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Nachrichten

17.9.2007

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Tierfabriken schuld an Vogelgrippe-Verbreitung

Kagfreiland fordert kleinere Geflügel-Höchstbestände und Geflügelprodukt-Herkunftsdeklarationen statt präventives Freilandverbot gegen Vogelgrippe.




In der Schweiz ist die Käfighaltung von Hühnern verboten nicht aber Massen-Bodenhaltung. Deren Höchstbestand-Regelung findet kagfreiland zu large.


In der EU brach seit 2006 in einem Dutzend Tierfabriken die Vogelgrippe aus: Mehr als 700'000 Tiere verendeten oder mussten getötet werden. Klein- und Freilandhaltungen hingegen waren kaum betroffen. Auch Wildvögel traf die Seuche nur vereinzelt. Experten der FAO kommen nach einer Analyse von 350'000 Wildvogeldaten zum Schluss, dass es keine Vogelart gibt, welche die Seuche längerfristig in sich trägt. Zudem liess die FAO verlauten, dass das H5N1-Virus derzeit offenbar nur in kommerziellen Grossbetrieben auftritt.

Es fällt auf, dass in der EU immer wieder geschlossene Tierfabriken von der Vogelgrippe betroffen sind. Für kagfreiland, die schweizerische Nutztierschutz-Organisation, wird es offensichtlich: Die Zugvogel-Theorie ist überholt. Primär ist der Mensch schuld an der Verschleppung der Seuche, und nicht die Zugvögel. Die grösste Gefahr geht von der industriellen Zucht und Haltung von Geflügel in Tierfabriken aus. Die WHO hält fest, dass ein niedrig pathogenes Virus in Massentierhaltungen in ein hoch pathogenes, tödliches Virus mutieren kann.

Aus all diesen Gründen fordert kagfreiland den Bund auf,
1) im kommenden Winterhalbjahr kein präventives Freilandverbot zu erlassen,
2) die auf 2004 erhöhten Höchsttierbestände für Hühnerfabriken rückgängig zu machen
3) importierte Geflügelprodukte einer Deklarationspflicht zu unterstellen nach Herkunft und Art der Tierhaltung.

Die Vogelgrippe blieb lange Zeit aus den Schlagzeilen verschwunden. Jetzt ist das Thema wieder aktuell, nachdem in drei «Entenfabriken» in Mitteldeutschland die Seuche nachgewiesen wurde. Am 25. August starben im riesigen Entenmastbetrieb Wichmann in Erlangen massenhaft Enten eines plötzlichen Todes. Die Tests waren eindeutig: Vogelgrippe. Sämtliche 166'000 Enten mussten getötet werden, 4000 waren bereits tot. Doch dessen nicht genug: Die Analysen von tiefgefrorenem Entenfleisch zweier Tochterunternehmen in Bruck bzw. Nittenau ergaben ebenfalls das H5N1-Virus.

Keine 14 Tage nach dem ersten Fall wurden in einer zweiten beispiellosen Vernichtungsaktion 25'000 bzw. 180'000 Enten mit Elektroschocks getötet, zu Tiermehl verarbeitet und dann verbrannt. Niemand bestreitet, dass die Seuche durch den Menschen in die geschlossenen Masthallen eingeschleppt wurde. Die anfängliche Behauptung, das Virus sei von infizierten Wildvögeln durch mit Kot verschmutztes Stroh in die Masthallen gelangt, wurde nichtig erklärt.

Tests haben auf zwei Kontaktbetrieben Wichmanns in Landau und Dietersburg niedrig pathogene Vogelgrippeviren vom Subtyp H5 ergeben. Obwohl nicht an der gefährlichen H5N1-Seuche erkrankt, wurden 26'000 bzw. 41'000 Mastenten getötet. Den Grund kennt die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation): Ein niedrig pathogenes Virus kann bei sehr vielen Tieren auf sehr engem Raum in ein hoch pathogenes, tödliches Virus mutieren. Dieses Risiko ist besonders hoch, wenn das Immunsystem der Tiere durch katastrophale Massentierhaltung und Stress geschwächt ist. Durch die prophylaktische Tötung der H5- positiven Enten gestehen die Fachleute und Behören ein, sich der immanenten Gefahr von Tierfabriken bewusst zu sein.

Die Geflügelseuche im Osten der EU und in England

Der Fall Wichmann ist nicht einzigartig. Er steht in einer ganzen Reihe von Seuchenausbrüchen in geschlossenen Tierfabriken in der EU (siehe Tabelle). Bereits im letzten Jahr brach in grossen, geschlossenen Trutenmasthallen in Frankreich (2/06) und Deutschland (4/06) die Seuche aus. Ende Januar 2007 machten Vogelgrippefälle bei Nutzgeflügel in Südungarn von sich reden.

Die Ausbrüche in zwei nahe beieinander gelegenen Gänsefarmen deuten ebenfalls auf eine menschliche Verschleppung des Virus hin. Kurz danach kam es Anfang Februar in Suffolk in einem der grössten Trutenmastbetriebe Grossbritanniens zu einem Vogelgrippe-Ausbruch, nachdem verseuchtes Fleisch von einem Partnerbetrieb in Ungarn per Lastwagen importiert worden war. Die Missachtung elementarster Hygieneregeln war Ursache für den Seuchen- Ausbruch in der Trutenfabrik.

In der zweiten Junihälfte 2007 wurde von Tschechien ein Fall von Vogelgrippe in einer Trutenfarm gemeldet, auf den wenige Tage später nur 4 km entfernt ein Ausbruch auf einem Hühnermastbetrieb in Norin folgte. Mitte Juli kamen ganz in der Nähe zwei weitere Seuchenausbrüche auf Hühnerzuchtbetrieben mit insgesamt 71'000 Tieren hinzu. Wie das Virus in diese geschlossenen Masthallen kam, ist nicht bekannt. Doch die Verschleppung durch den Menschen ist nahe liegend. Insgesamt zeigen die vielen Fälle in Osteuropa, dass die Hygienemassnahmen viel geringer sind als in Mitteleuropa.

Opfer unter den Wildvögeln

Nach den vielen Vogelgrippefällen bei Wildvögeln bis im Frühling 2006 blieb es in Mitteleuropa rund ein Jahr lang ruhig. Erst seit dem 24. Juni traten wieder vereinzelte Fälle von Vogelgrippe bei Wildvögeln auf, zuerst in Nürnberg (Bayern), dann in weiteren deutschen Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen) sowie in Frankreich (Ost-Lothringen) und Ost-Europa. Einzig am Stausee Kelbra auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt gab es einen fast epidemieartigen Verlauf, der an das erstmalige Auftauchen der Vogelgrippe im Januar 2006 auf Rügen erinnert. Diesmal waren aber weniger Schwäne und Enten betroffen, dafür über 200 Schwarzhalstaucher. Doch so schnell wie die Fälle aufgetaucht sind, sind sie wieder abgeklungen.

Herkunft der Seuche bis heute ungeklärt.

Gemäss spiegel-online seien Handelsbeziehungen zwischen einem Betrieb in der Nähe des Ausbruchsorts in Tschechien (Trutenfarm, 21.6.07) zu einem Betrieb 50 Kilometer von Nürnberg festgestellt worden, wo die ersten Wildvogelfälle (24.6.07) auftraten. Von amtlicher Seite wurde aber dementiert, dass der Erreger auf diesem Weg verschleppt worden sei. Man habe keinerlei Spuren gefunden, hiess es. Was aber nicht bedeutet, dass es keine gab. Immerhin enthüllten Genanalysen einen hohen Grad an Übereinstimmung zwischen den H5N1-Viren in Tschechien und jenen aus Nürnberg. Dies weist auf einen gemeinsamen, bisher nicht identifizierten Ursprung beider Viren hin, wie das zuständige Friedrich-Löffler-Institut mitteilte.

Mit der Seuche lässt sich Geld verdienen

Verschiedene Tierarztkreise vermuten, dass Wildvögel das H5N1-Virus zwar in sich trugen, aber an etwas anderem starben. Auch die wegen dem Freilandverbot in einen grosszügigen, aber geschlossenen Stall eingesperrten Bio-Truten des Betriebs in Sachsen (4/06) zeigten gemäss der betreuenden Tierärztin Rosemarie Heiss eher Anzeichen einer Vergiftung als von Geflügelpest. Ihr wurde aber untersagt, selber Proben zu nehmen zwecks weiterer Analysen. «Seit es die Vogelgrippe gibt, wird nur noch auf H5N1 untersucht», so Heiss.

Kein Wunder: Mit der Seuche lässt sich viel Geld verdienen. Für die Erforschung und die Entwicklung von Impfstoffen werden in Deutschland Bundesgelder in Millionenhöhe gesprochen. Das Interesse ist gross, die Hysterie am Leben zu erhalten, bis ein Impfstoff bereit ist. Sonst kann er dereinst gar nicht mehr verkauft werden. Zudem wird die Seuche dazu benutzt, der Freilandhaltung den Garaus zu machen, um das Verbot der herkömmlichen Käfighaltung von Legehennen ab 2012 in Deutschland zu kippen.

Erkenntnisse der FAO

Weltweit wurden von 2005 bis 2007 insgesamt 350'000 Wildvögel in Asien, Afrika, Europa und Amerika auf das Vogelgrippe-Virus getestet. Aufgrund der Resultate kommt die FAO (Food and Agriculture Organization) zum Schluss, dass das H5N1-Virus derzeit offenbar nur in Zuchtgeflügelstationen (kommerzielle Grossbetriebe) auftritt. «Wir wissen jetzt, dass es keine Vogelart gibt, die das Virus dauerhaft in sich trägt», sagte Scott Newman, Naturschutz-Koordinator bei der FAO. Wissenschaftler hatten lange befürchtet, dass Zugvögel das Virus auf ihren Reisen von Europa nach Afrika und in den Nahen Osten schnell verbreiten könnten. Dies ist der Studie zufolge aber nicht eingetreten.

Auffällig viele Seuchenausbrüche in Tierfabriken

Die Liste der Vogelgrippefälle bei Nutzgeflügel (siehe Tabelle) in Mitteleuropa umfasst abgesehen von einem Fall in einer kleinen Geflügelhaltung in Dänemark nur grosse, geschlossene Masthallen (Truten, Enten). In Südosteuropa, z.B. Ungarn (EU) oder Rumänien, traten einige Fälle in kleineren Hausgeflügelbeständen auf. Ob die Vogelgrippe dort wirklich – wie immer behauptet – durch die Zugvögel eingeschleppt wurde, ist keineswegs belegt. Menschliche Unachtsamkeit, Transporte von Material, Geräten, Bruteiern, Küken, Lebendoder Schlachttieren bzw. von Geflügelprodukten oder Schlachtabfällen kommen ebenso in Frage wie verseuchtes Futter, Einstreu oder Mist.

Auch der FAO-Bericht lässt darauf schliessen, dass die Wildvögel eher die Opfer sind, als die Täter. Die neusten Fälle unter Wildvögeln fanden im Sommer statt, also in einer Zeit, in der keine grösseren Zugbewegungen von Wildvögeln stattfinden. Die Theorie, dass Zugvögel die Seuche verbreiten, darf zu Recht hinterfragt werden. Selbst wenn Wassergeflügel über längere Zeit ein «Reservoir des Virus» sprich Träger sein kann, ohne dass die Seuche ausbricht, bleibt die Frage offen, wieso es nicht öfter zu Epidemien unter Wildvögeln und zu Ausbrüchen bei Freilandgeflügel kommt. Stattdessen trifft es immer wieder Tierfabriken.

Fazit von kagfreiland

Nach den Vogelgrippeausbrüchen in einem Dutzend geschlossenen Massentierhaltungen liegt der Schluss nahe, dass nicht primär die Zugvögel, sondern menschliche Aktivitäten, mangelnde Hygiene sowie Handel und Transport für die Verschleppung der Vogelgrippe in der EU verantwortlich sind. Damit zeigt sich ein ähnliches Muster wie in Ostasien, wo die Verschleppung durch die globale Geflügelindustrie unbestritten ist. Das Immunsystem der Tiere in industriellen Massentierhaltungen ist geschwächt durch die schlechte Haltung und die einseitige Zucht auf hohe Leistung. Die hohe Tierzahl und die Enge in den Masthallen sind eine ideale Voraussetzung für die Mutation von niedrig pathogenen in hoch pathogene Viren.

Forderungen von kagfreiland

Das Fördern von artgerechter, klein strukturierter Freilandhaltung und von robusten Tieren mit gutem Immunsystem ist die sinnvollere Prophylaxe gegen Vogelgrippe als Freilandverbote. Wie die vielen Fälle in Tierfabriken zeigen, schützt eine Stallhaltung nicht vor der Seuche. Stattdessen sind die Hygienemassnahmen in der Produktion von Geflügel und Geflügelprodukten sowie beim Handel und Transport zu intensivieren. Anstelle von Freilandverboten sollten die Geflügelhaltenden auf «Stand-by» gesetzt werden. Bei konkreter Gefahr von Vogelgrippe könnte das Geflügel innert Tagesfrist unter Dach gebracht werden. Letztlich müssen wir lernen, mit der Vogelgrippe zu leben. (Medienmitteilung kagfreiland) (gb)


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