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Nachrichten

7.4.2008

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«Beobachter» kritisiert Biozertifizierungen

Diese Woche im «Beobachter»: Missstände bei Bio-Label. Bei der Kontrolle von Höfen wird geschlampt, Tierquälereien werden geduldet und Bauern vor Sanktionen geschützt.



Diese Woche im Konsummagazin «Beobachter»: Dem Beobachter liegen Dokumente vor, die bei genauer Analyse erschreckende Missstände offen legen. Eine zentrale Rolle spielt die Zertifizierungs-Firma Bio-Inspecta in Frick AG. Sie prüft Bauern im Auftrag des Verbands Bio-Suisse und verleiht ihnen ein Zertifikat, das den Verkauf der teuren Knospe-Produkte erlaubt.

Dem Beobachter liegen über 20 Fälle allein aus den Jahren 2003 bis 2006 vor, die misstrauisch machen. Ein Beispiel: In der Nähe von Porrentruy JU hält ein Biobauer seine 55 Milchkühe die meiste Zeit im Stall, statt sie auf die Weide zu lassen. Die Bio-Inspecta weiss dies, schreitet jedoch nicht ein. Das Bio-Suisse-Reglement und die staatliche Raus-Verordnung (regelmässiger Auslauf im Freien) verbieten die reine Stallhaltung. 2006 fliegt der Fall auf.

Der Beobachter konfrontiert Bio-Inspecta-Geschäftsführer Ueli Steiner mit den Vorwürfen. Steiner war zur Zeit der kritisierten Verfehlungen noch nicht im Amt. Die Kühe hätten permanent Zugang zu einem Auslauf gehabt, sagt Steiner. «Eine rechtliche Grundlage, wegen fehlenden Weidegangs eine Vermarktungssperre auszusprechen, fehlt». Der Bauer habe vom Kantonstierarzt eine Ausnahmebewilligung erhalten, die Tiere nicht auf die Weide zu lassen. Kein stichhaltiges Argument, denn: Die Raus-Verordnung schreibt auch bei Ausnahmen zwingend mindestens 20 Weidetage vor.

Den Kontrolljob erledigen im Auftrag von Bio-Inspecta Dutzende von freien Mitarbeitern. 80 Prozent von ihnen sind selbst Biobauern. Sie schreiten die Höfe ab, füllen Protokolle aus, die sie an die Bio-Inspecta-Zertifizierer weiterleiten. Diese vergeben Strafpunkte, die das Sanktionsreglement der Bio-Suisse vorschreibt. Die Anzahl Punkte entscheidet darüber, ob ein Bauer das Knospe-Zertifikat behalten darf. Ab elf Punkten gibt es eine Busse, ab 110 Punkten muss dem Bauern das Knospe-Zertifikat entzogen werden. Der Bauernverband Bio-Suisse fordert den Mehrwert, den der Bauer widerrechtlich mit Bio erzielt hat, zurück.

«Tendenz, die Bauern zu schonen»

Bio-Inspecta kontrolliert im Auftrag des Bauernverbands Bio-Suisse seit 1999 Bauern und verleiht ihnen das Knospe-Label. Die Firma prüft auch, ob die Bauern die Vorschriften der Direktzahlungsverordnung einhalten. Letztlich zahlen auf Basis dieser Kontrolldaten die Kantone staatliche Gelder aus. Zurzeit sind rund 5200 Bauern bei Bio-Inspecta registriert und bezahlen jährlich je 500 bis 1000 Franken. Kontrolleure besuchen regelmässig die Höfe, notieren allfällige Reglementsverstösse. Zertifizierer vergeben auf dieser Grundlage Sanktionspunkte, die bis hin zur Aberkennung des Labels und zu Kürzungen der Direktzahlungen führen können. Bio-Inspecta steht in direktem Konkurrenzverhältnis zur Firma Bio-Test-Agro.

Vieles deutet darauf hin, dass die Bio-Inspecta immer wieder Bauern gezielt vor Sanktionen schützt. Hans Meier (Name geändert), ein ehemaliger Zertifizierer und Kontrolleur, kritisiert seinen ehemaligen Arbeitgeber scharf. Er sagt: «Es herrscht klar die Tendenz, die Bauern zu schonen, um sie nicht als Kunden zu verlieren.»

Ein Biobauer bezahlt für Kontrolle und Zertifizierung zwischen 500 und 1000 Franken: Dies ist die Haupteinnahmequelle der Bio-Inspecta. In einem Schreiben der Direktion an die Mitarbeiter fordert die Geschäftsleitung in dicken Lettern: «Kein Kunde geht an die Konkurrenz verloren.» Ein heikles Motto für eine Zertifizierungsfirma, die auch die Einhaltung staatlicher Gesetze garantieren soll: Kontrolleure und auch Zertifizierer stecken so im ständigen Dilemma, die Bauern nicht zu verärgern, sie aber dennoch korrekt zu sanktionieren.

Dies verdeutlichen auch interne Dokumente aus dem Jahr 2006, die brisante Details offenbaren. Ein Mitarbeiter schreibt seinem Kollegen, besonders heikel sei die Kürzung der Direktzahlungen: «Zurzeit erleben wir Kontrolleure den geballten Frust der Bauern. (...) Der Druck, ja keine Sanktionen aufzuschreiben, wächst jährlich. (...) Wenn wir korrekt sanktionieren, lässt uns oft die Rekurskommission mit abgeschnittenen Hosen im Regen stehen.» Eine Erfahrung, die auch Hans Meier gemacht hat: «Zertifizierungsstelle und Rekurskommission der Bio-Inspecta schwächen berechtigte Sanktionen immer mal wieder ab oder heben sie ganz auf.»

Dazu beitragen dürfte auch die seit Jahren angespannte wirtschaftliche Situation der Bio-Inspecta. Sie seien immer wieder angehalten worden, «vermehrt auf die Kosten zu achten», sagt der ehemalige Kontrolleur Hans Meier. 2005 schloss Bio-Inspecta mit einem Verlust von 43000 Franken ab, 2006 mit einem mageren Gewinn von 8000 Franken. Die Zahlen für 2007 sind noch nicht publiziert, sollen laut Geschäftsführer Ueli Steiner jedoch «deutlich im schwarzen Bereich» liegen.

Text: Auszug aus dem Bericht im «Beobachter» vom 4.4.2008.
Bild: foodaktuell.ch (keines der kritisierten Produkte)
(gb)


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