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8.4.2009: nachrichten
8.4.2009
Gutes 2008 für Gastronomie. Ungewisses 2009

Die Schweizer Bevölkerung hat im Jahr 2008 in der Gastronomie 1,3 Mia. Franken mehr ausgegeben als im Vorjahr, vor allem in traditionellen Beizen und Fastfood-Lokalen.



Die herkömmliche Gastronomie sowie Fastfood-Angebote legten 2008 zu. Bild: Begehrte Plätze auf der Piazza Motta in Ascona an der Frühlingssonne

Im Jahr 2008 setzten sich die Tendenzen fort, die sich bereits im Vorjahr abgezeichnet hatten: Die herkömmliche Gastronomie sowie die Schnellverpflegungsgastronomie gewannen Marktanteile dazu, während die Länder- und die Vergnügungsgastronomie Rückgänge hinnehmen mussten. Auch der Trend der letzten Jahre weg von der Einzelfirma hin zur GmbH setzte sich fort.

Wie schon seit vielen Jahren verzeichnet das Handelsregister auch 2008 einen Nettozuwachs an gastgewerblichen Betrieben. Im Verhältnis zu den bereits bestehenden Betrieben den grössten Nettozuwachs verzeichneten die Kantone Jura (+5,6 Prozent), Freiburg (+5,5 Prozent) und Obwalden (+5,4 Prozent).

In der Schweiz gibt es pro 386 Einwohner ein Restaurant. Die Top drei der kleinen Gemeinden mit der grössten Restaurantdichte befinden sich alle im Tessin; es sind das Bedretto, Campello und Sonogno. An der Spitze der Auswertung der Gemeinden über 1000 Einwohner steht Saas Fee vor Manno und Zermatt. Saas Fee ist gleichzeitig die Hochburg der Hotels (mit Restaurant) vor Kandersteg und Leukerbad. Die Bar-Hochburg liegt mit Brusio im Puschlav.

Skeptischer Blick nach vorn

Im Jahr 2008 erzielte die Branche Rekorde bei den Übernachtungen. Erfreulicherweise stiegen auch die Ausgaben der Schweizer Wohnbevölkerung für Essen und Trinken ausserhaus um 1,3 Mia. Franken auf 20,3 Mia. Franken an. Zu diesem guten Ergebnis beigetragen hat vor allem der Getränkeumsatz. Zu beachten ist, dass diese Zahlen ohne den Konsum der ausländischen Touristen in der Schweiz erhoben werden. Die Zahlen des 1. Quartals 2009 müssen unter diesem Aspekt besonders für die touristischen Hauptgebiete (Alpenregion, Tessin) stark relativiert werden.

"Beim Blick nach vorn ist es schwierig, den Horizont klar zu fassen", hielt GastroSuisse- Zentralpräsident Klaus Künzli in Zürich fest. "Wir machen uns Sorgen darüber, wie die extreme Liquidität, die die Zentralbanken in die volkswirtschaftlichen Kreisläufe pumpen müssen, wieder abgebaut wird." Verunsicherte Gäste sparen zuerst an Dienstleistungen, die man vermeintlich auch zuhause erbringen kann.

Auch Prävention muss Grenzen haben

Wenig Freude bereitet GastroSuisse die Hektik, mit der in Bundesbern an einem Präventionsgesetz gearbeitet wird. "Wir ärgern uns", so Klaus Künzli, weil wir erkennen, dass diese Prävention mit einem Menschenbild antritt, das uns fremd ist." Der Konsument soll eingeschränkt, seine Entscheidungsfreiheit reduziert werden. "Und weil man diesem Mechanismus nicht traut, werden die nachgelagerten Branchen – darunter auch das Gastgewerbe – zu Vollzugshelfern und Nacherziehern degradiert."

Für GastroSuisse ist klar: Die amtliche Verbotsorientierung muss Grenzen haben. Der unermüdliche Kampf für verträgliche politischen Rahmenbedingungen sind das A und O für GastroSuisse. Seit Jahren arbeitet der Verband daran, dass die krasse Benachteiligung des Gastgewerbes gegenüber dem Detailhandel bei der Mehrwertsteuer korrigiert wird. GastroSuisse schlägt deshalb vor, dass im Rahmen der konjunkturellen Ankurbelung eine rasche Einführung eines Mehrwertsteuer-Einheitssatzes von fünf Prozent geprüft werden soll.

Hilfe zur Selbsthilfe

Zur Unterstützung der Gastro-Unternehmer in ihrem betrieblichen Alltag hat die führende Branchen-Treuhandgesellschaft und GastroSuisse-Tochter, die Gastroconsult AG, ein elektronisches Zeiterfassungs-Tool entwickelt: „GastroTime“ verschafft mehr Effizienz und Qualität bei der Arbeitszeiterfassung, der Personalverwaltung und -planung. „Wer die Einsatzdauer seiner Mitarbeitenden nicht im Griff hat, verschwendet seine wertvollste Ressource“, hielt GastroSuisse-Vizepräsident und aktiver Gastro-Unternehmer Ernst Bachmann fest. Gemäss den Zahlen des neuesten Branchenspiegels von GastroSuisse wird im Gastgewerbe knapp jeder zweite Umsatzfranken für die Deckung der Personalkosten verwendet.

Unnötige Behinderung der Klein- und Mittelhotellerie

GastroSuisse siegte im „Sterne-Verfahren“ vor dem Handelsgericht Zürich. Das Gericht hat sowohl aus markenrechtlichen wie auch aus lauterkeitsrechtlichen Erwägungen eine Klage von hotelleriesuisse deutlich abgewiesen. Leider hat der Kläger nun Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht Zürich erhoben. Für GastroSuisse-Direktor Dr. Florian Hew steht fest: „Jetzt dauert die Wartezeit noch länger, und der Schaden wird noch grösser. Im Interesse von etwa 3000 kleinen und mittelgrossen Beherbergungsanbietern, die für die Zukunft eine Chance bekommen müssen, will GastroSuisse sich aber nicht zermürben lassen.“

Wie Prof. Dr. Hansruedi Müller vom Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus an der Universität Bern ausführte, gehören 87 Prozent der Hotels oder konkret 4400 Betriebe der Klein- und Mittelhotellerie (KMH) an. Zusammen generieren sie fast 50 Prozent der Hotellogiernächte. Die kleinen und mittleren Betriebe sind vor allem im ländlichen Raum bedeutungsvoll und schaffen eine direkte Wertschöpfung von beinahe 2 Mia. Franken.

Gemäss Prof. Müller haben gut 70 Prozent der KMH das Potenzial, mittelfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Das Schweizer Gastgewerbe ist mit 235'000 Beschäftigten der sechstgrösste Arbeitgeber der Schweiz. Etwa sechs Prozent aller Beschäftigten arbeiten im Gastgewerbe. Daneben bildet das Gastgewerbe im Rahmen der beruflichen Grundbildung rund 10'000 Jugendliche aus. Mit rund 21‘000 Mitgliedern ist GastroSuisse der führende Verband für Hotellerie und Restauration in der Schweiz.


Referat von Klaus Künzli, Zentralpräsident GastroSuisse

Klaus Künzli heute vor den Medien: «Das Gastgewerbe befindet sich im konstanten Wandel: herkömmliche Angebote stehen Schnellservice-Konzepten gegenüber. Die Ertragssituation der gastgewerblichen Betriebe ist weiter sehr angespannt. Auch Prävention muss Mass halten. Deshalb muss die amtliche Verbotsorientierung Grenzen haben. Forderungen von GastroSuisse: „Stopp der Diskriminierung gegenüber dem Detailhandel“ und punkto Passivrauchschutz eine schweizweit einheitliche Lösung».

Die Branche beschäftigt 235'000 Mitarbeitende in 28'000 Betrieben, bildet 10'000 Jugendliche in der Grundbildung aus und erzielt einen Jahresumsatz von insgesamt 25 Milliarden Franken. Als bedeutender Nettosteuerzahler lieferte das Gastgewerbe im Jahr 2006 dem Staat 866 Millionen Franken an Mehrwertsteuer ab; das sind 10,8 Prozent der gesamten Nettosteuerforderungen dieses Landes. Damit ist ausreichend dokumentiert, dass wir zu Recht Aufmerksamkeit und den Einbezug in die gesetzgeberische Arbeit fordern. Unsere Beurteilung zur Lage des Gastgewerbes fällt aus heutiger Sicht sehr unterschiedlich aus - je nachdem, ob wir den Blick zurück oder nach vorne richten.

Im Jahr 2008 erzielte die Branche Rekorde bei den Übernachtungen. Das belegt auch die Beherbergungs-Statistik des Bundesamtes für Statistik, die wir finanziell mittragen. Ebenso weisen die Ausgaben der Konsumenten für gastgewerbliche Leistungen gemäss unserer Erhebung "Essen und Trinken ausser Haus" eine Zunahme von real vier Prozent aus. Das heisst aber nicht, dass sich die Restaurantumsätze im gleichen Masse entwickelt haben.

Die Finanzkrise und die viel zu hohen Risiken, die man im Bankensektor offenbar in grosser Verblendung eingegangen ist, sind dramatisch in ihren Auswirkungen auf die reale Wirtschaft. Wir machen uns Sorgen darüber, wie die extreme Liquidität, die die Zentralbanken in die volkswirtschaftlichen Kreisläufe pumpen müssen, dereinst wieder ohne deutliche Preissteigerungen oder gar Stagflation abgebaut werden kann. Verunsicherte Konsumenten und Gäste sind ein Problem für unsere Branche. Denn: Wer unsicher ist, gibt weniger Geld aus und spart zuerst an Dienstleistungen, die man auch zuhause erbringen kann.

Allerdings gibt es auch Highlights zu vermelden. Die Erfolge zum Beispiel von Schnellverpflegungs-Kaffees – die trotz deutlich höheren Preisen – gerade auch von einem jungen Publikum gut frequentiert werden, zeigen, dass ein spezifisches Angebot den Gesamt-Trend in unserer Branche zu schlagen vermag. Da hat es die herkömmliche Gastronomie schwerer. Sie muss sich immer wieder aufs Neue flexibel zeigen und sich den Gästebedürfnissen anpassen. Der von uns in unserer "Strategie Orange" aufgezeigte Trend zur Aufhebung von starren Verpflegungszeiten und hin zu variablen Portionen und Gerichten bestätigt sich immer deutlicher. Wir wünschten uns, dass sich der einzelne Gastro-Unternehmer noch intensiver mit diesen aktuellen Trends auseinandersetzen würde.

Der Rückblick zeigt Erfolge

So konnte GastroSuisse - leider oft etwas einsam - deutlich aufzeigen, dass die amtliche Verbotsorientierung für die Konsumenten auch Grenzen haben muss. Beim Passivrauchschutz haben die eidgenössischen Räte ein nationales Passivrauchschutzgesetz verabschiedet, das weitgehend auf unserem Gesetzesentwurf basiert. Nun warten wir auf die Verordnung, die wesentliche Details zu den Raucherbetrieben und den sog. Fumoirs, den Raucherräumen, regeln muss. Leider besteht der nationale Flickenteppich unverändert – aber die nationale Lösung wäre eine sinnvolle Messlatte.

Interessant wird es sein zu verfolgen, wie einzelne Kantone abstimmen, denen die Einführung der nationalen Lösung in Sachen Passivrauchschutz vorgeschlagen wird – zum Beispiel die Kantone Uri, Thurgau und Genf. Ziel muss es sein, im Tourismusland Schweiz mittelfristig dann doch noch eine gesamtschweizerisch einheitliche Lösung durchzusetzen.

Wenig Freude macht uns die Hektik, mit der an einem Präventionsgesetz gearbeitet wird. Im Bundesamt für Gesundheit will man den Umgang mit Alkohol, Tabak und in Bezug auf gesunde Ernährung und Bewegung regeln. Die Präventionsbranche mit ihrer grossen Zahl an Forschungsbüros und Organisationen kann sich so die Budgets aus dem Bundestopf noch besser sichern. Wir reden von einem Betrag, der so "verforscht" wird, in der Grössenordnung von über 100 Millionen Franken.

Wir ärgern uns, weil wir erkennen, dass diese Prävention mit einem Menschbild antritt, das uns fremd ist. Der Konsument soll eingeschränkt, seine Entscheidungsfreiheit reduziert werden. Und weil man diesem Mechanismus nicht ganz traut, werden die nachgelagerten Branchen zu Vollzugshelfern und Nacherziehern degradiert. Wir kritisieren vor allem die Gesamtstrategie und die Rolle, die man uns dabei zuordnen will. Gleichzeitig ärgern wir uns, dass man im gleichen BAG seit Jahren den Auftrag verzögert, die Verantwortung für das Hygiene-Wissen zu regeln.

Wir ärgern uns, weil immer wieder "schwarze Schafe" die Branche in Misskredit bringen. Aber auch, weil man in der Bundesverwaltung in Bern die notwendige Definition der Minimalkenntnisse in Hygiene hintertreibt. Nicht minder verständlich ist es, dass das BAG in dieser zentralen Angelegenheit die Hilfskräfte prüfen will, statt die Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen.

Zum «Krieg der Sterne» mit Hotelleriesuisse

Das Verfahren geht weiter. hotelleriesuisse hat gegen den fundierten Entscheid des Handelsgerichts Zürich Beschwerde ergriffen. Das Handelsgericht hatte die Klage des SHV - es sei GastroSuisse verwehrt, Sterne für die eigene Klassifikation zu verwenden - in einem fundierten Entscheid abgewiesen. Wir bedauern, dass der klare Entscheid nicht akzeptiert wurde. Die Blockade gegen die Sterne dauert an. Das zeugt von Uneinsichtigkeit und ist nicht im Interesse der Branche, insbesondere nicht im Interesse der Klein- und Mittelhotellerie.

Seit drei Jahren werden wir massiv behindert. Es ist es uns verwehrt, unsere kleinen und mittleren Hotels mit den international seit rund 100 Jahren überall verwendeten Sternen zu kennzeichnen. Die verbandspolitisch motivierte Klage von hotelleriesuisse fügt nicht nur GastroSuisse, sondern der gesamten Branche grossen Schaden zu. Nun will man weiter Zeit schinden und nimmt offenbar in Kauf, dass der Schaden der betroffenen Betriebe noch weiter anwächst. Das ist unverständlich.

Nun werden voraussichtlich während Monaten erneut die Gerichte beschäftigt - zuerst das Kantonalzürcher Kassationsgericht und dann allenfalls noch das Bundesgericht In der Zwischenzeit haben wir unser Know-how über die Klein- und Mittelhotels massiv weiter ausgebaut. Die Herren Prof. Dr. Hansruedi Müller und Direktor Dr. Florian Hew werden im weiteren Verlauf dieser Konferenz darauf zu sprechen kommen.

Seit Jahren arbeiten wir daran, dass die krasse Benachteiligung des Gastgewerbes gegenüber dem Detailhandel bei der Mehrwertsteuer korrigiert wird. Wir begrüssen deshalb die Pläne des Bundesrates für einen Einheitssatz in der Mehrwertsteuer. Kürzlich haben wir vorgeschlagen, dass im Rahmen der konjunkturellen Ankurbelung eine rasche Einführung eines Mehrwertsteuer-Einheitssatzes von fünf Prozent - plus IV-Zusatz- Finanzierung - geprüft werden sollte.

Das ist zwar kein primär gastgewerbliches Anliegen, vielmehr die - für die ganze Volkswirtschaft vorteilhafte - Durchtrennung eines gordischen Knotens. Unser Problem wäre damit ebenfalls gelöst – verbunden mit grossen Vorteilen für alle Wirtschaftssubjekte.

Die Politik hat davon Kenntnis genommen, will aber zuerst das MWSt-Gesetz revidieren. Sollte das nicht gelingen, müsste die Motion von Ständerat Hess (vom SR überwiesen, vom BR angenommen) für eine Unterstellung gastgewerblicher Leistungen unter den reduzierten Satz resp. bei Steueraufkommensneutralität unter einen leicht erhöhten reduzierten Satz wieder aktiviert werden. Wir behalten uns weitere Schritte vor. (Text: GastroSuisse)

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