Wenn man Kälber regelmässig streichelt, entwickeln sie eine gute Beziehung zum Halter, nehmen schneller zu und Kuhkälber geben später mehr Milch.
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Auch für die Fleischqualität ist regelmässiges Massieren förderlich wie das japanische Kobebeef und das Appenzeller Kabier beweisen. Bild: Kabier-Bauer Sepp Dähler massiert seine Rinder.
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Der freundliche Umgang mit Rindern fördert die gute Beziehung zwischen Mensch und Tier und hat positive Konsequenzen. ForscherInnen der Vetmeduni Vienna haben in ihrer aktuellen Studie im Journal Applied Animal Behaviour Science gezeigt, dass Kälber auf einem Milchviehbetrieb, die nach ihrer Geburt eine Zeit lang von Menschen gestreichelt wurden, rascher an Gewicht zunehmen als ihre nicht gestreichelten Artgenossen. Das kann sich für Betriebe lohnen, da Kühe, die als Kälber schneller zugenommen haben, mehr Milch geben.
In der konventionellen Milchwirtschaft werden Kälber am Tag ihrer Geburt von ihren Müttern getrennt. Danach werden sie meist eine Zeit lang einzeln gehalten und leben später in Kälbergruppen zusammen. Eine gute Beziehung zum Menschen kann sich nur dann aufbauen, wenn HalterInnen regelmässig und freundlich mit den Tieren umgehen.
Erstautorin Stephanie Lürzel und ihre Kolleginnen vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz an der Vetmeduni Vienna untersuchten 104 Holstein-Kälber eines Milchvieh-Betriebes im Osten Deutschlands. Etwa die Hälfte der Tiere wurde nach der Geburt 14 Tage lang je drei Minuten pro Tag gestreichelt, die andere Hälfte nicht.
Lürzel und die Masterstudentin Charlotte Münsch streichelten die Kälber an einer ganz bestimmten Stelle – am unteren Hals. „Unsere Arbeitsgruppe hat bei früheren Untersuchungen herausgefunden, dass Kühe es besonders geniessen, an dieser Stelle gestreichelt zu werden. Sogar die Herzfrequenz der Tiere sinkt währenddessen“, so Lürzel.
Gestreichelte Kälber nehmen rascher zu
Etwa 90 Tage nach der Geburt hatten die zuvor gestreichelten Kälber mehr Gewicht als die nicht gestreichelten. Die menschliche Zuwendung scheint sich ganz direkt auf die Gewichtszunahme bei den Tieren auszuwirken. „Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass Kälber, die schneller zunehmen, später als Kühe auch mehr Milch geben. Die von uns untersuchten und gestreichelten Kälber hatten zum Zeitpunkt des Absetzens von der Milch eine etwa 3 Prozent höhere Gewichtszunahme als die nicht gestreichelten. Das liesse sich laut der genannten Studie in etwa 50 Kilogramm mehr Milch pro Kuh und Jahr umrechnen“, erklärt Lürzel.
Die Forscherinnen untersuchten auch die Qualität der Mensch-Tier-Beziehung mit dem sogenannten Ausweichdistanz-Test. Dieser misst, ab welcher Distanz sich das Kalb abwendet, wenn ein Mensch von vorne auf das Tier zugeht. Haben die Tiere gegenüber Menschen Vertrauen, ist die Ausweichdistanz gering. Fürchten sich die Tiere, ist die Ausweichdistanz grösser.
Bei den Experimenten zeigte sich, dass Kälber aus der „Streichelgruppe“ dem Menschen nicht so schnell ausweichen wie die nicht gestreichelten Artgenossen. Die Ausweichdistanz war bei den gestreichelten Tieren also geringer. „Wir konnten mit diesem Test klar zeigen, dass das regelmässige Streicheln positive Auswirkungen auf die Mensch-Tier-Beziehung hat“, betont Lürzel. „In der Praxis empfehle ich Landwirtinnen und Landwirten, regelmässig freundlichen Kontakt zu ihren Tieren zu pflegen. Auch wenn sich drei Minuten pro Tag und Kalb nicht ausgehen, hat der regelmässige Kontakt über einen längeren Zeitraum auf jeden Fall positive Auswirkungen auf die Tiere.“
Enthornung wirkt sich negativ auf Mensch-Tier-Beziehung aus
Anders stellten sich die Ergebnisse dar, nachdem die Kälber im Alter von etwa 32 Tagen ohne Betäubung, wie auf dem untersuchten Betrieb üblich, enthornt wurden. Bei dem in der Milchviehhaltung heute weitverbreiteten Verfahren werden die Hornanlagen mit einem Brenneisen ausgebrannt. Die Hörner wachsen danach nicht mehr. Nach der Enthornung waren die Ausweichdistanzen bei beiden Gruppen höher als vor der Enthornung.
Tiere, die als junge Kälber gestreichelt wurden, schnitten zudem nicht anders ab als nicht gestreichelte Kälber. „Die zuvor aufgebaute gute Beziehung zum Menschen scheint bei den gestreichelten Tieren nach dem Enthornen, das ohne Betäubung mit starken Schmerzen für das Tier verbunden ist, gestört zu sein. Einige Wochen nach der Enthornung ist der Effekt des Streichelns auf die Beziehung zum Menschen wieder erkennbar“, erläutert Lürzel.
Freundlicher Umgang mit Nutztieren empfohlen
Verhaltensexpertin Lürzel empfiehlt auf Basis ihrer und früherer Forschungsergebnisse einen freundlichen Umgang mit Kälbern: „Nutztiere, die immer wieder Kontakt mit dem Menschen haben, sei es weil sie vom Tierarzt untersucht werden oder vom Bauern oder der Bäuerin gemolken werden, profitieren von einer guten Beziehung zum Menschen.“ Die Meinung einiger LandwirtInnen, wonach Rinder Furcht vor dem Menschen haben sollten, um mit ihnen gut arbeiten zu können, ist laut Lürzel nicht haltbar. Der regelmässige freundliche Kontakt mit den Tieren wirke sich letztendlich auch auf wirtschaftlicher Ebene positiv aus.
Der Artikel “The influence of gentle interactions on avoidance distance towardshumans, weight gain and physiological parameters in group-housed dairy calves “ von Stephanie Lürzel, Charlotte Münsch, Ines Windschnurer, Andreas Futschik, Rupert Palme und Susanne Waiblinger wurde im Fachjournal Applied Animal Behaviour Science veröffentlicht. doi:10.1016/j.applanim.2015.09.004
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0168159115002610
(idw 22.12.2015 Veterinärmedizinische Universität Wien www.vetmeduni.ac.at)
(gb)
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