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Nachrichten

24.6.2005

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Unseriöse Berichte zu Darmkrebsrisiko bei Fleisch

«Rotes Fleisch erhöht das Darmkrebsrisiko» titelte der Nachrichtendienst «wissenschaft.de». Eine deutsche Wissenschaftsjournalistin kommt zum Schluss: die Auswertungen der Studie sind unseriös.


"Fleischkonsum steigert Darmkrebsrisiko" titelte pressetext.de, und das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DifE) liess aus Potsdam verlauten, "Fleisch steigert ... das Darmkrebsrisiko". Das Bedauerliche an all diesen Meldungen ist nicht nur, dass sie schlicht falsch sind. Die Wortwahl der Autoren der Originalstudie legt zudem den Verdacht nahe, dass man die falschen Schlagzeilen bewusst provoziert hat.

Ausgangspunkt der Meldungen ist eine Veröffentlichung aus der EPIC-Studie im Journal of the National Cancer Institute. EPIC ist die grösste bislang durchgeführte vorausschauende Beobachtungsstudie in Europa (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) mit rund einer halben Million Teilnehmer. Die betreffende Publikation befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Darmkrebs (Dick- und Enddarm) und dem Verzehr von Fleisch, Wurst, Fisch und Geflügel.

Während mit steigendem Fischkonsum das Darmkrebsrisiko sank, fand man keinerlei Zusammenhang zum Geflügelverzehr. Der Verzehr von "rotem" Fleisch, worunter Rind, Schwein, Kalb- und Lammfleisch verstanden werden, ging mit einem Trend zu höheren Darmkrebsrisiken einher, die jedoch zu keinem Zeitpunkt signifikant waren. Damit kann es sich um ein Zufallsergebnis handeln, und es gilt eben nicht als wissenschaftlich erwiesen, dass "rotes" Fleisch das Risiko für Darmtumoren erhöht. Auch ging weder der Verzehr von Schweine-, Rind-, Kalb- noch Lammfleisch mit einem signifikant erhöhten Risiko einher.

Anders bei verarbeitetem Fleisch, also Schinken, Wurst und Pasteten: Hier war beim höchsten Verzehr (ab 80 Gramm täglich) das Darmkrebsrisiko signifikant erhöht. Doch mit diesen Ergebnissen war man offenbar nicht zufrieden, denn nun wurden Fleisch, Schinken und Würste in einen Topf geworfen. Damit hatte man aber immer noch kein signifikantes Risiko für "rotes" Fleisch herausrechnen können.

Also folgte der nächste Trick: Man errechnete nun noch das Risiko für einen hypothetischen Mehr-Verzehr von 100 Gramm "rotem" Fleisch täglich - und fand immer noch kein signifkant erhöhtes Risiko. Dass selbst die "wissenschaftlichen" Presseagenturen daraus die Meldung strickten, 100 Gramm Fleisch oder Wurst würden Darmkrebs fördern, spricht nicht eben für die Qualität der Berichterstattung.

Erst als man den Fleisch- und Wurstverzehr zusammenlegte und das Risiko für einen hypothetischen Mehr-Verzehr von 100 Gramm täglich errechnete, wurden die Ergebnisse signifikant. Da drängt sich irgendwie der Begriff Datenmassage auf. Was in keiner Meldung Platz fand war die Beobachtung der EPIC-Studie, dass selbst der höchste Konsum von "rotem" Fleisch und Wurst (über 160 Gramm) das Darmkrebsrisiko nicht erhöhte, sofern auch viel Fisch (über 50 Gramm) oder Ballaststoffe (17-28 Gramm) verzehrt wurden. An der Wurst alleine kann es schon deshalb nicht liegen.

Zudem wird der Gemüse- und Salatkonsum der Teilnehmer mit keinem Wort erwähnt. Dabei wäre es sehr interessant zu erfahren, ob sagen wie ein Spanier, der viel Fleisch aber auch viel Gemüse (und Fisch) isst, ein geringeres Darmkrebsrisiko hat als etwa ein Brite, der zu seinem Fleisch eher Pommes verzehrt.

Der einzige Lichtblick in dieser ganzen Darmkrebs-Fleisch-Kakophonie fand sich bei wissenschaft.de, wo man darauf hinwies, dass das absolute Risiko für 50-Jährige, in den nächsten 10 Jahren an Darmkrebs zu erkranken, gering ist. Es lag selbst in der Gruppe mit dem höchsten "Rotfleischundwurstkonsum" bei 1,7 Prozent. Bei geringem Fischkonsum liegt es übrigens bei 1,9 Prozent, und es sinkt auf 1,3 Prozent beim höchsten Fischverzehr - unabhängig vom den vertilgten Fleisch- und Wurstmengen.

Die Wissenschaftsjournalistin Ulrike Gonder meint dazu: Mir persönlich ist es egal, ob jemand Fleisch und Wurst isst oder nicht, das muss jeder selber wissen. Ich finde es aber unerhört, wenn man Menschen Angst vor beliebten Grundnahrungsmitteln macht, noch dazu unbegründet. Mithilfe der missverständlichen Formulierungen in der Studie konnten Schlagzeilen in der Presse generiert werden, die die Ergebnisse der EPIC-Studie klar missbrauchen.

Die EPIC-Studie birgt aufgrund ihrer Grösse ein enormes Potenzial zur Aufklärung der Zusammenhänge zwischen Ernährung und Krebs. Daher sollten die Wissenschaftler ihre Daten sauber und ohne Rücksichtnahme auf persönliche Voreingenommenheiten aufarbeiten und die daraus abzuleitenden Botschaften klar formulieren. Ansonsten verkommt EPIC zu einer Steuerverschwendungsmassnahme, die keinem Verbaucher nützt und die die ohnehin weit verbreitete Angst vor dem Essen weiter schürt. (Quelle: LME)

* * * * *


Dies war der Wortlaut der kritisierten Mitteilung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke

Fleisch steigert, Fisch senkt das Darmkrebsrisiko

Wer täglich auf Schinken und Bratwurst besteht, erhöht sein Darmkrebsrisiko deutlich. Kommt dagegen häufig Fisch auf den Tisch, ist das Risiko an Darmkrebs zu erkranken abgesenkt. Frühere Untersuchungsergebnisse hatten bereits auf diese Zusammenhänge hingewiesen – die Auswertung einer Studie mit rund einer halben Million Teilnehmern bestätigt nun die Vermutung.

Die Studienteilnehmer aus zehn verschiedenen europäischen Ländern lassen sich seit 1992 im Rahmen von „EPIC“ (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) zu ihren Ernährungsgewohnheiten und Lebensumständen befragen. Diese Daten werden auf ihren Zusammenhang mit dem Auftreten neuer Krebsfälle bei den Teilnehmern untersucht. In Deutschland sind das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg sowie das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke als EPIC-Studienzentren beteiligt.

Epidemiologen aus der EPIC-Koordinationszentrale, dem International Agency for Research on Cancer in Lyon, veröffentlichten nun zusammen mit Kollegen aus anderen EPIC-Zentren die Ergebnisse zur Beziehung des Fleisch- und Fischverzehrs zum Darmkrebsrisiko. Die Analyse stützt sich auf 1329 Rektum- und Dickdarmkrebsfälle, die seit Studienbeginn bei den Teilnehmern erstmalig diagnostiziert worden sind.

Studienteilnehmer, die viel so genanntes „rotes“ Fleisch (dazu zählen Schweine-, Rind-, Kalb- und Lammfleisch) oder Fleischprodukte assen, erkrankten häufiger an Darmkrebs als Menschen, die nur wenig davon verzehrten. Genau umgekehrt verhält es sich mit Fisch: Wer viel Fisch verzehrte, hatte gegenüber Personen mit geringem Fischkonsum ein deutlich niedrigeres Darmkrebsrisiko. Der Verzehr von Geflügelfleisch spielte für die Erkrankungshäufigkeit keine Rolle.

Nach Schätzungen der Forscher steigt das Darmkrebsrisiko pro 100 Gramm täglich verzehrtem „roten“ Fleisch um 49%. Bei einer Erhöhung des Wurstverzehrs um 100 Gramm am Tag würde es sogar um 70% steigen. Täglich 100 Gramm mehr Fisch halbieren dagegen das Erkrankungsrisiko.

Bei diesen Werten ist der Einfluss verschiedener Faktoren wie Geschlecht, Körpergewicht, Alkoholkonsum, Sport oder Rauchen auf das Erkrankungsrisiko berücksichtigt. Zusätzlich wurden die Daten mit einem Verfahren bearbeitet, das Ungenauigkeiten durch die Angaben der Studienteilnehmer zu ihren Ernährungsgewohnheiten vermindert.

Die Wissenschaftler liefern verschiedene Erklärungen für den Einfluss des Fleisch- und Fleischwarenkonsums auf die Darmkrebsentstehung. Neuere Studien weisen darauf hin, dass mit dem Fleisch aufgenommenes Eisen zur Risikoerhöhung beitragen könnte, da Eisen die Bildung schädlicher Nitroso-Verbindungen im Körper fördern kann.

„Rotes“ Fleisch oder Fleischwaren haben im Durchschnitt einen höheren Eisengehalt als Geflügel, weshalb dessen Verzehr das Darmkrebsrisiko in dieser Studie nicht beeinflusst haben könnte. Ursache für die schützende Wirkung des Fischverzehrs könnten bestimmte langkettige, mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren sein.

In Bezug auf Fleisch und Fleischprodukte bestätigen die jetzigen Ergebnisse die Hinweise aus früheren Studien. Ebenso deuten sie erneut auf eine positive Rolle von Fisch in der menschlichen Ernährung, kommentieren Professor Heiner Boeing und Privatdozent Dr. Jakob Linseisen, die EPIC-Studienleiter in Potsdam und Heidelberg, die Resultate. Diese Ergebnisse sollten uns hellhörig werden lassen, meinen die beiden Experten: Deutschland liegt in Europa beim Konsum von Wurstwaren ganz vorn. So würden wir am meisten von einer Einschränkung des Wurstverzehrs profitieren.

Quelle: Teresa Norat et al.: Meat, Fish and Colorectal Cancer Risk: The European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. The Journal of the National Cancer Institute, Vol. 97, June15, 2005
(gb)


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