Food aktuell
22.6.2011: nachrichten
22.6.2011
Mehr Transparenz oder mehr Bürokratie?

Die Lebensmittelbranche gerät gemäss SBKV immer mehr in Not durch Forderungen von SKS & Co nach Transparenz, Pranger für Hygienesünder und neuen Deklarationspflichten.




Eine Motion der Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher (nicht im Bild) will erreichen, dass Zucker- und Fettgehalt von Lebensmitteln besser gekennzeichnet werden, z.B. mit den Farben Rot, Gelb und Grün. Graf verlangt vom Bundesrat, die Nährwertdeklaration obligatorisch zu machen. Entsprechende Bestrebungen gäbe es auch in der EU.


Die Lebensmittelbranche sieht sich in den letzten Jahren einer enormen Fokussierung der Medien und damit einer gesteigerten sensibilisierten Erwartungshaltung der Öffentlichkeit in Bezug auf Transparenz und Sicherheit rund um die Lebensmittel ausgesetzt. Die EHEC-Diskussion ist das letzte Beispiel in einer Reihe von zahlreichen sogenannten „Skandalen“. Auch die reisserischen Titel der Boulevardmedien in Bezug auf Grüsel-Beizen zeigen auf, dass das Thema rund um die Lebensmittel nicht nur in der Schweiz eine erhöhte Aufmerksamkeit seitens der Medien und der Konsumenten erfahren hat.

Aufgeschreckt durch die Negativschlagzeilen verfallen die Politiker in eine unglaubliche Aktionitis und versuchen, den Forderungen der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Dabei kommen Forderungen wie Prävention, öffentlicher Zugang zu Hygienebescheinigungen, Ernährungssouveränität etc. zu Tage. Letztes Beispiel ist die in der eben abgelaufenen Sommersession eingereichte Motion mit dem Titel „Kennzeichnung muss verpflichtend werden“. Die Motion verlangt, dass für die Nährwertkennzeichnung eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird und die Hersteller zu einer verständlichen Kennzeichnung verpflichtet werden.

Gegen staatliche Massnahmen

Staatliche Massnahmen, die Konsumenteninformation zu verbessern, geschweige denn das Konsumverhalten zu verändern sind sehr gefährlich. Die Unterteilung der Lebensmittel in gesunde und ungesunde macht keinen Sinn. Es gibt es keine ungesunden Lebensmittel, nur ein ungesundes Mass. So ist z.B. Übergewicht immer das Ergebnis eines Lebensstils und kann nicht dem Konsum eines bestimmten Lebensmittels zugeordnet werden. Ausserdem ist der Kalorienbedarf eines Menschen je nach Lebensstil und Alter höchst individuell.

Ein „einfach verständliches Label“ zur Kennzeichnung von Lebensmitteln, wie es dem Konsumentenschutz vorschwebt, kann komplexe Sachverhalte wie die Energiebilanz des menschlichen Organismus niemals abbilden. Es führt im Gegenteil zu Verwirrung und Irreführung und zur Diskriminierung von bestimmten Nahrungsmitteln auch in der Bäckerei- Branche.

Die Herkunft der Lebensmittel respektive der Rohstoffe ist ein zentraler Punkt. Gerade unsere Betriebe, die gewerblichen Bäckereien, setzen auf einheimische Rohstoffe, produzieren lokal und bieten dementsprechend in allen Regionen der Schweiz Ausbildungs- und Arbeitsplätze an, insgesamt sind gegen 30'000 Personen in der gesamten Branche beschäftigt, das Gewerbe bildet jährlich neu 1500 junge Leute in den Verkaufs- und Produktionsberufen aus.

Bevormundung und bürokratischer Aufwand

Der Schweizerische Bäcker-Konditorenmeister-Verband (SBKV) wehrt sich gegen weitere staatliche Bevormundungen und den bürokratischen Aufwand, der damit verursacht wird. Der Unternehmer Bäcker-Konditor wird immer mehr zum Verwalter denn zum Produzenten. Die Zahlen im neusten Branchenspiegel für das Bäckerei-Konditorei-Confiserie-Gewerbe belegen das.

Trotz partiell leicht sinkenden Umsätzen und gestiegenen Personalkosten hat sich die Branche gegen alle Widrigkeiten behauptet und konnte die Margen – zwar immer noch auf einem sehr tiefen Niveau – leicht verbessern. Es bleibt zu hoffen, dass diese Tendenz weitergeführt werden kann. Mit einem bereinigten Cashflow (nach Abzug des Unternehmerlohns) von 5% bewegt sich die Branche auf tiefem Niveau und ist teilweise kaum mehr in der Lage, die notwendigen Investitionen zu tragen. (Text: Schweizerischer Bäcker-Konditorenmeister-Verband SBKV)



Ampel-System



Kennzeichnung muss verpflichtend werden

(Mitteilung der Stiftung für Konsumentenschutz SKS) - Eine einfache, verständliche und sichtbare Kennzeichnung der Nährwerte kann nur erreicht werden, wenn Hersteller und Anbieter dazu verpflichtet werden. Ob Ampelsystem oder Labelling: Die verständliche Kennzeichnung von Lebensmitteln bezüglich Nährwerten hat in der Schweiz einen schweren Stand. Seit die Anbieter den für Konsumentinnen und Konsumenten unverständlichen Guideline Daily Amount eingeführt haben, werden wirklich hilfreiche und verständliche Systeme von ihnen blockiert.

Im letzten Herbst musste ein vom Bundesamt für Gesundheit initiiertes Projekt nach rund zwei Jahren wieder begraben werden: Das Label Healthy Choice wurde von der Industrie nicht akzeptiert. Ohnehin chancenlos ist somit das von der Stiftung für Konsumentenschutz SKS bevorzugte Ampelsystem, welches auf einfache und verständliche Art kennzeichnet, welche Lebensmittel in Bezug auf Zucker, Fett, Salz oder gesättigte Fettsäuren unbedenklich sind oder nur mit Zurückhaltung genossen werden sollen.

In der Schweiz ist bereits jedes fünfte Kind übergewichtig oder adipös. Mit einer klaren und verständlichen Kennzeichnung kann das wachsende Problem des Übergewichts und der falschen Ernährung nicht gelöst werden, sie ist jedoch ein wichtiger Puzzlestein. Solange es der Industrie jedoch freigestellt ist, ob sie eine Kennzeichnung akzeptieren und anwenden will, wird ein nützliches und transparentes System am Widerstand der Anbieter scheitern.

Nationalrätin Edith Graf-Litscher reicht deshalb eine Motion ein, welche verlangt, dass für die Nährwertkennzeichnung eine gesetzlichen Grundlage geschaffen wird und die Hersteller zu einer verständlichen Kennzeichnung verpflichtet werden. Dabei sind die laufenden Bemühungen der EU für eine einheitliche Nährwertkennzeichnung zu berücksichtigen. (SKS 15. Juni 2011)

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