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Nachrichten

24.11.2014

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Carna Grischa ruiniert Image von Schweizer Fleisch

Der Staatsanwalt ermittelt gegen Carna Grischa. Ihre Falschdeklarationen und Schutzbehauptungen setzen die Fleischbranche unberechtigt massiven Verdächtigungen aus.


Carna Grischa AG steht unter Betrugsverdacht und behauptet, Falschdeklarationen seien in der Fleischbranche weit verbreitet. Die Bertrügereien erinnern an frühere Gammelfleisch-Skandale im Ausland. Der Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) wehrt sich: «Mit inakzeptablem und rufschädigendem Vorgehen fügt die Carna Grischa dem positiven Image des Schweizer Fleisches einen immensen Schaden zu». Der SFF verurteilt die der Carna Grischa vorgeworfenen Falschdeklarationen unter dem Vorbehalt der Unschuldsvermutung aufs Schärfste und betont gleichzeitig, dass die betroffene Firma kein Mitglied des SFF ist. Die Fleischbranche muss nun das Vertrauen ihrer Kundschaft mit Transparenz in aufwändiger Arbeit zurückgewinnen.

Der Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) ist als Vertreter der Metzgerschaft und der fleischverarbeitenden Industrie über die gegen die Carna Grischa AG erhobenen Vorwürfe schockiert und lehnt eine derart systematische Geschäftspraxis in aller Form ab. Eine solche verstösst klar gegen das Gesetz, indem diese den Tatbestand der Täuschung und der ungerechtfertigten Bereicherung erfüllt.

Wenngleich die betroffene Firma nicht Mitglied im SFF ist, so hat sie mit ihrer Vorgehensweise eine Praxis an den Tag gelegt, die für den SFF und den gesamten Fleischsektor absolut inakzeptabel, verwerflich und ausgerechnet in der heutigen Zeit völlig unverständlich ist.

Selbstverständlich gilt auch für die Carna Grischa AG die Unschuldsvermutung. Aber schon alleine die Tatsache, dass die Berichterstattung dazu innert kürzester Zeit derart grosse Wellen geworfen hat, hat bereits jetzt schweizweit einen massiven Imageverlust für das Lebensmittel Fleisch innert kürzester Zeit zur Folge – und dies erst noch im Vorfeld des anstehenden Weihnachtsgeschäftes. Diesen Schaden wieder mit grossem Aufwand gut zu machen, liegt nun im Aufgabenbereich der gesamten Branche bis hinunter zum einzelnen Verkaufsgespräch in den Metzgereien.

Der SFF wehrt sich in diesem Zusammenhang in aller Deutlichkeit gegen die möglicherweise aufkommenden Forderungen nach verschärften und vermehrten Kontrollen. Damit würde unnötigerweise die Vielzahl der landauf, landab einwandfrei arbeitenden Metzgereien und fleischverarbeitenden Unternehmen zusätzlich administrativ belastet und damit für das Fehlverhalten einzelner bestraft. Auch würden damit die allenfalls schwarzen Schafe wohl kaum von ihren verwerflichen Absichten abgehalten.

Nach Auffassung des SFF müssten derartige Fälle bei einer Bestätigung der Vorwürfe wesentlich härter sanktioniert werden, damit auch eine unmissverständlich abschreckende Wirkung auf allfällige Nachahmer entsteht. Dazu gehört auch, dass die betreffenden Namen nach erfolgter Verurteilung endlich veröffentlicht werden. (Text: SFF 24.11.2014)

PRESSESCHAU

Für Sie gelesen im Blick am Abend: Es zeichnet sich ein riesiger Lebensmittelskandal ab. Die Firma soll soll etwa ungarisches Poulet als schweizerisches verkauft, Pferde- statt Rindfleisch geliefert, Gefrier- als Frischprodukte deklariert und Verfallsdaten manipuliert haben. Das Unternehmen streitet «einen Teil der Vorwürfe» nicht ab. Nun bestätigt Claudio Riedi von der zuständigen Staatsanwaltschaft in Chur, dass Polizei und Staatsanwaltschaft in dieser Sache ermitteln. Gestützt auf eine anonyme Strafanzeige, die vor wenigen Tagen eingetroffen sei.

Die Enthüllungen des «SonntagsBlick» haben das Bündner Amt für Lebensmittelsicherheit auf den Plan gerufen. Amtsleiter Rolf Hanimann erklärt, dass es bei den Routine-Kontrollen bislang keinen Anlass für genauere Abklärung gegeben habe. «Ob ungarisches Poulet oder Poulet Schweizer Herkunft vorliegt, kann man schlichtweg nicht herausfinden», sagt Hanimann.

Jetzt will das Amt für Lebensmittelsicherheit den Betrieb aber genauer unter die Lupe nehmen: «Wir veranlassen sofort vor Ort eine ausserordentliche Kontrolle in dieser Firma, um herauszufinden, ob etwas illegal gelaufen ist», sagt Hanimann am Montagmorgen gegenüber Blick.ch. Entdecke sein Team entsprechende Anhaltspunkte, übergebe man diese der Staatsanwaltschaft. Mehr dazu will er nicht sagen, «es ist ein laufendes Verfahren», so Dienststellenleiter Hanimann. Wann exakte Resultate vorliegen, sei noch offen. (Volltext: www.blickamabend.ch 24. November 2014)

Die Vorgeschichte

Für Sie gelesen im Sonntagsblick: Verfalldaten gefälscht, Herkunft vertuscht, Pferde- als Rindfleisch verkauft: Der grosse Fleisch-Betrug! Die Bündner Firma Carna Grischa hat Beizen, Hotels und Kantinen jahrelang hinters Licht geführt. Geliefert wurde häufig billiges Fleisch aus Ungarn, deklariert als Schweizer Fleisch. Das belegen Dokumente, die SonntagsBlick exklusiv vorliegen.

«Ungaren schnetzeln!», steht zum Beispiel auf der internen Bestellung vom 8. November 2012. «Fleisch einbürgern», nennen die Angestellten von Carna Grischa den Vorgang. Mit 60 Angestellten und 30 Millionen Franken Jahresumsatz gehört Carna Grischa zu den fünf grössten Schweizer Fleischhändlern. Pro Woche verkauft die Firma 20'000 Kilo Fleisch – an Hotels, Restaurants, Kantinen, Altersheime, Spitäler und Kinderkrippen.

Der heutige Verwaltungsratspräsident Ettore Weilenmann (55) kaufte die Firma vor vier Jahren den Gründern ab. Sein Ziel: Carna Grischa hinter den Giganten Bell, Micarna und Fenaco zur starken Nummer vier im Land zu machen. Nach dem Bündnerland wollte Weilenmann auch das Mittelland erobern. Preislich sei Carna Grischa sehr attraktiv, sagt ein Küchenchef, der jahrelang bei der Firma Fleisch bestellte. «Grosskunden erhalten grosszügige Rabatte.»

Allein den tiefen Preisen verdankt Carna Grischa den Erfolg aber nicht. Schon unter der alten Leitung geschäftete die Firma mit gezinkten Karten, wie die Dokumente zeigen. Die Unregelmässigkeiten reichen bis ins Jahr 2004 zurück.

Nicht nur kleine Abnehmer zog Carna Grischa über den Tisch. Auch Grosskunden wie der Kantinenbetreiber ZFV, der in der Schweiz 60 Mensen und mehr als 50 Personalrestaurants betreibt, werden immer wieder mit falschem Fleisch beliefert. Etwa die Kantine der Ems-Chemie der Blocher-Töchter in Domat/Ems GR. Zehn Kilo frischen Schweinshals hatte der Küchenchef im Sommer 2012 bei Carna Grischa bestellt – aber nicht bekommen. «Bitte Aufgetaute geben», lautet der interne Vermerk des Verkäufers.

Ähnlich der Fall im Restaurant Giardino der Helsana in Dübendorf ZH, das ebenfalls der ZFV betreibt. Statt der bestellten 7,5 Kilo Schweizer Pouletbrüstli mariniert landet am 30. September 2014 ungarisches Poulet auf den Tellern der Angestellten. Die unmissverständliche interne Anweisung für den Etikettenschwindel: «UNG nehmen mariniert neutral CH auszeichnen.» Der ZFV handelt sofort, als er vom SonntagsBlick vom Beschiss erfährt. «Bis die Vorwürfe der Deklarationsfälschung auf deren Richtigkeit geprüft sind, werden wir keine Bestellungen mehr beim Unternehmen Carna Grischa AG tätigen», sagt Gilbert Philipona, Leiter Einkauf.

Die Carna Grischa «bürgert» aber nicht nur Fleisch «ein». Oder verkauft aufgetautes Fleisch als frisches. Sie hat noch ganz andere Tricks auf Lager, wie die internen Unterlagen zeigen. Das Hotel Streiff in Arosa GR etwa hat acht Kilo Rindsentrecôte geliefert bekommen, das mit einem falschen Ablaufdatum versehen war. «... bitte Datum 4 Wochen zurück» steht auf der Bestellung. Streiff-Geschäftsführer Lars Horal ist über die Nachricht schockiert und betont: «Wir werden bei Carna Grischa bis auf Weiteres kein Fleisch mehr bestellen.»

Beschissen wurde auch der Küchenchef des Personalrestaurants der Dow Chemical AG in Horgen ZH. Er bestellte am 20. Januar 2014 bei der Carna Grischa 22 Kilo Rindssaftplätzli. Statt dem teuren Rindfleisch hat er aber billiges Pferdefleisch erhalten, wie der interne Eintrag «Pferdehuft nehmen» beweist.

Diese Beispiele sind nur eine kleine Auswahl aus den Dokumenten, die SonntagsBlick vorliegen. Carna Grischa hat über Jahre hinweg so manchen Lieferschein gefälscht. Dutzende von Fällen sind dokumentiert. Hinzu kommt ein Mehrfaches von Verdachtsfällen. Die Anweisung «neutral verpacken» findet sich sehr häufig im Bestellsystem. Das sei der interne Code für eine Falschdeklaration, sagt ein Insider. Die Firma bestreitet dies.

SonntagsBlick konfrontierte Weilenmann und Geschäftsführer Xaver Dietrich (53) schon vorletzte Woche mit den Vorwürfen. Mit einer Klage beim Handelsgericht Aargau versuchte die Firma, den Artikel zu verhindern. Das Gericht erliess eine superprovisorische Verfügung – Publikationsverbot für eine Woche. SonntagsBlick legte dem Gericht Dokumente vor. Daraus geht klar und deutlich hervor, dass bei Carna Grischa nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Das anerkannte das Gericht: Seit gestern ist das Publikationsverbot in den zentralen Punkten aufgehoben.

Es bestehe «offensichtlich ein öffentliches Interesse» an der Verbreitung der Fakten, befand Gerichtspräsident Markus Dubs. «Die Öffentlichkeit legt aus guten Gründen grossen Wert darauf, bei der Deklaration von Lebensmitteln nicht getäuscht zu werden. Sofern sich einzelne Akteure entsprechender Machenschaften bedienen, besteht ein grosses Interesse daran, dass dies publik wird, weil gerade die Befürchtung eines solchen Reputationsverlustes wesentlich zur Prävention solcher Praktiken beitragen dürfte.»

Carna Grischa hatte zunächst alle Vorwürfe abgestritten. Im Laufe der Woche krebste Weilenmann immer mehr zurück. In der letzten Eingabe an das Gericht gab Carna Grischa zu, eine interne Untersuchung habe Unregelmässigkeiten zutage gefördert. «Es handelt sich aber um Einzelfälle», sagt Weilenmann. «Mindestens 98 Prozent der Kunden haben richtig deklariertes Fleisch erhalten. Über alle Bestellungen hinweg beträgt die Fehlerquote zwei Promille.» Trotzdem feuerte Carna Grischa am Donnerstag zwei langjährige Angestellte.

Dass die Sache aufgeflogen ist, erklärt Weilenmann mit einer kruden Verschwörungstheorie: Die Konkurrenz habe einen Mitarbeiter in die Firma eingeschleust, um Carna Grischa auszuhorchen und zu schaden. Im Gespräch mit SonntagBlick behauptet er zudem, Falschdeklarationen seien in der Fleischbranche weit verbreitet. Die Konkurrenz sei noch schlimmer.

Das bringt Branchenvertreter auf die Palme. «Wir verurteilen solche Praktiken aufs Schärfste», sagt Ruedi Hadorn (50), Direktor des Schweizer Fleisch-Fachverbands (SFF). «Sie ziehen den gesamten Fleischsektor unverschuldet in den Schmutz.» Weilenmanns Vorwurf, Praktiken wie jene von Carna Grischa seien in der Fleischbranche gang und gäbe, weist er zurück: «Das ist reiner Selbstschutz und rufschädigend für unsere Branche.» (Volltext: www.blick.ch 22.11.2014)

(gb)


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