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6.8.2007
| Druckansicht | Sind BAG-Beamte lebensfeindlich?
Diese Woche in der «Weltwoche»: Seit Jahren verteufeln die BAG-Beamten die schönen Seiten des Lebens. Sie verdammen Rauchen, Alkohol, Fette, Rösti und Zimtsterne.
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Die Weltwoche holt zum Rundumschlag gegen das Bundesamt für Gesundheit BAG aus wie am 27.Juli der Blick («BAG – Bundesamt für Grosspannen»). Sie spottet nicht nur über das tatsächlich fragwürdige Alkoholverkaufsverbot ab 21 Uhr sondern auch über die BAG-Mahnungen vor «Todesfaktoren wie Transfetten oder Acrylamid». Auch die BAG-Empfehlungen über vegetarische Ernährung und übermässigen Kochsalzkonsum kommen an die Kasse. Fundierte Gegenargumente bietet der Weltwoche-Autor in seinem oberflächlichen und polemischen Beitrag kaum. Wird er als nächstes zu einer Hymne auf die Fettleibigkeit anheben?
Diese Woche in der «Weltwoche»: Die Feinde des Lebens.
«Lebensfreude» ist ein Wert, der dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) fast gänzlich fremd ist. Den Bürokraten geht es nicht um die Wirklichkeit, sondern ums Prinzip, um den Zwang zur Lebens- und Ernährungsform, die sie, die staatlichen Menschenverbesserer, als richtig definieren. Jedes Bulletin, jede Empfehlung des BAG ist Produktion von Angst.
Alkohol, so die Botschaft der unfrohen Asketen in Bern, hat nichts mit Genuss, Geselligkeit, Gelöstheit oder anderen Annehmlichkeiten zu tun, sondern nur mit Laster, Elend, Leid und Leberschäden. Dabei nimmt der Alkoholkonsum in der Schweiz keineswegs zu, wie die «Gesundheitsbefragungen» der unverdächtigen Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) ergeben haben, im Gegenteil. Gaben 1992 20 Prozent der Schweizer an, täglich Alkohol zu sich zu nehmen, waren es zehn Jahre später nur noch 15 Prozent.
Rösti- und Pizza-Essen verboten
Die Geschichte des amtlich verkündeten Schreckens vor der Nahrungsaufname ist ebenso lang wie lächerlich. 1987 etwa hiess die Sorge kurzzeitig «Agaritin», das krebserregend und in Zuchtchampignons anzutreffen sei. Als Dauerbrenner etablieren konnten sich das Nitrat im Wasser wie im Salat und das Nitrit im Cervelat. Regelmässig verlassen zudem eindringliche Mahnungen das Amt, die den zu hohen Salzkonsum der Schweizer (8 bis 12 Gramm pro Tag) anprangern. In die künftige «Ernährungspolicy für die Schweiz», kündigen die Ernährungsexperten an, müsse dringend «die Limitierung des Kochsalzkonsums» einbezogen werden, will heissen die rasche Reduktion. Sonst drohten «Blutdruckerhöhungen, kardiovaskuläre Komplikationen, cerebrovaskuläre Insulte, Herzinfarkte».
Momentan wieder etwas aus der Mode gekommen sind die BAG-Alarme vor Benzpyrenen, Furanen und Acrylamid. Die Furane wurden in den USA in erhitzten Lebensmitteln (vor allem in Konserven) aufgespürt und als krebserregend bezeichnet. In einem Communiqué kündigte das BAG 2004 eilig an, alle «auf dem Schweizer Markt erhältlichen Lebensmittel auf ihren Furangehalt zu untersuchen», worauf die Öffentlichkeit, zum Glück, nichts mehr hörte. Benzpyrene (kanzerogen) entstünden beim Grillieren von Fleisch, Acrylamide (kanzerogen und neurotoxisch!) beim Backen, Braten oder Frittieren kohlehydrathaltiger Speisen, schreckte das Amt vor einigen Jahren vor allem die Kartoffelliebhaber auf.
Am bedenklichsten sei der Konsum stark gebratener Rösti, von Pommes Chips, Apérogebäck, Pizzen, Kaffee und Knäckebrot, warnte das BAG auf seiner noch «nicht abschliessenden Liste» des Grauens. Woraus der Slogan «Krebsgift auf unsern Tellern» wurde. Kürzlich hat das Europäische Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften die Hysterie beendet: «Es wurden bis heute keine gesundheitlichen Risiken von Acrylamid für den Menschen auch nur wahrscheinlich gemacht, geschweige denn nachgewiesen.» Das Bundesamt für Gesundheit hat die Rösti offiziell noch nicht rehabilitiert.
Wohl aus Zeitgründen, denn das halbe Amt rennt den «Transfetten» nach, der neusten Errungenschaft der Psychosespezialisten. Transfette entstehen in der industriellen Verarbeitung von Ölen und, so das BAG-Geheul vom Januar 2007, haben «ungünstige Wirkungen auf die Blutfette», was «das Risiko für arteriosklerotische Erkrankungen» (zu Deutsch: Arterienverkalkung) steigere. Besonders in Pommes frites, Blätter- und anderen Teigen seien die Gefahrenfette in (viel zu) hoher Konzentration nachzuweisen.
Doch während die Bundesbeamten des BAG mit der Industrie und anderen Kreisen fieberhaft Vereinbarungen zur Reduktion der Transfette anstreben und ihr rühriges Tun dramatisch genug öffentlich machen, hat die Ernährungswissenschaftlerin Alexandra Schmid von der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt in Liebefeld BE nicht nur längst Entwarnung gegeben, sondern die Nützlichkeit der tierischen Transfette (Vaccensäuren) belegt. Diese würden im Körper in Linolsäure umgewandelt, und Linolsäure zeige Wirkungen gegen Krebs und Diabetes. Schmid zur Basler Zeitung: «Milch und Fleisch enthalten Transfettsäuren mit anerkannten Qualitäten.»
Wenn der Winter kommt, wird womöglich die spezielle Weihnachtsgeschichte des letzten Jahres wiederholt. «Mütter!», liess Michael Beer, Abteilungsleiter Lebensmittelsicherheit im BAG, im Jahr 2006 mit viel Echo verkünden, «Mütter, gebt Euren Kindern nur noch vier Zimtsterne pro Tag!» Im sogenannten Chinazimt, der in der Nahrungsmittelindustrie verwendet wird, hatten Beamte «hohe Gehalte von Cumarin» aufgespürt, das Leberschäden verursachen könne.
Das BAG wies die Kantone an, Waren mit viel Cumarin aus den Regalen zu entfernen, und riet allen Menschen zur Zurückhaltung beim Verkehr von Zimtgebäck. Beda Stadler, Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Bern, rechnete unterdessen ruhig nach und publizierte in der Berner Zeitung seinen Befund: Ein erwachsener Mensch könne «jeden Tag dreiunddreissig Kilo Sterne, bei Aldi gekauft, verdrücken» und bleibe dennoch unterhalb aller Grenzwerte.
Risikogruppe Vegetarier
Bald sind es Wildpilze aus Osteuropa, bald Glacen, bald Fischknusperli der Sorte Buttermakrelen, mal Ananaskonserven, mal Müesli, mal Alkopops: Jede Freude, noch so klein, muss ein Todesfaktor sein. Nicht einmal die vegetarische Ernährung können die Bundesbeamten den Veganern und andern Fleischlosen gönnen. Eine «Arbeitsgruppe Vor- und Nachteile einer vegetarischen Ernährung» wurde gegründet, die nach Monaten des Nachdenkens letztes Jahr mit einem besorgten «Expertenbericht der Eidgenössischen Ernährungskommission» vor das gemüseessende Volk getreten ist: «Das Hauptrisiko besteht darin, dass durch den Wegfall von Fleisch und Fisch bestimmte Nährstoffe nicht mehr in genügenden Mengen aufgenommen werden.» Dazu gehörten die Vitamine B12 oder D oder die langkettigen n-3-Fettsäuren.
Diese Lebensweise, mahnt der Ausschuss, sei darum «insbesondere für Kinder und andere Risikogruppen wie Schwangere und ältere Leute nicht zu empfehlen». Sie müssen, rät die Kommission, tierische Fette zu sich nehmen. Nicht ohne gravierende Folgen, denn dann greifen wieder die beängstigenden amtlichen «Fettempfehlungen». Diese Mahnrufe der Eidgenössischen Ernährungskommission gipfeln darin, dass die Aufnahme von gesättigten Fettsäuren, Transfettsäuren oder mehrfach ungesättigten Fettsäuren reduziert werden muss. Das Cholesterin führe in den vorzeitigen Herztod. Egal, was auf dem Teller liegt und im Glase ruht, wenn das BAG spricht, isst und trinkt das schlechte Gewissen mit.
Text: Auszug aus der Weltwoche vom 2.8.2008
Bild: foodaktuell
(gb)
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