20.2.2009: nachrichten | ||||
20.2.2009 Suisseporcs kritisiert «Grossverteiler-Diktat» Die Schweineproduzenten, Tierärzte und der Schweizer Tierschutz fordern die Schweine-Hauptabnehmer auf, die Impfung als gleichwertige Alternativmethode anzuerkennen.
Die Grossverteiler Migros und Coop zwingen die Schweineproduzenten über ihre Schlachtunternehmungen Micarna SA und Bell AG die Ferkel künftig mit der sogenannten Inhalationsnarkose weiterhin zu kastrieren. Sie nehmen damit dem Produzenten die Wahlfreiheit und verhindern die Methode der Impfung, welche in Sachen Tierwohl noch deutlich besser abschneidet. ProSchwein, ein Grossprojekt der Bundesämter für Veterinärwesen und für Landwirtschaft, des Produzentenverbandes Suisseporcs, von Migros und Coop sowie des Schweizer Tierschutzes, hat in 4 Jahren intensiver wissenschaftlicher Arbeit drei taugliche Methoden gefunden: Die chirurgische Kastration nach Inhalationsnarkose und Schmerzausschaltung, die Impfung gegen Ebergeruch und in der Nischenproduktion die Jungebermast. Die Ergebnisse des Projektes wurden am 20. Juni 2008 von allen Partnern akzeptiert und eine zügige Umsetzung angestrebt. Der Markt zeigt jetzt aber ein ganz anderes Bild: Nur gerade im Label Coop Naturafarm (gut 10% des Marktes) sind sowohl die Impfung wie die Inhalationsnarkose zugelassen. Im übrigen Schlachtschweinemarkt, der von Migros bzw. Micarna und Coop bzw. Bell dominiert wird, verbieten die Einkaufsbestimmungen Fleisch und Fleischwaren von geimpften Tieren. Die Grossverteiler zwingen damit den Produzenten eine Methode auf! Die Fachleute sind sich einig: Die Entwicklung in der Schweiz und im europäischen Umfeld geht mittelfristig in Richtung Ebermast. Die Impfung der Eber wäre ein Zwischenschritt in diese Richtung. Deshalb fordern die Schweineproduzenten, die Tierärzte und der Schweizer Tierschutz die Hauptabnehmer auf, die Impfung als gleichwertige Alternativmethode anzuerkennen. (Medienmitteilung Suisseporcs) Peter Hofer, Präsident Suisseporcs: Abnehmer zwingen die Produzenten auf eine Methode Migros und Coop bekundeten anlässlich des Workshops für die Umsetzung von Alternativen zur aktuellen Praxis der Ferkelkastration vom 20. Juni 2008 Offenheit gegenüber allen Alternativmethoden, die von ProSchwein zur Umsetzung empfohlen werden. Es ist dies die Impfung gegen Ebergeruch, die chirurgische Kastration nach einer Inhalationsnarkose und der gleichzeitigen Anwendung eines Schmerzmittels und für Nischenmärkte die Ebermast. Alle drei Methoden bringen eine wesentliche Verbesserung des Tierwohls. Die Migros verlangte, dass offene Fragen zur Deklaration, zum Export und zum Umgang mit geimpften Tieren geklärt werden. Dies hat ProSchwein in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Veterinärwesen inzwischen gemacht. Die Offenheit, welche von Migros und Coop am 20. Juni an den Tag gelegt wurde, ist jedoch eine Farce. Das Marktverhalten der beiden Hauptabnehmer von Schweinen, Micarna, ein Tochterunternehmen der Migros, und Bell, ein Tochterunternehmen der Coop, zeigt ein ganz anderes Bild. Diese beiden Markt bestimmenden Unternehmen übernehmen bis dato keine gegen Ebergeruch geimpften Schweine und zwingen damit auch alle andern Abnehmer von Schlachtschweinen auf die gleiche Schiene. Eine Ausnahme ist das Label Coop Naturafarm, hier sind beide Alternativen akzeptiert. Es ist höchst fragwürdig, wenn nach langer – notabene gemeinsam mit Migros und Coop erfolgter Lösungssuche – ProSchwein zwei Methoden zur Umsetzung vorschlägt und dann zwei Markt mächtige Unternehmen die eine Methode ohne sachlich und fachlich fundierte Argumentation ablehnt. Die Produzenten haben bereits beim Start von ProSchwein die Forderung nach Wahlfreiheit bei der Methode aufgestellt. Unsere Betriebsstrukturen sind sehr unterschiedlich: Grosse, kleine, nur Zucht, nur Mast, aber auch Betriebe, die beides machen. Wenn es schon zwei Alternativen gibt, welche das Tierwohl wesentlich verbessern, dann will der Produzent auch selber entscheiden können, welche Methode für seinen Betrieb die Beste ist! Das Methodendiktat der beiden Hauptabnehmer von Schweinen verhindert einerseits eine breit anerkannte tierfreundliche Alternative und zwingt anderseits zahlreiche Produzenten dazu, eine Methode anzuwenden, die sie bei freier Wahlmöglichkeit nicht wählen würden. Wir akzeptieren kein Methodendiktat. Suisseporcs, Allmend, 6204 Sempach / Tel. 041 462 65 90 / Fax. 041 462 65 99 /Email: Entwicklung in Europa: Druck auf Verzicht auf die Kastration steigt. Die Entwicklung bezüglich alternativer Methoden auf den europäischen Märkten hat sich in den letzten Wochen erneut beschleunigt. Währenddem in Deutschland ein parlamentarischer Vorstoss zum Verbot der konventionellen Kastration vorliegt, haben in Holland die zwei internationalen Supermarktketten Lidl und Aldi kürzlich angekündigt, dass sie ab 2009 nur noch Fleisch von nicht oder schmerzfrei kastrierten Tieren im Sortiment führen werden. Lidl und Aldi geben dabei auch an, längerfristig sowohl weibliche und als auch männliche Tiere zu verkaufen. Welche Rolle die Impfung gegen Ebergeruch in einem solchen Programm spielt, wird sich nach der Registrierung der Impfung in der EU zeigen. Die aktuelle Entwicklung in Europa im Bereich der Ferkelkastration zeigt deutlich, dass es wichtig ist, in der Schweiz verschiedene Methoden zu etablieren. Nur so kann der Markt in Zukunft flexibel und rasch reagieren. (Quelle: suisseporcs.ch) Dr. Hans Wyss, Direktor BVET: Beim Tierwohl nicht auf halbem Weg stehen bleiben Noch vor einigen Jahren ging man davon aus, dass junge Tiere kaum Schmerzen empfinden. Heute weiss man, dies ist falsch. Diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse haben unter anderem zu einer Sensibilisierung in Sachen Ferkelkastration geführt. In der Schweiz wurde das Thema so seriös wie wohl in keinem anderen Land der Welt angegangen. Noch bevor das Parlament das Verbot der Ferkelkastration ohne Schmerzausschaltung im Tierschutzgesetz verankerte – Ende 2005 – wurde ProSchwein gegründet. Die Grossverteiler, die Schweineproduzenten und wir Behörden wollten Lösungen finden, die gutes Schweinefleisch ohne Ebergeruch liefern, absolut sicher für Konsumierende sind, ökonomisch tragbar sind und die in erster Priorität das Tierwohl wirklich verbessern. Die fachliche Arbeit ist abgeschlossen. Wir haben drei taugliche Methoden: die chirurgische Kastration nach Inhalationsnarkose und Schmerzausschaltung, die Impfung gegen Ebergeruch und in der Nischenproduktion die Jungebermast. Wie aber sieht die Zukunft aus? Die Grossverteiler haben bereits angekündigt, dass die Jungebermast die Methode der Zukunft ist. Ich unterstütze dieses Ziel. Dabei gilt es eines zu beachten: Wer glaubhaft das Ziel Jungebermast anvisiert, setzt heute auf die Impfung gegen Ebergeruch. Sie ist ein Zwischenschritt, da sie ähnliche Änderungen der Abläufe im Schlachthof bedingt – nur in kleinerem Ausmass. Weshalb aber setzen die Grossverteiler dennoch hauptsächlich auf die chirurgische Kastration nach Inhalationsnarkose? Meiner Meinung nach hat das viel mit Gewohnheit zu tun. Wir alle kennen die Narkose vor dem chirurgischen Eingriff. Es ist aber auch die Gewohnheit im Schlachthof, dass Eber ohne Hoden angeliefert werden. Jeder, der bereits operiert wurde, weiss aber auch, wie belastend solche Eingriffe sind und wie lange man danach noch Schmerzmittel braucht. Dies ist bei Ferkeln nicht anders. Auch sie benötigen Mittel, um die Schmerzen nach dem Eingriff zu senken. Die Impfung gegen Ebergeruch dagegen belastet die Tiere weitaus weniger. Dies ist ein weiterer wichtiger Punkt: Obwohl alle drei Methoden akzeptabel sind, muss auch klar festgehalten werden, dass die Impfung und die Jungebermast für Tiere deutlich schonender sind. Damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt. Bei der ganzen Thematik geht es in erster Linie um das Wohl der Tiere. Gelingt uns 2009 ein überzeugender Schritt in die Zukunft der Schweineproduktion? Schöpfen wir das erreichbare Plus an Tierwohl aus? Oder bleibt man möglichst nahe am Gewohnten und vergibt eine Chance, die Schweinehaltung in der Schweiz nachhaltig zu verbessern und den Konsumentinnen und Konsumenten aufzuzeigen, dass Schweine in der Schweiz besser gehalten werden als anderswo. Impfung gegen Ebergeruch / Kastration nach Inhalationsnarkose Ab Anfang 2010 dürfen männliche Ferkel nur noch nach Schmerzausschaltung kastriert werden. Die Kastration verhindert stinkendes Fleisch, den so genannten Ebergeruch. Wie soll nun künftig bei den jährlich 1,3 Millionen männlichen Schweinen der Ebergeruch verhindert werden? Im Projekt ProSchwein haben Branchenvertreter, Grossverteiler, Forschende und Behördenvertreter verschiedene Ansätze umfassend geprüft. Zwei stehen heute im Vordergrund: die Impfung gegen Ebergeruch und die Kastration nach Inhalationsnarkose. Als Nischenproduktion ist zudem die Jungebermast möglich. Impfung gegen Ebergeruch Bei der Impfung gegen den Ebergeruch erhalten die männlichen Mastschweine einige Wochen vor der Schlachtung zwei Impfspritzen. Die Impfung richtet sich gegen einen körpereigenen Botenstoff, der das Hodenwachstum anregt. Sie löst eine natürliche Abwehrreaktion im Mastschwein aus, die den Botenstoff unterdrückt und dadurch den Hoden verkümmern lässt. Der Ebergeruch wird so zuverlässig unterdrückt. Die Impfung kommt ohne chirurgischen Eingriff aus. Sie wird seit Jahren erfolgreich in mehreren Ländern (Australien) eingesetzt. Im Januar 2007 hat das Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe in Mittelhäusern den Impfstoff Improvac der Firma Pfizer zugelassen. Kastration nach Inhalationsnarkose Bei der Kastration mit Inhalationsnarkose werden männliche Ferkel wie bisher chirurgisch kastriert. Zuvor werden sie jedoch mit Gas komplett betäubt und es wird ihnen ein Schmerzmittel gespritzt, um auch nach dem Aufwachen die Schmerzen gering zu halten. Der Ebergeruch wird durch die Kastration zuverlässig unterdrückt. Die Methode wird bislang in keinem Land grossflächig angewendet. Tierhaltende müssten vorab einen vom Bund anerkannten Kurs absolviert haben, um die Schmerzausschaltung und Kastration selber durchführen zu können. (Hans Wyss, BVET) Hansuli Huber, Schweizer Tierschutz STS: Jungeber mästen statt kastrieren Nachdem der Bundesrat in seiner aktuellen Antwort auf die Interpellation von Nationalrätin Maya Graf „Schmerzlose Ferkelkastration. Wie weiter?“ eine breite Anwendung des Gasnarkoseverfahrens zur Ferkelkastration für wenig geeignet hält und Bedenken betreffend Kontrollierbarkeit äussert, fühlt sich der STS in seiner Forderung bestätigt, die chirurgische Kastration nur für eine Übergangsfrist ein-zuplanen. Im Rahmen des im Frühjahr 2008 abgeschlossenen Projektes ProSchwein war sich die Branche einig, längerfristig auf die chirurgische Kastration zu verzichten. Die EU und Norwegen haben sich ebenfalls auf dieses Ziel festgelegt. Nationalrätin Maya Graf nimmt nun die Beteiligten (Züchter, Schlachtbetriebe, Metzger und Gross-verteiler) beim Wort. Mit einem Vorstoss in der Frühjahrssession will sie der tierfreundlichsten Methode, der Jungebermast, nun zum Durchbruch verhelfen. Eine Recherche des STS anfangs Februar in niederländischen Schweinebetrieben, Schlachthöfen und Metzgereien zeigte, dass die Holländer bereits 2008 45'000 Jungeber mästeten und ab 2015 - bei einer siebenmal grösseren Schweine-produktion als in der Schweiz – vollständig auf diese Haltungsform setzen und damit auf das Ferkelkastrieren verzichten. Der STS fordert Bund und Branche auf, alle Bauern, Schlachthofbetreiber und Metzger bei der Praxiserprobung von Methoden, die auf die chirurgische Ferkelkastration verzichten, zu unterstützen, damit das gemeinsame Ziel rasch-möglichst erreicht werden kann und die Schweiz punkto Ferkelschutz nicht hinter die EU zurückfällt. Autor: Dr. sc. nat. Hansuli Huber, Geschäftsführer Fachbereich STS (Quelle: suisseporcs.ch) | ||||