liberalisierung des Milchmarktes führe zu einem enormen Importdruck, heisst es in einer Stellungnahme des Schweizer Bauernverbands. Bei Lebensmitteln wie Rahm, Butter oder Trinkmilch, die rund 80 Prozent der Milchprodukte ausmachen, könne man sich vom Ausland kaum abgrenzen.

Der Käsemarkt, der seit 2007 vollständig liberalisiert ist, könne nicht mit demjenigen Markt für Rahm, Butter oder Trinkmilch verglichen werden. Denn beim Käse würde die Schweiz über starke Marken verfügen. Ein Abbau des Grenzschutzes würde zu einem massiven Preissturz und somit zu Einkommensausfällen bei den Milchproduzenten führen. Um die Verluste zu kompensieren, seien öffentliche Gelder in der Höhe von über 200 Mio. Franken nötig. Ob diese über eine längere Zeit gewährt würden, sei mehr als fraglich.

Big-M traut dem Bericht des Bundes nicht. In früheren Studien hätte man den Lauf der Dinge falsch eingeschätzt. Dass die Lebensmittel mit offenen Grenzen billiger würden, glaubt Big-M ebenfalls nicht. Beim Käsefreihandel, dem Cassis-de-Dijon-Prinzip und der Aufhebung der Milchkontingentierung sei dieses Argument bereits vorgebracht worden. Gekommen sei es jedoch anders. An der Schweizer Milchwirtschaft würden viel zu viele Interessen hängen: Es gehe um die Nutzung der riesigen Grünflächen in der Schweiz, um die Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln und um die Existenz von tausenden Bauernfamilien.

Auch der „Verein für eine produzierende Landwirtschaft“ (VPL) kritisiert den Bericht des Bundesrates scharf. Eine Öffnung der Grenzen würde zu einem enormen Importdruck führen, den die Schweizer Bauernfamilien nicht verkraften würden. SVP-Nationalrat und VPL-Präsident Rudolf Joder will in der kommenden Juni-Session eine parlamentarische Initiative gegen die weitere Liberalisierung einreichen. (Text: LID)

Ausführliche Analyse einer gegenseitigen Milchmarktöffnung mit der EU

(BLW, 14.05.2014) - Der Bundesrat hat im Auftrag des Parlaments eine gegenseitige Marktöffnung mit der EU für alle Milchprodukte geprüft. Schwerpunkte des heute veröffentlichten Berichtes bilden die Analysen der wirtschaftlichen Auswirkungen sowie Vorschläge zur Anpassung der Stützungspolitik für den Milchsektor. Im Kontext der bestehenden Herausforderungen im Milchmarkt könnte diese Option Vorteile aufweisen.

Der Annäherung der Milchpreise an das EU-Niveau im Falle einer Öffnung und dem damit einhergehenden Einkommensrückgang der Milchbetriebe müsste jedoch mit wirksamen Stützungsmassnahmen begegnet werden. Dazu wären zusätzliche Mittel in der Grössenordnung von rund 100 bis 150 Millionen Franken jährlich nötig.

Im Rahmen der Beratungen zur Agrarpolitik 2014-2017 verabschiedete das Parlament eine Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (12.3665), die den Bundesrat beauftragte, einen Bericht zur Prüfung einer gegenseitigen sektoriellen Marktöffnung mit der EU für alle Milchprodukte vorzulegen. Im heute publizierten Bericht präsentiert der Bundesrat nun eine ausführliche Analyse eines solchen Schrittes.

Dabei beleuchtet er die aktuelle Situation des Schweizer Milchmarktes ebenso wie die Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene, allen voran die Aufhebung der Milchkontingentierung in der EU. Der Hauptfokus der Analyse liegt auf den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Milchmarktöffnung sowie auf Vorschlägen zur Anpassung der staatlichen Stützungspolitik für den Milchsektor.

Der Milchsektor zählt zu den wichtigsten Sektoren im Agrarbereich, etwa die Hälfte aller Landwirte sind in der Milchwirtschaft aktiv; im nachgelagerten Verarbeitungssektor bestehen rund 10‘000 Arbeitsstellen. Milchprodukte und Käse sind zudem die wichtigsten Exportprodukte der Schweizer Landwirtschaft. Dank grosser Anstrengungen der Branchenakteure konnte sich dieser Sektor in den letzten 15 Jahren von staatlichen Preis- und Absatzgarantien sowie dem engen Korsett der Milchkontingentierung lösen und dennoch auf den Märkten erfolgreich behaupten. Trotz dieser Fortschritte bestehen jedoch nach wie vor Herausforderungen.

So werden alle Milchprodukte mit Ausnahme von Käse und einiger verarbeiteter Milchprodukte weiterhin durch den Grenzschutz beim Import und beim Export verteuert. Das erschwert das Wachstum und die Verteidigung der Inlandanteile. Der Bericht zeigt zudem, dass der Schutz die langsame Erosion der Produzentenpreise in Richtung EU-Preis nicht verhindern kann.

Bei einer Milchmarktöffnung gegenüber der EU würden sämtliche Zölle, Zollkontingente und Exportsubventionen im Milchbereich schrittweise abgebaut. Da die Marktbedingungen dadurch substanziell geändert würden, müssten die bestehenden Stützungsinstrumente umgestaltet werden. Am wirksamsten erscheint - in einem detaillierten Vergleich mehrerer Optionen - die Umlagerung der heute im Milchsektor eingesetzten Mittel in einen Beitrag pro Hektar Grünfläche für Milchproduktionsbetriebe. Die durchgeführten Berechnungen zeigen auch im Fall einer Öffnung eine relativ stabile Entwicklung der Milchproduktion.

Die Analyse stellt schliesslich fest, dass mit einer Marktöffnung primär die Verbesserung des Marktzugangs in den Hauptexportmarkt EU sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten milchwirtschaftlichen Wertschöpfungskette erreicht werden könnte. Eine Marktöffnung wäre in diesem Sinn eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen des aktuell gespaltenen Marktes. Der ausgewiesene Wohlfahrtsgewinn von rund 150 bis 200 Millionen Franken käme hauptsächlich den Konsumenten in Form von günstigeren Preisen zugute.

Die geschätzte Reduktion der Produzentenpreise um 17% bis 25% stellte jedoch in Bezug auf die Einkommen der Milchproduktionsbetriebe eine Herausforderung dar. Dieser Entwicklung müsste mit effektiven Stützungs- und Anpassungsmassnahmen begegnet werden. So sollen die Milchproduzenten weiterhin von den bisher für die Milchmarktstützung eingesetzten Mittel profitieren. Um einen Einkommensrückgang zu verhindern, wären zusätzliche Mittel in der Grössenordnung von rund 100 bis 150 Millionen Franken jährlich nötig.

Der Bundesrat hält im Bericht fest, dass ein allfälliger Start eines solchen Projektes Klarheit im übergeordneten Verhältnis mit der EU bedinge. Der Zeitplan zur möglichen Umsetzung hänge daher auch von den Fortschritten bei den Gesprächen zwischen der Schweiz und der EU sowie ihren Mitgliedstaaten zu den offenen Dossiers und geplanten Verhandlungen ab. Der Bericht „Gegenseitige sektorielle Marktöffnung mit der EU für alle Milchprodukte“ findet sich unter: news.admin.ch (gb)


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