Backwaren & Confiserie: Report | |
Backwaren & Confiserie Elchtest in der Schokoladeindustrie Der moderne Schokolade-Scherkristallisator «Seedmaster» verspricht eine bessere Stabilität von Pralinés mit heiklen Füllungen. Solche enthalten tiefschmelzende Fette oder Zutaten wie Nussmasse. Die heikelsten sind gefüllte und dunkel überzogene Produkte, weil beginnender Fettreif vor dem schwarzen Hintergrund gut sichtbar ist. Der nusshaltige und dunkel überzogene Ragusa-Riegel war daher ein «Elchtest» für den Seedmaster. (2. Teil) «foodaktuell.ch» befragte die Schweizer Anwender des Seedmasters über ihre Erfahrungen. Alle bestätigen, dass die Fettreifstabilität tatsächlich stark verbessert wird. Gemäss Erfahrung von Lindt zeigt der Seedmaster eine höhere Robustheit gegenüber Temperaturschwankungen bei der Produktion, auch bei heiklen Massen mit Fremdfetten (Bild: Seedmaster bei Lindt). Die traditionelle Temperiermethode dagegen toleriert nur Zehntelgrade. Camille Bloch dagegen berichtet, dass die Toleranz nur gegen Übertemperaturen besteht. Mit der Impfmethode ist ferner eine höhere Verarbeitungstemperatur möglich, daher lassen sich höher viskose Massen verarbeiten. Bei Maestrani spricht man von zwei Grad höherer Temperatur, bei Camille Bloch sogar von vier Grad. In den Rezepten der dünnflüssigen Massen könnte man daher ein Prozent des teuren «Verdünnungsmittels» Kakaobutter einsparen. Bei Lindt, Cailler und Maestrani änderte man die Rezepte jedoch nicht. Camille Bloch dagegen musste den Kakaobuttergehalt um 0.5 bis 1.5 Prozent reduzieren, weil die Couverture sonst zu dünnflüssig wäre. An der ETH erfunden Entwickelt wurde die Methode der Scherkristallisation an der ETH Zürich von Professor Erich J. Windhab am Institut für Lebensmittelwissenschaft. Ein praktischer Vorteil des Seedmasters, den der Technologiekonzern Bühler in Lizenz baut, ist die Möglichkeit, mehrere Schokoladesorten gleichzeitig oder kurz nacheinander zu verarbeiten. Der Grund: Man erzeugt die Kakaobutterkristalle nicht direkt in der fertigen Masse sondern in reiner Kakaobutter, welche ohnehin in jeder Schokolade enthalten ist. Daher muss nicht jede Schokolade-Giessstation mit einem eigenen Seedmaster bestückt werden. Mehrere Impfstationen können an eine Ringleitung angeschlossen werden, in welcher die Kakabutter-Kristall-Suspension zirkuliert. Die Impfmethode ist ausserdem gutmütiger als die traditionelle Unterkühlungsmethode. Ein weiterer Vorteil des neuen Verfahrens: die Kühlzeit ist stark verkürzt. Aber den Durchsatz auf den Formmaschinen erhöhen die angefragten Firmen nicht. Auch bei Cailler stellt man fest, dass der SeedMaster viskose Massen gut verkraftet und eine Verarbeitung bei höheren Temperaturen ermöglicht. Mehr Glanz? Bei Maestrani und Camille Bloch bestätigt man die in der Werbung versprochene Verbesserung des Glanzes. Und Kühlflecken kommen nicht mehr vor. Aber Lindt strebt nicht Hochglanz sondern Seidenglanz an. Glanz entsteht durch eine dichte glatte Oberfläche und hängt auch vom Material der Formen ab. Für die Konsumenten ist er ein Zeichen von Frische. Hochglanz erinnert aber an industrielle Herstellung, weil Produkte im industriellen Giessverfahren stärker glänzen als beim Überzugsverfahren, das im Handwerk vorherrscht. Bild: manueller Überzug durch Trempieren Maestrani macht die Erfahrung, dass gefüllte Produkte doppelt so lange ohne Fettreifbildung lagerfähig sind: statt drei bis fünf Monate sind es zehn Monate. Man stellt fest, dass weniger Reklamationen wegen Fettreif vorkommen. Auch gemäss Windhab ist die Haltbarkeit drei bis fünf Mal länger. Anders die Meinung bei Lindt: Die Haltbarkeit der Schokolade werde primär durch das Rezept bestimmt, und die Temperiermethode beeinflusse nur die Ausprägung des Fettreifs und den Zeitpunkt seines Erscheinens. Vor- und Nachteile Eine besondere Herausforderung war, die Impfkristallisation in Überzugs- und Schalengiess-Anlagen anzuwenden (Bild: Überzugsanlage bei Sprüngli). In diesen zirkuliert ein grosser Teil der Masse im Kreislauf. Beim traditionellen Verfahren wird sie bei jedem Durchgang aufgeschmolzen und neu temperiert. Dies ist beim Impfverfahren unzweckmässig, da sonst bei jedem Durchgang eine Auffettung stattfinden würde. Gelöst wurde dieses Problem, indem der Temperiergrad aufrechterhalten wird, erklärt man bei Bühler. Nur die hinzugelangende Masse, welche die verbrauchte ersetzt, wird geimpft. Der Fettgehalt bleibt somit konstant. Weitere Vorteile gemäss Erfahrung von Lindt: Der Platzbedarf eines Seedmasters ist kleiner, und die gegossene Masse erstarrt schneller. Aber man stellt fest, dass ein Kaltstart 2.5 Stunden dauert – also wesentlich länger als im traditionellen Temper. Dafür laufe der Seedmaster vierzehn Tage stabil. Auch bei Maestrani, welche Bio-Schokolade herstellt, konstatiert man kleine Schwachstellen: Der statische Mischer sei rasch überfordert, wenn die Fliessgrenze nach oben abdriftet. Dies geschieht bei Bioschokolade wegen Schwankungen im Kakaomasse-Wassergehalt oder bei Massen mit Fructose oder rohem Rohrzucker. Qualitätsinvestition Bei der Umstellung auf die Scherkristallisation sind Schulungen für das Bedienungspersonal nötig. Der neuartige Prozess erfordert Umdenken, aber die Handhabung wird rasch begriffen. Da nur eine Abkühlung aber keine Unterkühlung und Wiedererwärmung der Masse erforderlich ist, sinkt der Energiebedarf wie von Bühler versprochen. Die Amortisationsdauer entspricht einem konventionellen Temper mit drei Giessstationen. Bei Maestrani betrachtet man den Seedmaster nicht als Rationalisierungsinvestition sondern als Qualitätsinvestition. Die Investitionsschwelle hängt laut Windhab eher von Fettreif-Leidensdruck ab als von der Produktions-Menge. Aber als Faustregel kann man annehmen, dass das jetztige Modell ab drei Linien zu 500 kg/h rentabel ist. Gemäss Windhab lässt sich die Maschine gut downsizen für kleinere Durchsätze, damit sie für KMU erschwinglich wird. Weiterlesen: Temperierung von Schokolade. 1. Teil Wie funktioniert der Scherkristallisator | |